Die letzten Wochen war Hitzewelle. Jetzt gilt es, jeden Sommertag zu nutzen, denn ewig wird der in diesem Land nicht halten. Drei Wochen bis ich nach Deutschlang fahre und wenn ich zurückkomme kann ich wieder neun Monate warten. Zum Glück hatte ich auch weniger Verpflichtungen und bin so dahin gekommen, abends einfach direkt von der Arbeit an den Strand zu fahren und da zu bleiben. Vielen habe ich das schon beschrieben, aber fürs Protokoll: ich lebe wo andere Urlaub machen. Wenn ich zum Meer komme liegen und schwimmen da schon die Menschen. Ich mache keine Pläne mehr, sondern nehme mir Essen mit und verbringe einfach den ganzen Abend da. Auch Wochenenden plane ich nicht mehr, früher der später landet man ohnehin am Wasser und was auch immer man sich vorher überlegt hatte, wird da egal. Anders als im letzten Sommer scheint es keinen Unterschied zwischen Wochenende und Arbeitstag zu geben, der Strand ist immer belebt. Während ich im letztes Jahr zum ersten Mal Freude am Schwimmen gefunden hatte, ist es mir jetzt sogar physisch ein richtige Bedürfnis, nach der Arbeit nicht nur ins Wasser zu springen, sondern mich richtig sportlich zu betätigen und dieses schöne Gefühl zu haben, wenn mich meine Arme vom Wasser abstoßen und vorwärts treiben. Noch lange nach der Schulzeit hatten Strand als auch Becken ein mulmiges Gefühl hervorgerufen. Dazu schließen sich, nun endlich, häufig noch Freunde an, ganz einfach lassen sich Picknicks organisieren und abends gibt es fast immer irgendwo Tanz, oder in letzter Zeit auch Freiluftkino. Theresa kam noch einmal in die Stadt, um ihrer Studienabschlussgala beizuwohnen. Nun ist sie endgültig zurück nach Deutschland gezogen.
Als neuestes Buch habe ich eine kleine Einführung zur deutschen Geschichte im Mittelalter ausgelesen, was ich sich Friedemanns noch in meiner Rostocker Zeit gekauft und mir auf Wunsch hergeschickt hatte. Das schließt sich zeitlich an das großartige Buch über das frühe Mittelalter bis zum Jahr 1.000 an.
Daraufhin machte ich thematisch einen Schlenker und las die Autobiographie von Ellies Uroma. Die kam im frühen 20. Jh. als uneheliches Kind auf dem tiefsten Land in Kent auf die Welt und wäre um ein Haar ihr Leben lang im Armenhaus eingesperrt geblieben, wie es im übrigen ihrer von den Eltern verstoßenen Mutter geschah. Was ursprünglich als Erkundung von Ellies Familie begann, gab mir auch ein durchaus verstörenden Einblick in die Kaltherzigkeit und Materialismus jener Zeit, wo Menschen gerade auf dem Land allein nach Vermögen und gesellschaftlichen Stellung behandelt wurden. Das Verleihen der Mädchen aus dem Armenhaus zur Arbeit ist teilweist nichts anderes als Leibeigenschaft und gerade bis zur Jahrhundertmitte liest sich das wie eine Geschichte Charles Dickens', die ich immer als konstruiert empfunden hatte. Daneben ist es aber auch eine Fallstudie der gewaltigen sozialen und wirtschaftlichen Besserstellung breiter Gesellschaftsschichten, die sich im Lauf dieses einen Lebens abgespielt haben. Ellie kommt aus recht bescheidenen Verhältnissen, aber schon das ist das Ergebnis einer kontinuierlichen Vermögensbildung ihrer Urgroßmutter, die als Hausfrau sehr genau beschreibt, wie sich nach und nach immer höhere Wohnraumqualität und persönliche Einkünfte durchsetzten. Insbesondere nach dem Krieg wird ganz deutlich, wie armen Leuten bessere Ausbildung, Gesundheitswesen und Anerkennung zuteil wird. Ein Augenöffner, in welchem Elend man vor gerade mal einem Jahrhundert lebte.
Jetzt kehre ich zurück zum Thema und lese Rolf Schneiders Buch über Brandenburg und Berlin im Mittelalter, ein Leihstück von Papa. Bis zum Urlaub will ich das beenden und dann kommt Ellies Geburtstagsschwarte dran, 700 Seiten "Europas Verschwunde Länder".
Jetzt kehre ich zurück zum Thema und lese Rolf Schneiders Buch über Brandenburg und Berlin im Mittelalter, ein Leihstück von Papa. Bis zum Urlaub will ich das beenden und dann kommt Ellies Geburtstagsschwarte dran, 700 Seiten "Europas Verschwunde Länder".
Ellie konnte ich am letzten Juliwochenende einige Dinge vorstellen, die meinem Lebens viel Freude geben. Ähnlich wie ich mir ihre Bauchtanzgruppe ansehe, über ihre Uroma lese oder nach Kent fahre. Man muss dazu wissen, sie probiert gern neues, ist dabei aber nicht ganz so sorglos wie ich und braucht immer wieder etwas Ermutigung. Jetzt kam sie zum ersten Mal zum Tango mit. Davon schwärme ich ihr ja schon seit vor Beginn unserer Beziehung vor, aber aus Zeit- und Mutgründen kam sie erst jetzt mit. Zum zweiten, und das ist noch bemerkenswerter, hat sie nach einigen Abenden am sonnigen Strand mit mir Lust bekommen, selbst ins Wasser zu kommen. Bisher hat sie dem Meer in ihren sechs Jahren in Portsmouth nicht genug getraut.
Ähnlich waren wir beide auf einer schönen Feier in Haus und Garten meiner Gesangslehrerin, die sie wohl einmal pro Jahr ausrichtet und damit ein gutes Stück der lokalen Tanz- und Musikszene versammelt. Mir gegenüber war das als Tanzparty angekündigt worden und auch wenn sich die meisten zierten, schwang ich das Tanzbein mit Flavio meinem Tangolehrer und dann auch Ellie, die sich prächtig amüsierte, nachdem sich die Leute als zivilisiert rausgestellt hatten - auch da leidet die Arme noch unter den schlechten Beispielen ihrer Jugend und Studienzeit.
Einige Hinweise zum Tangovideo: der gesamte Auftritt dauert 2 Stunden und ist in Akt I und Akt II gegliedert. Ich tanze nur 3 Mal (dazu einige Einlagen neben dem Erzähler) und wenn ich auch fast immer rechts hinten an meiner Bar stehe hier für Ungeduldige die Zeitmarken meiner Auftritte:
Akt I
3:47
6:20
20:50
24:00
38:10
40:20
45:30
Akt II
51:30 bis Ende