Montag, 30. Juli 2012

30.07.2012 - Erfüllungen


Erfüllte Hoffnung
Am Samstag habe ich eine erste gemeinsame Radtour gemacht. Eine italienische Arbeitskollegin, die seit Februar im Amt ist, hatte das vorgeschlagen. Zwar musste ich dadurch auch am Samstag praktisch zum Büro, da sie direkt daneben wohnt, aber diesmal ging alles ohne Rasen vonstatten. Wir habe eine Strecke zum Meer ausprobiert. Die führte uns durch ein kleines Reservat, durch wunderschöne englische Felder fast wie in der Uckermark oder Mecklenburg, an den Strand, an einem Vogelschutzgebiet direkt am Wasser vorbei und zu einer Kneipe gegenüber dem königlichen Osborne Haus, einer Residenz von Königin Viktoria auf der Isle of Wight, und wieder zurück. Kurz gesagt: so hatte ich vor der Ausreise vorsichtig von einer aktiven Freizeit mit gleichgesinnten Menschen geträumt. Schwimmen bin ich auch gegangen, aber an dieser Stelle, weit westlich von Portsmouth, wird der Solent scheinbar nie tief und ich bin eine halbe Meile schmerzhaft auf Steinen durch Wasser gelaufen. Später habe ich erfahren, dass auf einer bestimmten Sandbank einmal im Jahr bei Ebbe sogar ein Cricketplatz mitten in der Meerenge auftaucht. Wers nicht glaubt schaue hier:
http://www.strangebritain.co.uk/allthingsodd/bramble.html

Felder wie zu Hause...

Pause am Meer.

Das Vogelreservat.

Ein kleiner Hafen am Meer.

Erfüllter Erinnerung
Abends rettete ich dann den jungen amerikanischen Rucksacktouristen Andrew vor einer Nacht auf der Straße. Für den nächsten Tag hatte ich bereits zwei Franzosen eingeplant. Die machen auch gerade eine Rundreise und besichtigten vor Portsmouth Brighton, wo ich sie treffen wollte. Dazu hat sich dann auch noch meine Mitbewohnerin Monika angeschlossen, und da die ein Auto hat, haben wir auch noch Andrew eingepackt, und sind alle drei nach Brighton gefahren. Dieses etwas von hier gelegene berühmte Seebad stand verständlicherweise ohnehin auf meiner Liste, da ich da ja im Alter von 16 Jahren drei Wochen Sprachurlaub gemacht hatte. Dementsprechend war ich neugierig, wieviel ich wiedererkennen würde. Erstaunlich wenig! Jedenfalls hatte ich die Seepromenade nicht so großstädtisch in Erinnerung. Wirklich eine ganze Nummer großer als Portsmouth – auch die Wellen. Die Promenade voller Leute und Musik, die weiße Seebrücke dreimal so lang wie der hiesige, und leider genauso verstellt mit Rummel wie überall. Damals schmissen wir hier noch unser Kleingeld in die Automaten. Aber eine Lücke fanden wir ganz am Kopfende, wo wir zwischen den Buden durchschlüpften und die offene See vor uns hatten – wie auf der Seebrücke in Heiligendamm. Außerdem sahen wir uns den berühmten Königlichen Pavillon an, ein dekanter Partypalast des Prinzregenten Georg IV aus dem 19. Jahrhundert. Brighton hat sich seinen Ruf als Treffpunkt der Boheme bewahrt, wie man in den vielen, reizenden Gassen mit Geschäften und Cafés bemerkte, die mir damals überhaupt gar nicht aufgefallen waren.


Die große Seebrücke - letzte Überlebende von ursprünglich drein.


Das Gerippe der Westlichen Seebrücke. 2000 ging das Gerippe noch bis zum Strand.


Auf der großen Seebrücke in Brighton.

Vor dem Königlichen Pavillon.
Konzert an der Promenade.
Schloss in Arundel.
Katholische Kathedrale Arundel - gut getarntes 19. Jahrhundert!
Franzose, Amerikaner, Französin in Arundel. Hinten versteckt sich meine kamerascheue Monika.  


Erfülltes Haus
Auf dem Rückweg nach Portsmouth (in zwei Autos) hielten wir noch im Postkartenstädtchen Arundel, das uns ob Schloss und Kathedrale auf den Spitzen des Siedlungshügels aufgefallen waren. Zu Hause wurde es dann richtig schick international, Franzosen und Amerikaner kochten Abendessen, dazu wurde mir eine Flasche Champagner geschenkt und neben Monika war auch unser neuer Mitbewohner Oskar auf Mexiko dabei. Der bleibt aber nur drei Wochen für ein Universitätsprojekt; er selbst ist Grundstudent der Informatik. Für ihn war das sicherlich ein schönes Willkommen in unserem Haus; Monika freut sich ohnehin immer, wenn ich sie aus ihrer Einsamkeit reiße, und ich war richtig stolz, dass ich in der Lage bin, das spezifische aber nicht selbstverständliche Potential solcher internationalen Gruppen selbstständig zu erzeugen.

