Mittwoch, 28. September 2016

Enkulturierte Wagenräder

Mit Kalina in Salisbury
Die Erkältung war wohl ein Fehlalarm. Oder ist nicht durch mein deutsches Immunsystem gekommen. Ich bin zwar in letzter Zeit viel fertig. Aber das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich auf koffeinfreien Tee umgestiegen bin.
Die Kraft hat gereicht für einen Ausflug mit Kalina. Endlich hatten wir beide mal Zeit und sind nach Salisbury gefahren. Mir ist die Stadt und die Kathedrale gut bekannt (zuletzt war ich mit Ellie da gewesen), für Kalina war es jedoch neu, obwohl sie näher dran wohnt. Wir suchten uns einen schönen sonnigen Tag aus, wenn auch unverkennbar einen Herbsttag. Neben der Kathedrale mit der Magna Charta Austellung besuchten wir einen Delikatessenmarkt. Schliesslich war ich krank und durfte auf keinen Fall hungern. Das war ein schöner, ruhiger Tag. Am besten hat mir eine Teepause im Kreuzgang gefallen.

Meine erste Hochzeit

Eine Woche später habe ich eine Hochzeit besucht. Zum ersten Mal in meinem Leben übrigens. Ellie war Brautjungfer einer guten Freundin. Und ich musste sie frühmorgens zum Friseur fahren. Wieder getroffen habe ich sie erst im Hotel auf dem Land, wo das ganze statt fand. Wir haben uns die Nacht über ein Zimmer genommen, um ordentlich feiern zu können. Die Zeremonie hat mir gar nicht gefallen. Furchtbar kitschig für meinen Geschmack. Und die Frauen kamen tatsächlich mit diesen Wagenradhüten und komischen Miniapplikationen im Haar an. In meinen Augen furchtbar. Aber ich konnte formale Anlässe noch nie leiden. Ellie konnte mich gar nicht verstehen, für sie ist das eben traditionell. Da ist mir wieder mal klar geworden, wie wichtig Enkulturation bei der Definition von normal und schön ist. Andererseits war ich schon genervt dort angekommen, weil ich allein aus Portsmouth fahren musste, was am Wochenende überhaupt kein Spaß ist. Aber die Feier danach war sehr gut. Wir haben viel getanzt. Gar nicht schlecht für Engländer.

O sunge is

Der Chor singt seit zwei Woche Faures Requiem, was sogar Ellie gefällt. Und bald kommt Händels Messiahs dazu. Buch 4 des Anhalter durch die Galaxis ist ausgelesen. Jetzt lese ich erstmal Friedrich den Großen, und antike Geschichte, und die Kurze Geschichte der Zeit, alles durcheinander. Drei neue Spiele habe ich mir gekauft, insbesondere "Pandemie". Mit großer Begeisterung in der wöchentlichen Spielerunde aufgenommen, die trotz Neugeborenem weiterläuft. Und Friedemann wird es auch gefallen, denn ich besuche ihn vom 5. zum 12. November in München. Praktischerweise geht ein Flieger direkt von Southampton.

Krankgeglaubte beim Ausruhen.

Die Kathedrale.

Jedes Mal andere Kunst in der Kirche.

Schöner Nachsinnen im Kreuzgang


Völlerei nach der Kirche.

Samstag, 17. September 2016

Arme Arme

Ich habe mir wohl eine Erkältung eingefangen. Samstag morgen ging das los, zum Glück hatte ich nichts weiter vor. Mit Ellie habe ich mir noch die Ausstellung über die Skagerrakschlacht 1916 in der historischen Werft angesehen. Dann bin ich zurück ins Bett gegangen.



In der Woche davor war ich am 13. September auf die jährliche Demographie-Konferenz in Winchester gefahren. Das ist einer der vielen Boni, die wir in unserer kleinen halbakademischen Nische haben. Ich habe auch selbst einen Vortrag gehalten und dann anderen schlauen Leuten zugehört. Am besten gefallen mir aber immer die praktischen Schulungen, diesmal in geographischer Datananalyse. Also Daten auf Karte darstellen. Dazu gibt es ganz tolle Programme, die mich schon lange interessieren.



