Freitag, 28. Dezember 2018

Advent und Weihnachten

Dieses Jahr ist Weihnachten völlig an mir vorbeigegangen. Dabei ging es gut los: Mitte November hatte ich Zeit über Geschenke nachzudenken, hatte noch vor dem Advent alles organisiert und einmal gebacken. Aber danach schien ich niemals wieder Zeit und Muße zu haben. Das lag einmal an meiner Arbeit: man lässt mich endlich ernsthaft programmieren. Aber ich merke auch, dass ich nach so einem Tag ziemlich wuschig im Kopf bin und mich abends nicht mehr besinnen kann. Und meistens gab es dringende Sachen zu erledigen. Ein anderes Problem war die neue Katze, die am 17. Dezember ins Haus kam und sich bisher nicht besonders gut mit Buddha verträgt.


Weihnachtsstimmung im Büro: ich mache einen Spaziergang, um den Kopf zwischen vielem Programmieren wieder freizubekommen


Am 2. Dezember war das diessemestrige Chorkonzert, in einer Kirche in Gosport. Eine eklektische Sammlung von Lieder zum Thema "Abend", gratis, für einen wohltätigen Zweck der uns nie mitgeteilt wurde. Solche kleineren Veranstaltungen werden nicht so ernst genommen. Einige schöne Lieder von deutschen Komponisten wie Clara Schumann, Brahms, Bruch und Rheinberger waren darunter und das wunderschöne Soir sur la Pleine von Lili Boulanger, die ich bei der Gelegenheit zum ersten Mal gehört habe. Im neuen Jahr singen wir etwas herzhafteres, Haydn und Mozart; allerdings werde ich zum Konzert in Japan sein. Ich darf aber bis zwei Wochen vorher mitproben.

Zwei Tage später, am 4. Dezember sangen wir wie jedes Jahr beim Adventsgottesdienst der Uni in der Kathedrale. Die Chorleitung hasst das immer, aber die ehrlicheren Sänger geben zu, dass wir Weihnachtslieder eigentlich mögen. Ellie hat sich dazu angeschlossen, weil sie die Lieder ja alle aus der Vergangenheit kennt. Sie ist ja seit zwei Jahren nicht mehr im Chor, um sich mehr dem Bauchtanz zu widmen. Ich fühlte mich an diesem Tag etwas krank und hatte von zu Hause gearbeitet. Es tut mir aber nicht gut, nur allein im Haus zu hocken. Darum hat mir diese Veranstaltung richtig gut getan. Zum ersten Mal bekam ich ein ganz bisschen Weihnachtsstimmung.

Nach dem Adventssingen in der Kathedrale von Portsmouth

Weitere zwei Tage später habe ich mit meinen tschechischen Freunden sozialistisches Brauchtum gepflegt und Drei Haselnüsse für Aschenbrödel geguckt. Mit dabei waren ihre kleine Tochter, der Opa, sowie Ellie. Ellie und die Tochter haben den Film zum ersten Mal gesehen und ich zum ersten Mal auf Tschechisch. Und habe erfahren: in der tschechischen Version singt Karel Gott über die kleine Birke. Die englische Komponente bestand aus dem berühmten Weihnachtspudding, sogar stilecht mit brennendem Brandy übergossen.


Samstag den 8. Dezember haben wir unseren Weihnachtsbaum gekauft und geschmückt. Ich war erst genervt, dass das unbedingt nach 21 Uhr geschehen musste, aber es hat das Haus in der Tat etwas adventlicher gemacht. Am Sonntag sind Ellie und ich wieder zum schönen Weihnachtsmarkt in Winchester gefahren.

Unser Weihnachtsbaum


Weihnachtsmarkt vor der Kathedrale in Winchester

Am 16. Dezember hatte Ellie Geburtstag und ich hab sie zu einer Überraschungprivatstunde Ballet gefahren. Hat nichts mit Advent zu tun, aber in der Zeit konnte ich kurz aufs Land fahren und dort etwas Ruhe und Alleinsein erfahren. Der Ort Hambledon ist einfach ein Dorf zwischen den Hügeln der South Downs, aber bekannt als der erste Cricketverein der Welt. Mir hat die völlige Stille in der Kirche und ein Abschnitt eines mittelalterlichen Wanderwegs sehr gut getan.


Der restliche Advent ist dann leider völlig an mir vorbeigerauscht bis Weihnachten selbst vor der Tür stand. Am letzten Adventwochenende bekam ich aber schon mein Hauptgeschenk von Ellie: sie nahm mich nach London zu einer Aufführung des Weihnachtsoratoriums in einer Kirche ganz nah am Parlament. Sie hatte das schon letztes Jahr machen wollen, aber keine Karten mehr bekommen, weshalb sie damals stattdessen die Matthäuspassion im März gebucht hatte. Gesungen hat eines der Colleges der Universität Canterbury, natürlich ganz toll und auswendig, ohne Noten und auf Deutsch.

Westminster Abbey auf dem Rückweg vom Weihnachtsoratorium

Am 24. wurde mir auch nicht besonders weihnachtlich. Erst als ich nach Dunkelheit zum Meer gejoggt bin und etwas allein am Strand gestanden habe, wurde es etwas besser. Unter anderem fehlt mir ganz einfach Bewegung und Interaktion mit Menschen, gerade nachdem ich ein paar Tage zu Hause gearbeitet hatte. Als ich zurück kam, war dann schon der Abendbrottisch gedeckt und erst zu diesem Zeitpunkt bekam ich etwas Stimmung. Anschließend war Bescherung zwischen mir und Ellie sowie die Pakete aus Deutschland. Dann haben wir den traditionellen englischen Weihnachtsfilm "Stirb langsam" geguckt bevor wir zur Mitternachtsmesse gegangen sind. Am Weihnachtsmorgen gab es dann die englischen Geschenke; auch ich habe nochmal einen Weihnachtsstrumpf am Bett hängend gefunden.