Montag spielte ich mit Kollegen nach der Arbeit zum ersten Rugby. Vorher hatte mich noch die Vermieterin des ersten Zimmers angerufen, das ich mir seinerzeit angesehen hatte. Von ihr holte ich mir einen weiteren Kunstdruck von Klimt ab, den sie nicht brauchte. Jetzt hängt neben dem Kuss die Erfüllung an meiner Wand.



Frühstück im Hafen. 


Einer der dickeren Brummer am Horizont.

Montag, 23. Juli 2012

22.07.2012 - Kleckern und Plantschen


Die letzten zwei Wochenenden habe ich statt konzentriertem Erkunden der Stadt und des Landkreises höhepunktlos vor mich hingekleckert. Das Wochenende nach dem Besuch in Birmingham sollte mangels klarer Vorplanung in die Entdeckung von Portsmouth investiert werden, ging aber größtenteils an diverse kleine Aufgaben verloren, die alle gemacht werden müssen und scheinbar nie aufhören. Große Freiheit durch Geld? Ich fühle mich eher an Paul erinnert, der seine Wochenenden mit Hausputz verbrachte, während ich verreiste. Im Endeffekt blieb nur eine kleine Friedhofsführung und ein minimaler Abstecher ins Stadtmuseum, das kaum der Rede wert ist. Eine einzige Vitrine für alles vor der Neuzeit. Anderseits wird auch klar, dass Portsmouth bis ins 19. Jahrhundert ohnehin nur die heute westlichste Ecke um den eigentlichen Hafen umfasste, der gesamte Süden, Norden und Westen der Insel waren vollkommen leer, einschließlich meines Viertels Southsea, dass erst mit dem aufkommenden Bädertourismus entstand. Zwar war die Gegend spätestens seit den Römern ausgesprochen aktiv, aber das spielte sich alle nördlich der Insel ab, wo auch die wichtigste Straße langlief, und zwar ohne Ausfahrt hier runter.
Tiergehege im Viktoriapark.

Im Hafen liegt entgegen früherer Informationen kein Hubschrauberträger, sondern einer der letzten Flugzeugträger der britischen Flotte, die HMS Ark Royal. Die wartet wohl auch nur noch auf die Verschrottung, wie die Invincible, die Portsmouth dafür offenbar bereits letztes Jahr verlassen hatte. Seit der großen Haushaltsreform, die ich noch miterlebt hatte, und u.a. die Verdreifachung der Studiengebühren mit sich brachte, haben die britischen Flugzeugträger ohnehin keine Maschinen mehr.
Ein Teil der Zeit ging auch in die Erfüllung einiger bescheidener Träume, die ähnlich wie Investitionen in Kalinas Wohlbefinden mit dem ersten Gehalt verbunden waren. So ist ein bestelltes Buch zum Neuen Testament angekommen, und an meiner Wand der erste Kunstdruck meines Lebens: Klimts Kuss. Das geht auf ein Album in der Wieland Buchhandlung Rostock zurück, der für mich den Stil erstmal mit dem Namen verband. Zur Entwicklung des musischen Interesses jetzt auch an Malerei habe ich mir aus der Stadtbibliothek gleich zwei Bildbände geholt, einen für den Nachttisch, den zweiten für die Arbeit, um nach weiteren Kandidaten für meine weißen Wände zu suchen. Am liebsten aber würde ich mir einen Fries um die gesamte Deckenkante legen, und zwar das goldreiche Handelsmotiv vom Palast von Julius Kindermann auf der Piotrskowska Straße Lodz. Auf dem Plan steht auch ein Besuch der örtlichen Galerie mit Monika, möglichst nicht ganz nüchtern.
Sonntag kam das olympische Feuer auch nach Portsmouth. Dazu wurde auf dem Rasenfeld am Meer eine Bühne aufgebaut, für Moderation und eine Band, die ich interessanterweise zwei Tage später auf dem Lokalradio Rostock wieder hörte, dem ich dank Internet die Treue halte. Endpunkt der Aktion sollte die Ankunft der Fackel sein, wozu ich dann auch Monika aus ihrem Zimmer mit in die Halbsonne schleifte. Wider Erwarten konnte man den Läufer sogar recht nah sehen.
Das Feuer ist da.
Am Donnerstag darauf übernachteten bei mir zwei österreichische Mädchen, die am Beginn einer Reise über die ganze Insel standen und als Geschenk einen guten, soliden Laib Brot mitbrachten. Bekommen tue ich diese Anfragen über eine Interessengruppe von Reisefreunden im Internet, und nehme gerne Leute auf, um etwas Lebens hier reinzubringen. Dazu kochen wir am besten und essen im Hof, der ja abends sonnig ist. Monika freut sich darüber auch sichtlich. Sie fuhr uns alle noch an die Gunwharf Quays, also das historische Marinegelände, das wie üblich neues Leben als elegantes Einkaufsgelände am Wasser gefunden hat.