Schon zwei Wochen vorher hatte ich angefangen etwas Sport zu treiben! Wie es sich für Männer mittleren Alters gehört, habe ich zuerst viel Geld für Laufschuhe ausgegeben, aber zu meiner Überraschung benutze ich die jetzt immer noch. Nach der Arbeit jogge ich zum Meer, gehe schwimmen und laufe zurück. Auf dem Weg mache ich noch ein paar Kraftübungen an öffentlichen Fitnessgeräten. Ellie sagt, man sieht schon einen Unterschied. Ich sage, meine Arme tun weh.

Ellie und ich haben eine Probestunde Indischen Tanz mitgemacht. Ellie wollte das mal ausprobieren, seit sie Kalina bei einem Auftritt gesehen hat. Organisiert habe das wie immer ich.

Bücher: Ich habe Buch 3 der Reihe "Per Anhalter durch die Galaxis" gelesen und bin halb durch Buch 4 durch.

Nachtrag: Geführte Kayaktour im Rostocker Stadthafen, August 2016








Sonntag, 11. September 2016

Die Kräutertante aus Neustrelitz

Eine Woche nach dem ersten Versuch einer Kräuterwanderung haben wir es zusammen mit Freunden Ellies nochmal versucht. Diesmal fand sie bei der Ruine von Haus Cowdray nordwestlich von hier statt, die wir vor einem Jahr schonmal besucht hatten. Die Leiterin sprach fließend deutsch, denn sie war früher mit einem Deutschen verheiratet und hat viele Jahre in Mecklenburg gelebt und in Neustrelitz chinesische Medizin praktiziert. Die Wanderung fand in strömendem Regen statt sodass wir am Ende schnell nach Hause sind, sonst hätte ich sie gerne noch etwas ausgefragt, wie das kurz nach der Wende war. Wir haben im Übrigen tatsächlich etwas über Kräuter gelernt; praktisch alles am Wegesrand lässt sich essen (hätte ich das nur über Weißdornbeeren gewusst, als ich noch auf der Farm war!) oder anderweitig verwenden. Einiges wusste ich noch von einer Projektwoche in der Grundschule. Nicht bewusst war mir der Zusammenhang von Breit- und Spitzwegerich - sie kannte nämlich alle Kräuter auch auf deutsch. Und Gelierzucker heißt hier drüben Pektinzucker - die Holzäpfel von der letzten Wanderung warten noch auf Verarbeitung.


Während wir uns am Wochenende eben so vergnügen, rutsche ich nach den ganzen Besuchen wieder in den Alltag. Tango und Gesangsunterricht sind wieder losgegangen; ich singe Schumanns Contrabandiste. Auch der Chor steht in den Startlöchern. Im Winter singen wir Faures Requiem, aber zu meiner Freude beginnen wir parallel bereits Handels Messiahs, den wir erst im Mai aufführen. Also werden wir zwei Semester lang richtige Barockmusik genießen dürfen.

Bis mich das Notenlesen wieder auslastet lese ich diszipliniert soviel ich kann. In Deutschland hatte ich den Eskimobrachvogel ausgelesen; das Chemiebuch habe ich ich nicht mehr ganz in der Ausleihfrist geschafft. Außerdem hatte ich erstmal genug von Lehrbüchern. Anschließend wollte ich Die Seidenstraßen anfangen, aber dann habe ich mir von Opa ein Lesebuch über Friedrich den Großen ausgeliehen und wollte erstmal das lesen. Dann wiederum fielen mir bei meinen tschechischen Freunden die letzten vier Teile der Reihe Per Anhalter durch die Galaxis in die Hände, also lese ich die erstmal, bevor sie sie zurück wollen. Die ersten zwei Teile hatte ich vor zwei Jahren in der Bibliothek gefunden. Für Ellie habe ich zum Vorlesen In 80 Tagen um die Welt gefunden. Jules Verne hier drüben übrigens nicht sehr bekannt. Und Stephen Hawkings Kurze Geschichte der Zeit habe ich ihr auch ausgeliehen. Das wollte sie sich schon seit einiger Zeit etwas ansehen, vorerst schaue natürlich eher ich selbst mal rein. Ich habe es zweimal gelesen und bis heute nur die erste Hälfte halbwegs verstanden.