Ich hatte mir die ganze Weihnachtswoche freigenommen, aber auch diese Zeit schien zu verfliegen zwischen späten Abenden, spätem Aufstehen, Besuchen und Katzenfürsorge. Eigentlich haben wir nur eine kleine Wanderung in den South Downs gemacht, die dafür besonders schön war.



Heiligabend

Katzenjammer

Seit dem 17. Dezember haben wir eine zweite Katze. Die Geschichte dahinter ist die: eines Tages hörten Ellie und befreunde Katzendiener auf dem Weg nach Hause von der Arbeit einen kleinen Kater nach Hilfe miauen. Das Tier war völlig verängstigt und abgemagert. Wir vermuten es war ausgesetzt worden und konnte nicht gut jagen. Der Tierarzt schätzt ihn auf zweieinhalb Jahre. Sie haben in der Straße erfolglos nach den Besitzern gesucht. Über sympathisierende Anwohner kam die Katze in eine Rettungsstelle, aber Ellie hatte bereits gesagt, dass sie sie übernehmen würde, sollte sich kein Besitzer finden. Wir hatten über die Jahre immer wieder überlegt, ob Buddha einen Mitbewohner mögen würde, wenn wir unterwegs sind, insbesondere seitdem wir 10 Tage in Japan gebucht haben. Am 17. Dezember hat Ellie die Katze dann abgeholt, zum Beginn ihres Weihnachtsurlaubs. Wir nennen ihn Mochi, nach einer japanischen Nachspeise.
Natürlich weiß man nie, ob sich Katzen verstehen. Bisher sieht es nicht gut aus. Nach einigen Tagen Eingewöhnung in einem Zimmer haben wir Mochi in den Rest des Hauses gelassen. Es ist ausgesprochen freundlich und zutraulich mit Menschen. Aber leider scheint er Buddha herumzuschubsen, der sich nicht zu wehren weiß, vermutlich weil er sein Leben lang von seiner Katzenmutti verwöhnt und beschützt wurde, während Mochi auf der Straße gelebt hat und vielleicht instinktiv sein Revier verteidigen muss. Ich war über Weihnachten teilweise richtig genervt, weil die beiden nur unter ständiger Beobachtung zusammen sein können und damit will ich nicht die gesamte freie Zeit verbringen. Manchmal hat mich das richtig an den Zivildienst erinnert, wo ich völlig erschöpft war, die Kinder keine Sekunde aus den Augen zu verlieren. Nach einigen Tagen hat auch Ellie die Zuversicht verloren. Wir versuchen jetzt noch einmal von vorne anzufangen, die Katzen einige Tage zu trennen und dann ganz, ganz langsam zusammen zu bringen. Aber wenn das nicht funktioniert, müssen wir Mochi zurück ins Tierheim bringen. Das macht uns beide unglücklich, aber wenn wir wieder arbeiten gehen, müssen sich die beiden vertragen. Schließlich können wir Mochi nicht den ganzen Tag in einem Zimmer einsperren.

Fußball

Am 8. Dezember habe ich endlich das Fußballstadion von Portsmouth kennengelernt. Letztes Jahr war ich ja mit Papa bei einem Spiel in Southampton gewesen und hatte den lokalen Verein schon immer mal sehen wollen. Von Kollegen und aus dem Stadtbild hatte ich einen positiven Eindruck des Publikums bekommen, und wenn der Wind richtig steht, hört man an Spieltagen sehr ordentlich Gesänge. Portsmouth hat sich in den letzten Jahren sehr gut erholt. Vor vielen Jahren aus der Oberliga abgestiegen, stiegen sie vor meiner Zeit in die dritte Liga auf (Ellie erzählt, wie damals die ganze Stadt feierte) und haben sich diese Saison bereits den Aufstieg in die zweite gesichert. Gute Stimmung also.  Ellie ist auch mitgekommen, obwohl sie sich auch wenig für Fußball interessiert.Ein fußballinteressierter Freund hat Karten organisiert. Seitdem geburtenschwache Jahrgänge ins Studentenalter gekommen sind, sponsort die Uni den Fußballverein, um unter jungen Leuten zu werben - und Unimitarbeiter kriegen Kartenrabatt. Also waren wir zu dritt, dass allein fand ich schon gut, weil ich seit Mathieus Wegzug immer noch keinen echten Freundenkreis hier habe. Wie wir später erfuhren, waren diverse Freunde auch im Stadion. Das hat mir auch gefallen, weil es noch relativ klein ist und nahbarer wirkt als die großen Arenen. Tradition steckt auch drin: ein Flügel steht unter Denkmalschutz. Und man spürt die Geschichte des Vereins in einer Hafenstadt: vor der Partie wurde die "Hornpipe" gespielt, eine traditioneller britischerr Seemannstanz, über den man sich auf jeden Fall informieren sollte - offenbar hat ihn Händel in seine Wassermusik gesteckt. Und dazu trug man ein Plakat mit der Zeichnung eines Matrosen um das Rund, das ich schon oftmal gesehen hatte; offensichtlich hat es einen lokalen Hintergrund. Das Spiel wurde souverän gewonnen.

Die gegenüberliegende Seite steht unter Denkmalschutz, weil sie ein Stadionarchitekturspezialist 1909 gebaut hat.