Der Samstag darauf schien wieder gleich an die Mühen des Alltags verloren zu gehen. Umso schlimmer, da die Sonne wie versprochen endlich rauskam um für fast eine Woche zu bleiben, bevor wieder der Regen anfängt. Sämtliche Briten stürzten sofort nach draußen, die Nachbarn blockierten gleich die ganze Straße mit einem Grill. Wetterunabhängig organisiert die Stadt im Sommer jeden Samstag Nachmittag kostenlose Konzerte mit lokalen Bands direkt am Meer. Also bin ich da hin, wo ich auch die lokale Gruppe der erwähnten Reisefreunde traf, an die ich mich zwecks Kontakten zu binden versuche. Dazu spielte zuletzt eine richtig gute Band, die die zahlreich auf dem Rasen sitzenden Menschen zum Tanzen brachte, während draußen die Schiffe des Wetters wegen fleißigst vorbeizogen. Die Truppe blieb wegen eines Geburtstags auch gleich bis in die Dunkelheit um ein Feuer dort sitzen.
Gratis Musik am Meer.
Winchester
Sonntag sollte aber endlich ein klassischer Ausflug her, und zwar nach Winchester. Wie das Suffix verrät, ist es ebenfalls römischen Ursprungs und laut Reiseführer allerbestes englisches Mittelalter und auch ein gutes Stück Angelsachsen, mit Kathedrale, sodass ich ein kleines York erwartete. Eher war es aber wie Durham; vom Bahnhof einen Berg runter, die ersten Gebäude nicht beeindruckend, eine Provinzstadt diese alte Hauptstadt von Wessex und ganz Englands, ja, noch vor London, und König Arthur war auch da. Vielleicht wäre ich lieber auf die Isle of Wight gefahren, wo eine Gruppe Radfahrer unterwegs war.
Aber in die Kathedrale mit dem längsten Schiff Europas und entlang derselben die gleichen Bannern wie in Durham. In den Seitenschiffen wuchtige romanische Bögen wie in Quedlinburg vor ganz langer Zeit. Die berühmte Winchester Bibel leider Sonntags nicht zu besichtigen, aber wieder im Tageslicht des Kathedralenhofs findet sich ein wunderbarer kleiner Garten, wo die Übermüdung der Woche einen Tribut auf der sonnenerwärmten Steinbank fordert, zwischen Lavendel und Mohn und Rotkehlchen. Wieder aufgewacht und unterwegs in den Gassen wird mir klar, dass englische Städte viel hätten gewinnen können, wenn neben komplett erhaltenen Stadtmauern nicht alle Häuser aus rotem Backstein und identisch wären, sondern aus Fachwerk, so wie in York.
Meine Bank im Garten, am Ort des alten Klosterschlafsaals.



In der Ruine des alten Bischofspalastes, Rasen zwischen alten Mauern, ein Ort, wo der Brite stolz ist auf sein Land. Es ist richtiger Sommer, eine Familie isst Eis auf einer schattigen Mauer, während die unweite Kathedrale das einstündige Läuten in der markanten englischen Melodie anstimmt (in York waren es jeden Dienstagabend zwei Stunden). In den Pausen rauschen die Bäume der umgebenden bischöflichen Gärten, alles ist grün, grün lugt es hinter den alten Mauern hervor; Felder und Wälder auf grünen englischen Hügeln. Eine weitere Familie beweist, wieviel Müll eine einzige Gruppe Menschen erzeugen kann. Plastiktüten, Chips, Fertigsandwiches, Einweggläser, ein Haufen leerer Flascehn und alle Frauen tragen geschmacklose Kleider.
Ich lasse mich dann durch das nahe College führen, einer ursprünglich zur Kathedrale gehörenden Privatschule für Begabte und Reiche, wonach ich mich wieder dumm und durchschnittlich fühle. Im Anschluss entlang des Flusses Itchen zurück Richtung Bahnhof. Das Wasser ist glasklar und das Wetter so, dass wirklich alles wie England aus dem Bilderbuch aussieht, grün und meist akurat gepflegt, viel Wasser, viel Rasen, und vom Zug aus viele sonnige Felder. Und ich spüre das leichte Brennen von Sonnenbrand im Nacken.

Sous les pierres, la plage!
Zu Hause habe ich entgegen der Skepsis von Briten und Bulgaren endlich weitergemacht, was ich in Warnemünde angefangen hatte und bin ins Meer gesprungen. Gar nicht so kalt, definitiv richtungsgebend für einen verwirrten Geist, und besser als ein ganzer Tag Wegfahren.Hatte ich gefragt, warum es Ebbe gibt? Weil dann der Sand zum Vorschein kommt! Die Steine bedecken den Strand nur einen Meter ins Wasser, dann sieht es aus wie Warnemünde. Darum braucht die Ostsee mit ihren schönen Sandstränden auch keine Gezeiten.

