Mittwoch, 28. Juni 2023

Wir warten nur noch ab. Machen immer weniger. Ellie ist groß und schwer und sitzt meistens auf dem Klo. Ich war überzeugt gewesen, dass Baby viel früher kommt. Ich bin weiter jeden Tag überzeugt, dass es morgen kommen muss.

Kürzlich haben Ellie und ich beide einen großen Schreck bekommen. Ich will das aufzeichnen, weil das Elternhirn die Erinnerung wahrscheinlich säubern wird. Ich wollte Otto abends von der Kita abholen, als man mich ins Büro bat. Herz sofort im Magen. Aufgrund einiger Verhaltensweisen Ottos schlugen sie vor, einen Gesundheitsberater kommen zu lassen um vielleicht über eine Überweisung an einen Kinderarzt zu entscheiden. Zu Hause las Ellie die Beobachtungen und war sofort überzeugt, dass die Betreuer insgeheim Autismus meinten und uns nicht die Wahrheit erzählten. Wir hatten ein schwieriges Gespräch. Ich wollte rational sein. Nicht einer von diesen Eltern sein. Aber nolens volens ist man erschrocken und dann kommen irgendwann über die Nacht die Zweifel. Und obwohl wir bis dahin mit der Kita und den Betreuern explizit zufrieden waren, war man von einer Minute auf die andere bereit ihnen etwas zu unterstellen. So geht das.
Stattdessen ging Ellie einen Tag später selbst zu Kita und beobachtete Otto. Anschließend nahmen sich die Leute noch eine halbe Stunde und erklärten, dass sie das mit vielen Kindern machen, schon bei minderen Indikationen, weil es besser ist früh nichts zu finden als etwas zu spät. Genau was ich mir zwei Tage zuvor selbst gesagt hatte. Jetzt sind wir wieder beruhigt und überzeugt, dass Otto gerne in der Kita ist. Aber wie leicht ein Quatschgedanke Monate guter Erfahrungen überwiegt.

Otto Nachrichten

Otto wächst wieder. Vor Kurzem hatte er einen kleinen Bauch. Der ist jetzt plötzlich weg.

Johannes Nachrichten

Ich denke ich sollte regelmäßig schreiben, wie es mir geht. In letzter Zeit spürte ich, dass ich Schiss habe. Auch beim zweiten Mal. Ich flüchte mich abends zunehmend in Zerstreuung, wo ich sonst versucht hätte nach der Arbeit noch etwas zu schaffen. Aus dem Gefuehl, dass man es morgen vielleicht nicht mehr machen kann. Fernsehen, Computerspiele, solange es bunt ist. Wie letztes Mal, nur schon vor der Geburt.

An Kitatagen trinke ich morgens auf dem Weg nach Hause einen Tee im Park und gucke Bäume an. Bäume sind gut. Insgesamt scheint aber auch hier wieder vor allem Schlaf der größte Einzelfaktor meines Befindens zu sein.

Ich lese jetzt zwei neue Bücher, die ich vor einiger Zeit als Leseprobe hatte.

Eins über die erste Hälfte von Erich Honeckers Leben, bis 1945. Ich glaube mich interessiert, welche Art Mensche in welchem System Karriere macht, seit ich das bei mir auf der Arbeit beobachten kann. Außerdem die Lebensumstände in der Jugend meiner eigenen Großeltern. Ich hatte mir vor einiger Zeit eine Leseprobe dieses Buches geholt, wie auch einer Biographie über Herbert Wehner als einer Person die ursprünglich eine ähnliche Laufbahn nahm und später im anderen System erfolgreich war. Biographien interessieren mich erst seitdem ich selber älter werde, aber dann eben zunehmend.

Das andere handelt vom Polnisch-Sowjetischen Krieg 1920. War mir aus meiner Zeit in Polen bekannt, aber ich war ueberrascht, als ich es vor einigen Jahren in einer Rostocker Thalia sah. Mittelosteuropa wird in deutschen Buchhandlungen fast ausschliesslich aus russischer Sicht geschrieben, von Leuten die frueher da studierten oder viel zu lange Korrespondenten waren. Der Autor war zur Abwechslung in Polen.


Montag, 12. Juni 2023

Abwarten

Man lebt von Tag zu Tag. Macht keine Wochenendspläne mehr. Einerseits bin ich froh über jeden "normalen" Tag. In den letzten Wochen übernehme ich immer mehr Arbeit um Haus und Kind, je weniger Ellie machen kann. Jede freie Minute bereitet man vor, bis man ins Bett kippt und trotzdem ist noch soviel zu tun und mehr kommt hinzu. Bin ich mal einen Tag krank schlägt sofort die Arithmetik der nötigen und der freien Hände zu.

Schon vor einigen Wochen mussten wir uns zum Beispiel plötzlich ein neues Auto kaufen. Das hatte Ellie aus Platzgründen schon länger vor, und dann war wieder was mit der Bremse, und wir brauchen ja ein funktionierendes Auto um zu gegebener Zeit zum Krankenhaus zu kommen. Mir wurde klar, dass wir das nicht so schleifen lassen können wie praktisch alle anderen Aufgaben, die Monate benötigen, weil nie Zeit ist. Also haben wir das an einem einzigen Urlaubstag durchgezogen. Das hatte eigentlich unser zweiter Versuch für einen gemeinsamen Tag sein sollen (der erste war mal wieder wegen Kinderkrankheit verschoben worden), aber es gab keine Alternative. Also haben wir einen gebrauchten Nissan Note; das Leasen eines Neuwagens hatte sich nach einer Sekunde Recherche als zu teuer erwiesen.

Es ist plötzlich Sommer geworden. Wegen der Luftfeuchtigkeit schon bei 22 Grad zu heiß für mich. Im März noch saß ich mit Jacke am Schreibtisch, jetzt generell oben ohne. Ich hatte nach dem relativ kühlen Jahr bisher gehofft, dass uns wenigstens diesen Sommer die Hitzewellen erspart bleiben, wenn das Baby kommt.

Otto Nachrichten

Züge sind momentan wieder groß angesagt. Auf Modellzügen im Park oder mit Spielzeugbahnen im Kulturhaus. Und letztens habe ich ein tolles neues Ausflugskonzept entdeckt, wo wir im Bus zum Bahnhof und dann mit dem Zug zu nahen Orten wie dem Hafen und wieder zurück fahren. Relativ billig, relativ wenig anstrengend, und ich bekam Schiffe zu sehen. Otto ist immer aus dem Häuschen, und ich fühle mich als guter Vater.

Otto durfte einige Tage lang die Mäuse von Freunden betreuen.

Otto probiert jeden Montag Gymnastik aus.

Baby Nachrichten

ein ganzes Jahr Gespräche und keinen Name gefunden

Johannes Nachrichten

Ich bin mental und körperlich erschöpft. Dünnhäutig. Kann schlecht mit unerwarteten Problemen umgehen. Werde schneller von bestimmten Gedanken und Gefühlen übermannt als sonst. Kann mich schlecht entspannen, weil ich immer denke irgendwas muss ich doch gerade dringend machen.

Ich arbeite langsam am Puzzle von Warnemünde. Das hilft.

Einen Nachmittag bin ich in den South Downs wandern gegangen, vom Umweltzentrum zum Hügel Butser.

Lektüre: ich habe von Dohnanyis Buch bis auf weiteres aufgegeben. Stattdessen lese ich ein Buch darüber, was mir Bäume und Pflanzen über die Umgebung verraten.

Am Hafen

Gymnastiker

Bahnhof