Den ganzen März hindurch gewannen die Wochenenden weiter an Fahrt, bevor mich meine Gesundheit abrupt wieder ausbremste.
Einige Tage sind fast schon wie letztes Jahr, zum Beispiel das dritte Märzwochenende.
Am Samstag hatte der Chor nachmittags Generalprobe und abends Konzert, eins der besten seit meiner Ankunft wurde. Das lag u.a. am diesmal profesionellen Orchester, was nolens volens besser klang als das gewöhnliche Uniorchester. Teurer war es natürlich auch und unser Dirigent macht ominöse Andeutungen, dass er nochmal vielleicht nicht soviel Geld bekommt. Schließlich spielten wir nur knapp die Hälfte unserer Kosten ein und das, obwohl die Kirche voll war. Auch der Chor machte auch eine gute Figur und ich hatte ganz persönlich große Freude, da ich gut vorbereitet war und mich voll auf die eigentliche Wiedergabe konzentrieren konnte. Nur die Solisten mussten wir einmal suchen gehen. Umso mehr bereue ich einmal mehr, dass das Puccini-Programm vorbei ist, man wieder etwas von vorn anfängt und nicht mehr so gut im Text steht, dass man sich auf das eigentliche Singen konzentrieren kann. Zumal das Frühlingskonzert inzwischen de facto das Ende der Chorsaison markiert. Und jetzt ist ohnehin erstmal drei Wochen Osterpause, was ich ganz vergessen hatte.
Wie ich später erfuhrt, war nach dem Konzert noch bis 4 Uhr morgens gefeiert worden. und das von Leuten, die einige Jahre älter sind als ich. Ich schaffe sowas physisch nicht mehr - Ellie waren direkt nach Hause gegangen. Vorbei die Zeiten, wo man die Kneipen (ab und zu) bei Sonnenaufgang verließ. Aber ich höre, ab 50 geht es wieder aufwärts.
Im Sommertrimester machen wir wie immer "leichtes Programm", dieses Mal Volkslieder, in das man sich nicht so versenken kann. Andererseits markiert das Frühlingskonzert auch den anstehenden Sommer. Ende Mai wollten wir mit dem leichten Programm ein Minitour auf der Isle of Wight mit einer lokalen Folkloregruppe machen, jetzt ist davon ein einziges Konzert ohne Gruppe geworden. Immerhin werde ich mit Ellie die Insel etwas bereisen können.
Sonntag fand die erste Tangoprobe dieses Jahr statt. Noch weiß ich nicht, ob ich mir wieder die Zeit für einen neuen Tangoauftritt nehmen will. Aber Spaß machen sie auf jeden Fall. Tango hat mir nach zwei Jahren eine bemerkenswerte Freude an koordinierter Bewegung gegeben.
Aufregeung
Dazwischen habe ich mir eine Blutprobe machen lassen, weil ich endgültig die Nase voll habe, seit Jahresbeginn mehr oder weniger krank zu sein. Wider Erwarten kam die mit 'uneindeutig' zurück und muss am 20. April wiederholt werden. Das hat mich doch beunruhigt, weshalb es gut war, die Werte zu Hause überprüfen lassen zu können. Bald nach der Blutprobe fühlte ich mich auch wieder ziemlich schwach und musste mir einen Tag freinehmen. Mit den Untersuchungsergebnissen gehe ich jetzt davon aus, dass irgendwas mit mir los ist und bin daher eher bereit, mir Ruhe zu gönnen. In den Tagen davor hatte es zwar einige ungeplante längere Radtouren gegeben, aber selbst wenn das der Auslöser war, würde mein Körper normalerweise nicht so einfach umkippen.