Mittwoch, 18. Juli 2012

16.07.2012 - Die ganz große Nummer


Es ist vollbracht, der erste Teil der Volkszählung 2011 ist veröffentlicht! Die Büros quellen über vor Kuchen und die Internetforen vor immigrantenfeindlichen Kommentaren. Und ich darf offiziell Zahlen verraten. Deshalb habe ich als kleinen Einblick in meine Arbeit die wichtigsten Zahlen übersetzt. Die darin erwähnten Tabellen und Karten kann ich leider nicht einfügen, aber sie sind in der veröffentlichten Broschüre zu sehen, deren Internetadresse unten zu finden ist. Wir besprechen nur England und Wales, Schottland und Nordirland haben ihre eigenen Statistikämter. Besonders unterstrichen wird die Geburtenzuwachs, der in der Altersgruppe von 0-4 Jahren zu sehen ist. In allen Bereichen ist auch die herausragende Rolle Londons zu sehen, dass nicht nur am stärksten wächst, sondern auch die gesündeste demographische Entwicklung aufweist. Junge Menschen ziehen dort wegen der Arbeit hin, alte Menschen verlassen es in Richtung ruhigerer Gebiete.

Die Volkszählung hat auch ihre eigene Internetseite:

Die wichtigsten Fakten für England und Wales:

Die eigentliche Broschüre:

Besonders spaßig: die verschiedenen interaktiven Visualisierungsspielzeuge

Die wichtigsten Zahlen
Am Tag der Volkszählung betrug die Bevölkerung von England und Wales 56,1 Millionen, 53,0 Millionen in England und 3,1 Millionen in Wales. Das ist die größte jemals geschätzte Bevölkerungszahl. Die Schätzung ist knapp 0,5 Millionen höher als die Prognosen auf Grundlage der letzten Volkszählung 2001.
In den 10 Jahren seit der letzten Zählung ist die Bevölkerung von England und Wales um 3,7 Millionen gewachsen, von 52,4 Millionen 2001; ein Anstieg von 7,1 %. Das ist das größte Bevölkerungswachstum in England und Wales innerhalb eines Zehnjahreszeitraums seit dem Beginn der Volkszählung 1801. Im Vergleich dazu stieg die Bevölkerung zwischen 1991 und 2001 um 1,6 Millionen.
Das Medianalter der Bevölkerung in England und Wales war 39. Für Männer betrug es 38 und für Frauen 40 Jahre. 1911 war das Medianalter 25 Jahre.
Der Anteil von Menschen im Alter von 65 Jahren und darüber war mit 16,4% der höchste in der Geschichte der Volkszählung. Einer von sechs Menschen war 65 Jahre oder älter.
2001 gab es 430.000 Einwohner von 90 Jahren und älter. 1911 waren es 13.000 gewesen. 2011 gab es in England und Wales 3,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren, 406.000 mehr als 2001.
In England und Wales lag die durchschnittliche Bevölkerungsdichte bei 371 Einwohnern pro Quadratkilometer; in London waren es jedoch 5.200. Schließen wir London aus, so beträgt die durchschnittliche Bevölkerungsdichte im Rest von England und Wales bei 321 Menschen pro Quadratkilometer. Am Tag der Volkszählung gab es in England und Wales 23,4 Haushalte. Die durchschnittliche Haushaltsgröße betrug 2011 2,4 Mitglieder, knapp mehr als halb soviel wie die 4,3 Bewohner 1911.
Alle Regionen erlebten zwischen 2001 und 2011 Bevölkerungswachstum, wobei es am höchsten in London, Ost- sowie Mittelostengland war. In Prozentzahlen war das höchste Bevölkerungswachstum in den Vierteln Tower Hamlets und Newham in London zu verzeichnen. Manchester wies das dritthöchste relative Bevölkerungswachstum seit 2001 auf.

Aus dem ausführlicheren Kommentar übersetze ich das Kapitel, an dem ich gearbeitet hatte. Das hat sich natürlich stark von meiner ursprünglichen Version verändert. Gut zu sehen ist aber, dass wir möglichst simpel schreiben müssen und nicht viel mehr machen, als Zahlen zu beschreiben.