Ich habe Mohnkuchen gebacken! Dank Mohnback gar nicht so schwer. Jetzt muss ich gucken, ob man das hier drüben vielleicht im polnischen Laden kaufen kann.



Musikfestival in Southampton, Mitte Juli.

Tango: kleiner Auftritt Anfang Juli.

Dienstag, 6. September 2016

3. September - Frühe Vögel

Schon am nächsten Samstag kamen Ellie und ich zurück ins Umweltzentrum um eine Kräuterwanderung mitzumachen. Vor Ort merkten wir schnell, dass wir einen Tag zu früh gekommen waren - keiner von uns war auf die Idee gekommen, mal das Datum zu überprüfen. Ellie war aber nach einer Woche Urlaub in guter Stimmung und schlug vor, einfach über das Gelände zu laufen und dann eine der Wanderungen in der Umgebung auszuprobieren, die in der Rezeption auslagen. Schließlich waren wir extra früh aufgestanden und waren so einmal ungewöhnlich zeitig auf dem Land. Wir haben dann den Alten Winchesterhügel abgelaufen (hat offensichtlich nichts mit der Stadt Winchester zu tun, ist auch nicht besonders nah dran). Den hatte ich mir eigentlich für einen Tag allein vorgemerkt, die Wege sind nämlich als windig beschrieben, dass macht Ellie normalerweise nicht gern. Diesmal aber hatte sie richtig Spaß, der Weg führt eine stark abfallende Seite mit Blicken über das ganze Land entlang und ganz am Ende lag an natürlich geschützter Stelle einmal eine befestige Siedlung aus der Steinzeit, heute Blumenwiese mit Schafen, ebenfalls geschützt. Und die Brombeeren sind im Gegensatz zu letzter Woche reif, sogar kleine Äpfel haben wir gefunden. Besonderes Erlebnis: wir haben vermutlich ein seltenes Rebhuhn gesehen.
Und weil wir nach der Rückkehr nach Portsmouth immer noch Zeit hatten, sind wir noch in die Historische Werft gegangen. Dort wurde vor kurzem die Ausstellung um die Mary Rose wiedereröffnet. Die war im 16. Jahrhundert als englisches Flaggschiff vor Portsmouth gesunken, wurde in den 1980ern gehoben. Wir waren schon einmal dagewesen, aber vor kurzem wurde die Konservierung des Rumpfs nach 30 Jahren abgeschlossen und man kann das Schiff in voller Größe und ohne Wände und Fenster davor sehen. Das Ergebnis ist wirklich beeindruckend, ich dachte mir gar, einmal ein Museum von Weltklasse hier in Portsmouth. Und das alles an einem Tag!

Am nächsten Tag ging es gleich weiter, nach London. Ellie traf Mutter und Schwester, ich fuhr mit, ging dann aber meiner Wege ins Britische Museum, damit die Mädchen Zeit für sich hatten. Und auch, weil ich einige Stunden für mich durchaus schätze. Gerade in Museen, die ich sehr langsam durchlaufe. In vier Stunden habe ich ganze vier Räume altes Griechenland geschafft.

29. August - Erholung in veralteten Gebäudeformen

Nachdem Mutti es heil zum Flughafen geschafft hatte fuhr ich ich mit Ellie zum Abschluss der drei Wochen Arbeitspause das letzte Wochenende ins Umweltzentrum. Der Montag war frei und wir hatten zwei Nächte dort. Geschlafen haben wir wieder in einer Jurte. Ellie wollte schon seit unserem ersten Besuch mehr als eine Nacht dort verbringen. Abgesehen von Spaziergängen im Wald (ich habe immer die Hoffnung, das Ellie mal ein Reh sieht) haben wir uns dort mal richtig ausgeschlafen. Ohne elektrisches Licht liest man draußen bis die Sonner verschwindet, dann geht man ins Bett, liest bei Kerzenschein noch etwas (ich lese Ellie "In 80 Tagen um die Welt" vor), schläft früh, schläft lange bis die Vögel zwitschern, schläft sich aus. Dann hat man einen ganzen langen Tag vor sich. Wir sind einmal zum Steinzeithof ganz in der Nähe gefahren - dort hat man Häuser aus Steinzeit, Eisen- und Römerzeit nachgebaut und betreibt experimentelle historische Landwirtschaft. Wir waren schon einmal vor zwei Jahren dort gewesen; inzwischen haben sie auch ein angelsächsisches Haus dazugebaut. All diese Orte, auch die Hubertuskapelle und Haus Stanstead, liegen nah bei einander, aber erst mit dem Auto können wir schnell und zu mehreren gleichzeitig fahren. Abends haben wir vor der Jurte gegrillt, dann gelesen, dann wieder geschlafen. Ellie war richtig gut drauf (nicht zuletzt, weil sie auch den Rest der Woche frei hatte), ich daher ebenso. Dieses Jahr noch besorgen wir ihr eine neue Arbeit, damit sie immer gut drauf bleibt. Eine Bewerbung an mein Amt war leider knapp erfolglos.