Dabei war gerade eine andere Aufregung vergangen. Dazu vielleicht etwas Hintergrundinformation. Ellie arbeitet seit 7 Jahren in der Verwaltung der Uni Portsmouth und begutachtet, ob ausländische Studenten Anspruch auf ein Visa haben, bevor man ihnen ein Studienangebot macht. Nun ist sie regelmäßig unzufrieden, denkt aber auch, dass sie nicht gut genug ist, woanders hinzugehen. Auch um sie eines besseren zu belehren, hatte ich sie daher unterstützt, sich auf eine Stelle an der Uni Southampton zu bewerben. Wie erwartet wurde sie gleich zu einem Gespräch eingeladen (persönlich kann ich sie mir sehr gut als Leitungspersonal vorstellen), woraus sie nur als Zweitbeste hervorging, aber bevor wir das erfuhren, mussten wir uns erstmal klarwerden, ob wir das auch wollten. Denn Arbeit in Southampton hieße realistisch gesehen auch dort zu wohnen. Was eigentlich auch weniger dramatisch wäre als vorige Umzüge, schließlich komme ich von dort genauso gut in mein Büro, Kultur gibt es mehr und nicht zuletzt Kalina. Aber beide sind wir auch keine Freunde von plötzlicher Veränderung und ich wollte Ellie zureden, die Stelle nicht aus den falschen Gründen abzulehnen. Am Ende stellte sie im Gespräch fest, dass die Stelle soviel nicht wert war, was das Problem von der Tagesordnung holte. Aber vorher hatten wir beide einige unruhige Tage.
Während Ellie nun also doch ihre alte Arbeit behält, verändert sich jetzt dagegen meine ganz unerwartet. Man findet wohl keinen Leiter für meine Arbeitsgruppe, weshalb diese urplötzlich aufgelöst wird und wir auf andere Projekte verteilt werden, wo scheinbar auch Kräfte fehlen. Ich werde mich wohl um die Prognostizierung der Altersstruktur der Bevölkerung kümmern, meine beiden direkten Kollegen kommen woanders hin. Begeistert sind wir alle nicht, da gerade unser Projekte kurz vor dem Abschluss stand. Ich bin auch nicht sehr glücklich, da ich generell sehr lange Zeit zum Einarbeiten brauche und gerade erst produktiv geworden war.
Vermischtes
Mein dickes Geschichtsbuch habe ich endgültig ausgelesen und an Mathieu weitergereicht, der sich das Kapitel über seine Heimat Savoy durchlesen will. Noch fehlt mir ein klares Nachfolgeprojekt.
Dann hat Ellie ein weiteres Kleid von mir geschenkt bekommen, bemalt von Kasia. Die experimentiert mir Textilfarben und hatte mir diese "Studie" angeboten. Wie sie mich zu betonen gebeten hat, ist es mit Kornblumen verziert, da Ellies Freund ja Preuße ist, und Kornblumen im Zuge der Luisenverehrung zum Landessymbol geworden wären. War mir neu, sieht aber auch toll aus. Was Ellie nicht weiß, Ende des Jahres kommt ein weiteres Kleid, nicht nur handbemalt (diesmal weiß mit rotem Mohn), sondern maßgeschneidert von einer polnischen Schneiderin, mit der Kasia zusammenarbeitet.
Apropos Polen, wie sich kürzlich herausstellte, ist ein älterer Kollege von mir sehr gut mit einigen Orten meiner Vergangenheit bekannt. Als Kind hatte er einen Austausch nach Polen gewonnen, wo ihn seine Gastfamilie von Warschau aus in Städte wie Danzig aber auch Torun nahmen. Das Gespräch über den Blick über die Weichsel verstärkte wiederum eine in letzter Zeit ohnehin vorhandene nostalgische Stimmung in mir. Wie gerne würde ich auf eine große Tour nach Breslau, Lodz und vor allem Torun gehen. Und wenn ich dazu wieder 24 sein könnte, wäre das auch gut.
Für eine Woche besuchte uns die USS Theodore Roosevelt, ein gewaltiger amerikanischer Flugzeugträger. Es passt nicht mal in den Hafen und liegt daher in einer Bucht. Von Portsmouth aus versperrt ein Landvorsprung die Sicht. Sehen kann ich ihn dafür vom Büro aus - gute 15 Kilometer weit weg. 5.000 Mann Besatzung hat das Schiff; die lokalen Kneipen und Clubs haben eine Woche lang rund um die Uhr geöffnet.
Einige
Bilder.
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Ellies neues Kleid. |
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Portsmouth, dahinter die USS Roosevelt, dahinter die Isle of Wight. |