Wie die Altersstruktur der Bevölkerung in England und Wales variiert
Größe und geographische Verteilung aller Altersgruppen ist ausschlaggebend für die Planung, da es sich direkt im Angebot von Diensten wie Bildung und Gesundheitswesen niederschlägt. Wie im Kapitel „Wie sich die Bevölkerung von England und Wales in den letzten 100 Jahren verändert hat“ besprochen wurde, gibt es einen langfristigen Alterungstrend in der Bevölkerung. Tabelle 4 „Einwohnerzahl von 65 Jahren und älter, 2001 und 2011“ vergleicht die Bevölkerung im Alter von 65 und darüber in den Jahren 2001 und 2011 in England und Wales. 2011 lag der Anteil der Bevölkerung im Alter von 65 Jahren und darüber in jeder Region außer London zwischen 16,6% und 19,6% und war in allen Regionen gestiegen. London zeigte in der gleichen Zehnjahresperiode einen Rückgang in dieser Altersgruppe.
Karte 1 „Bevölkerung im Alter von 65 und darüber, 2011“ zeigt die geographische Verteilung genauer. Die Kreise mit höheren Anteilen von Anwohnern im Alter von 65 und älter waren insbesondere entlang der Küste im Südwesten, Südosten und in Ostengland konzentriert. In 11 Kreisen war mehr als ein Viertel der Bevölkerung 65 und älter; die meisten dieser Gegenden war im Osten und Südwesten Englands sowie in Zentralwales und an der Nordwalisischen Küste. Die drei Kreise mit den höchsten Anteilen waren North Norfolk (28,7%), West Somerset (28,8%) und Christchurch (29,6%).
Kreise mit großen, städtischen Ballungszentren hatten dagegen eher weniger ältere Einwohner. In 13 Kreisen waren weniger als 10% der Bevölkerung 65 und älter; davon gehörten nur Manchester und Slough nicht zum Raum London. Andere Gebiete mit geringem Einwohneranteil von 65 Jahren und älter umfassten Universitätsstädte wie Cambridge, Oxford, Leicester und Nottingham.
Der Anteil der Bevölkerung in jüngeren Altersgruppen ist in England und Wales ist in den letzten 100 Jahren dagegen fortwährend gefallen. Wie in „Wie sich die Bevölkerung von England Wales in den letzten 100 Jahren verändert hat“ gezeigt wird, machte die Altersgruppen von 0-14 Jahren 1911 30,6% der Bevölkerung aus und 2011 17,6%.
Illustration 6 „Der Bevölkerungswandel in der Einwohnerzahl im Alter von 0-14, 2001 und 2011“ vergleicht die Bevölkerung im Alter von 0 bis 14 Jahren in den Regionen von England und Wales 2001 und 2011. In diesem Zeitraum ging ihre Zahl in allen Regionen außer London, Ost- und Südostengland zurück. London wies mit 12% den höchsten Anstieg von Kindern im Alter von 0-14 Jahren auf. Von der Anzahl her gab es jedoch 2011 in England und Wales 405.700 mehr Kinder unter fünf Jahren als 2001. Das entspricht einem Anstieg von 13,1%.
Illustration 7 „Der Bevölkerungswandel in der Einwohnerzahl zwischen 15 und 64, 2001 und 2011“ vergleicht die Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 2001 und 2011 in Wales und den Regionen Englands. In diesem Zeitraum gab es einen Anstieg in der Anzahl der Anwohner zwischen 15-64 Jahren von 4 auf 9%. London dagegen zeigte den größten Anstieg von 13,5%. Dieser Anstieg ist teilweise auf Migration nach England und Wales zurückzuführen, da Migranten vor allem junge Erwachsene im Arbeitsalter sind. Teilweise liegt es aber auch daran, dass der Anteil von Menschen in den späten 50ern und frühen 60ern 2001 relativ gering war und diese Menschen nicht mehr in dieser Altersgruppe sind. Ihnen folgten größere Gruppen. Das wird von Illustration 4 „Bevölkerung nach Alter und Geschlecht, 2001 und 2011“ unterstrichen.

Samstag, 14. Juli 2012

08.07.2012 - Alte Freundschaft rostet nicht (auch im Dauerregen)

Rostfrei & haltbar - Qualität aus Magdeburg
Seitdem England auch nur als entfernte Möglichkeit auftauchte, war klar, dass ich dort bei erster Gelegenheit meine wunderbare kleine Kalina besuchen würde. Wir kennen uns seit den ersten Tagen in Magdeburg und sie dürfte aus zahlreichen Erzählungen bekannt sein, u.a. von ihrem Besuch in Lodz und meinem Gegenbesuch in Sofia, beide 2009. Sie war ein wichtiger Grund, weshalb ich 2008 bei der Abfahrt nach Breslau das Tagebuch mit der Beobachtung wiedereröffnete, dass mir der Abschied von Magdeburg doch schwer fällt. Auf jedem Besuch in Deutschland habe ich seitdem darauf geachtet, auch bei ihr einmal vorbeizuschauen. Als ich im letzten September aus England zurückkehrte, trug ich noch ihre Koffer zum Zug, denn sie zog gerade genau dorthin. Seitdem studieren sie und ihre beiden Schwester in Birmingham an ihre zweiten Master. Ich hatte mir fest genommen, mein erstes Gehalt für sie auszugeben. Wie es der Zufall wollte, wurde Kalina direkt vor meinem Geburtstagswochenende frei.