Montag, 5. September 2016

27. August - Mutti meets Mottistone

Am 20. August traf ich Mutti in Berlin und wir flogen zusammen nach England. Zum Glück war ich dabei, denn die Züge vom Flughafen machten wieder was sie wollten und mit den knappen Durchsagen wäre sie mit Sicherheit in die Irre gefahren. Und dazu regnete es und ich war überhaupt nicht froh - im letzten Jahr hatte Mutti hier eine komplette Woche Regen gehabt.
Dann kam es aber doch ganz anders und besser als befürchtet. Wir hatten einige der schönsten Tag des Jahres, Mutti konnte viel Zeit am Strand verbringen. Mehrmals haben wir morgens und abends dort gegessen, insbesondere als ich frei hatte. Sie und Ellie hatten auch viel Spaß in den Spielhallen am Meer.
Donnerstag und Freitag nahm ich Urlaub und wir konnten Portsmouth von der besten Seite genießen. Frühstück im Strandcafe, Schwimmen, viel Zeit, Sonne und wenig Wind. Dreimal haben wir mit dem Auto Ausflüge unternommen. Gleich am ersten Tag fuhren wir mit Ellie auf die Isle of Wight. Dabei habe ich zum ersten Mal das Auto auf die Autofähre gefahren. Ich hatte schon das ganze Jahr vorgehabt, mit Ellie ein Wochenende dort zu verbringen und Orte an der Südküste abzufahren. Das haben wir jetzt eben zu dritt und an einem Tag gemacht. Besichtigt haben wir den mittelalterlichen Katharinen-Leuchtturm (sieht aus wie eine Rakete, sehr windig), die Kreidefelsen an der Südküste und vor allen Dingen den wunderschönen Garten von Mottistone. Den hatte ich vor vier (!) Jahren allein besucht, als ich mit dem Rad Zelten war, und habe es seitdem nie wieder hingeschafft. Und was für ein Garten es ist - gerade rechtzeitig kam die Sonne raus. Mutti hat viele schöne Fotos gemacht...wenn sie mir die nur überweisen würde...
Einen anderen Tag sind Mutti und ich nach Winchester gefahren. Zuerst haben wir das Heilig-Kreuz Spital besucht, das älteste Altersheim des Landes. Für mich selbst das erste Mal. Von dort haben wir einen schönen Weg den Fluss entlang in die Altstadt gefunden. Der hat etwas von Mittelalter, wenn nach und nach die Türme der Kathedrale aus den Bäumen vorkommen. Ich will ihn einmal mit Ellie ablaufen, vielleicht zum Weihnachtsmarkt. Außerdem konnte ich mir meine Beine im Wasser abkühlen, denn es war richtig heiß. In der Stadt haben wir die wichtigsten Gebäude besichtigt, insbesondere die Kathedrale selbst. Am Folgetag war es so schön, dass wir nach dem Frühstück am Strand nur zu einem Aussichtspunkt über Portsmouth gefahren sind, dann zur Hubertuskapelle, und dann zurück zum Strand.
Zur Abfahrt habe ich Mutti lieber in den Bus als die Bahn gesetzt. Ich selbst bin mit Ellie ein paar Stunden später selbst weg gefahren - für ein Wochenende in der Jurte.