Damit sich das auch lohnt, habe ich mir den Freitag (6.7.) frei genommen und den Bus über London nach Birmingham in den strömenden Regen genommen. Das ganze Wochenende sollte die Sonne nur selten erscheinen, aber was war es für eine Freude, als ich Kalina am Busbahnhof erblickte! Das ganze Wochenende lässt sich gar nicht erzählen; das wichtigste waren die durchtanzten Nächte. Gleich Freitag Abend gingen wir mit einer Schwester zum Salsa und am Folgeabend zu zweit in ein erstklassiges Livekonzert. Nachdem ich dem samstags in hiesigen Clubs herrschenden Dresscode nicht genügt hatte, liefen wir schon nach Hause, als wir aus Neugierde in einen Jazzklub schlüpften. Dort spielte eine Kapelle aus Manchester den tanzbarsten Soul, sodass ich innerhalb von Sekunden anfing die Beine zu bewegen (Kalina brauchte etwas länger, da sie mit der Musik nicht so vertraut war) und am Ende fegten wir zwei das Parkett leer, als ich meine kleine Tanzspezialistin (schließlich hatte Kalina mich seinerzeit mit Salsa bekannt gemacht) in eine Runde unerwarteten Salsa führte, mit all der wunderbaren Leichtigkeit, die ihr Talent möglich macht.
Geschlafen habe ich im Raum der ältesten Schwester: wie immer rückten die drei enger zusammen als mir lieb war, damit der Gast ein Zimmer für sich hat. Samstag Morgen packten wir dort gemeinsam die Geburtstagsgeschenke aus, die ich mitgebracht hatte. Birmingham selbst erinnert mich als Stadt an Manchester. Das Zentrum hat sich zwar von der Deindustrialisierung erholt, aber bestehen tut es eigentlich nur aus verschiedenen großen Einkaufszentren. Also wie damals in Magdeburg. Schön sind die Kanäle, die Eisenbahnen der Industrialisierung, bevor die Dampf- und Verbrennungsmotoren Einzug hielten. Entlang der Promenaden am Wasser hat sich ein Teil der Gastronomie angesiedelt. Meinen Vorsatz bezüglich meines Gehalts hatte ich schon am ersten Abend wahrgemacht und Kalina in ein lateinamerikanisches Restaurant eingeladen. Am letzten Tag sind wir dann endlich mal wieder durch Klamottenläden gezogen. Das hat mir ihr schon immer Spaß gemacht (wie schon bei ihren Besuch in Lodz geschrieben) und diesmal wollte ich ihr unbedingt einen Hut verpassen. Leider haben wir den erst nach langem Suchen gefunden, und obwohl er spitze aussieht, war er leider viel zu billig.

Unverzichtbares Utensil, der Lonely Planet Reiseführer, eine der ersten Ausgaben meines Gehalts. Fotografiert von Kalina in einem Birminghamer Buchladen.

Ein Herz für Kalinka - Beispiel einer lokale Skulpturenreihe.


Vorm Telefonhäuschen von Doctor Who - einer seit der 1960ern bis heute legendären Fernsehserie. Im Regionalstudio der BBC.

Mit den Mädchen vor dem Maskottchen eines weiteren Einkaufszentrums, der "Stierkampfarena".

Abends auf den Treppen zu Bars über einem Kanal.

Biene Maja und Minny Mouse kaufen Kleider.

Kalina mit neuem Hut.
Holperstraße
Auf der Rückfahrt blieb der Reisebus auf der Mittelspur der Autobahn liegen, und es vergingen anderthalb Stunden, ehe die kostengünstigste Rettungsart für uns ausgeknobelt war. Auf der Fahrt dachte ich mir noch, wie gut und schnell ich mich in meiner neuen Heimstatt eingerichtet habe, dass ich mich auf mein Zimmer freue, dass ich schnell Menschen kennen lerne, dass mir bereits die unbelegten Wochenabende ausgehen. Zum Beispiel hatte ich am Tag vor der Abfahrt meinen ersten Gast empfangen, einen jungen Polen, der über den Sommer hier arbeitet. Der hatte mich über eine Gruppe von Reiseenthusiasten im Internet angesprochen.
Die Wahrheit aber ist, dass ich mich weiterhin oft sehr einsam fühle. Der Umstieg von der menschenintensiven Umgebung in Rostock ist doch spürbar. Am Montag wird der erste Teil der Volkszählung veröffentlicht, d.h. unser großes Projekt ist vorerst zu Ende und ich habe bereits jetzt wenig Arbeit. Dann taucht trotzdem immer etwas kurz vor Feierabend auf, ich bleibe lang, komme spät nach Hause, schlafe zu wenig. Im Moment bin ich sehr übermüdet und dementsprechend empfindlich, mit starken Stimmungsausschlägen in beide Richtungen. Dazu kommt ein kalter und nasser Somme und welche Ideen ich auch immer von langsamen Radtouren mit Lesepausen auf sonnigen Feldern nach der Arbeit hatte, in der Praxis hetzt man doch so schnell wie möglich nach Hause, bevor der nächste Regen anfängt, und ankommen tut man trotzdem immer zu spät. Chor? Alle am gleichen Tag wie die Tanzkurse, und der Unichor fängt frühestens im Oktober wieder an. Tanzen? Nur zwei Kurse und keine Übungsabende. Bibliothek? Nach der Arbeit immer zu müde. Abnehmen? Ich esse mehr Schokolade als je zuvor, und jeden Tag scheine ich Lebensmittel nachkaufen zu müssen. Sparen? Täglich gebe ich 30 Pfund aus. Billiger Haushalt? Vielleicht, aber sogar mit dem Rad kommen dazu hohe Transportkosten. Am Wasser grillen? Vielleicht im Regen, und allein.
Ein Eindruck vom Weg nach Hause nach der Arbeit. Das ist die etwas längere Route B am Meer entlang, die ich nehme, wenn abends die Sonne scheint. Der Tag war der einzige geeignete in gefühlten drei Jahren - am nächsten Tag gab es zwölf Stunden Dauerschauer, und durch den musste ich auch nach Hause.

Auch hier sollte bei Vergrößerung die Isle of Wight zu sehen sein.

Montag, 2. Juli 2012

30.06.2012 – Zwei einsam in drei Orten

Am Vorabend hatte ich noch längere Zeit mit meinem Vermieter Roland gesprochen; wie sich rausstellte, interessieren wir uns alle für die römischen Überreste in der Region. Er ist Mitglied von National Trust und ähnlichen Organisationen und nachdem er mir zum Fahrrad verholfen hat, gibt er mir viele Tipps, wohin man damit fahren kann. Und im Gegensatz zu Nordengland ist der Süden als zuerst eroberter Teil reicher an rein zivilen Objekten, die Städte der ganzen Küste gehen auf römische Gründungen zurück. Daher kommt laut Internet auch das Suffix -chester (Portchester, Chichester, Winchester), was im sächsischen wohl römische Festung bedeutete. Erfreulicherweise hat sich Monika dem Sonntagsausflugsplan angeschlossen, um sich nach kürzlicher Trennung auf andere Gedanken zu bringen. Das war umso praktischer, da sie auch ein Auto hat.

Chichester
Damit fuhren wir nach Chichester, einer Kathedralenstadt, deren Kirche wie so oft (z.B. auch in York) auf dem Gelände des alten römischen Stadtzentrums entstanden war. Von Monika als die hübscheste Stadt der Region angekündigt fand ich eigentlich nur die Kathedrale wirklich spannend. Wirklich bemerkenswert waren auch dort nur einige architektonische Details wie Doppelschiffe, der Spitzturm (klassische englische Türme sind quadratisch mit Flachdach) und ein römisches Mosaik unter Glasplatte. Wirklich nett war, das Monika mit in den anglikanischen Gottesdienst kam, der stockkonservativ hochkirchlich war, ohne liberale Experimente, so wie es sein muss.
Ein bisschen Kunst lenkt auch ab.




























Fishbourne
Der kurze Stadtrundgang danach offenbarte neben der vollständigen Stadtmauer wenig Spannendes, sodass wir weiter ins kleine Dorf Fishbourne fuhren. Das ist auf dem halben Rückweg nach Portsmouth und war mir von Roland am Vortag wegen des römischen Palastes empfohlen worden. Der war 1968 entdeckt worden und behauste vermutlich den römischen Statthalter. Ursprünglich nur als Zwischenhalt eingeplant haben wir dort gute zwei Stunden verbracht, vom enthusiastischen Archäologen über die wirklich außergewöhnlichen Mosaike der Gästesuites des Hauses geführt. Nach einem Brand wurde das Gebäude aufgegeben und das Material wiederverwendet – u.a. in der Stadtmauer von Chichester.

Bosham
Zuletzt machten wir im Dorf Bosham halt, was als eine Art Ahrenhoop beschrieben worden war. Von Künstlern war aber so wenig zu sehen wie von der Sonne oder dem verebbten Meer, weshalb wir Feierabend machten. Mit jedem Tag hier frage ich mich: wer braucht Ebbe?

30.06.2012

Donnerstag haben wir unser derzeitiges Projekt vorerst beendet. Danach war vorübergehend wenig zu tun, bis unsere Kommentartexte von der Korrektur zurückkommen. Daher war auch das Wochenende frei und ich habe die standardmäßige Erkundung meines neuesten Wohnortes vorgezogen. Erst einmal mussten einige Stunden Hausputz investiert werden, was ich schon seit dem Einzug machen wollte, aber erst jetzt aufgrund des bevorstehenden Einzugs meiner ersten Mitbewohnerin durchgeführt habe, der ich die Küche etwas hygienischer vorstellen wollte, als unsere Vorgänger sie hinterlassen haben. Überhaupt setzt sich die Tendenz aus York fort: mit dem Alter werde ich zum Botschafter deutscher Ordnung. Drei Stunden war ich schon am werken, als mein Vermieter aufstand.
Tagesziel meines heißgeliebten Fahrrads und der nach einer Woche jeweils einstündiger Fahrten zu und von der Arbeit doch etwas erholungsbedürftigen Beine war die Burg in Portchester. Die ist mir stets vom Bus zur Arbeit aus aufgrund ihrer bemerkenswerten Erhaltungsstands und der Lage direkt am nördlichen Zipfel das Gewässers, das den natürlichen Hafen von Portsmouth bildet, aufgefallen. Aus dem Grund haben dort schon die Römer die Festung Portus Adurni angelegt, die im 4. Jh. die sich häufende Piraterie an der englischen Südküste bekämpfen sollte. Sachsen (wie immer weil sie sowas nicht selber bauen konnten), Normannen (wie immer um ihre neue Beute zu sichern) und englische Krone (wie immer gegen Frankreich) habe das Gelände nacheinander weiter genutzt, wodurch die gesamte quadratische Außenmauer erhalten geblieben ist. Meine Schwäche für römische Finesse und Mittelalter, besonders ausgeprägt in Zeiten von Einsamkeit und Zielmangel, hat mich also dorthin getrieben. Auf dem Weg war auch endlich mal Zeit für die Touristeninformation und eine Anmeldung in der Unibibliothek. Letztere deutet im Übrigen weiter darauf hin, dass die Universität Portsmouth zur zweiten Wahl gehört.

Ist jemandem schon aufgefallen, dass Portsmouth eine Insel ist? Die einzige Inselstadt übrigens im Land; höchste Bevölkerungsdichte nach London. Zu Burg Portchester fuhr ich statt der bequemen Hafenfähre die Route über Hauptausfallstraße im Norden. Das war anstrengend und verwirrend, aber zur allgemeinen Beruhigung sicher, dank des neu angeschafften Helms und Signalweste (s. Foto). Das ist in diesem Landstrich emsiger und professioneller Fahrradfahrer allgemeines Bild, denn alleine bin ich auf den Radwegen praktisch nie.

Vor Ort fiel mir als erstes ins Auge, dass die Nachfolger der Römer nur eine winzige Ecke der quadratischen Festung weitergenutzt hatten. Die gesamte quadratische Außenmauer ist römisch, steht nach zweitausend Jahren noch fast original – das ist italienische Qualität. Die spätere Burg ist in eine Ecke eingefügt und niemals ansatzweise an den tausend Jahr ältere Ursprungsbau herangekommen. Das Festungsgelände ist auch öffentlich zugänglich, nur die Burg wird von English Heritage (Englisches Kulturerbe) verwaltet, dem staatlichen Gegenstück zum National Trust. Da waren der Burgfried zu sehen, in dem später französische Kriegsgefangene Schnürsenkel und Theater machten, die Banketthalle des wegen seiner vergnügungssüchtigen Hofführung entfernten Heinrich IV, die Gemächer seines frauenmordenden achten Nachfolgers und zu hören ist ein schöner Audioführer, besprochen von einem englischen Wachsoldaten und seinem napoleonischen Gefangenen. Seinerzeit war Portchester der bestimmende Ort des natürlichen Hafens und die Burg Verteidigungspunkt gegen französische Invasionen bzw. Sammelpunkt für gleichartige Aktionen in Frankreich. Erst später wurde Portsmouth mit seiner direkten Kontrolle des schmalen Zugangs zum Binnenwasser wichtig, weshalb Portchester dann auch eine Kleinstadt blieb.
Besonders interessiert mich die römische Zeit, und die Illustrationen des Lagers mit Schiffen im Binnenhafen schaffen ein plastisches Bild, als ich vom Dach des Burgfrieds in die weite Bucht blicke – besonders die Enge Hafendurchfahrt in den Bodden ist gut zusehen, dort also, wo Portsmouth entstanden ist – „Hafenmünde“. Das Wetter ist etwas rauer, die See peitscht bis fast an die römischen Mauern. Ich wünsche mir indes wieder jemanden, der solche Aktionen mitmacht. Aber der Tag ist eine Erinnerung daran, weshalb ich überhaupt so oft allein verreise: eine Anzeige bei der lokalen Couchsurfing Gruppe (ein weltweites Netzwerk von reisefreudigen Leuten, die bei sich Übernachtungen für andere Reisende anbieten) brachte keine Antwort und die Arbeitskollegin, die am gleichen Tag wie ich angefangen und Interesse gezeigt hatte, hat wohl vergessen, auf ihrem irischen Handy die englische Vorwahl vor meine Nummer zu setzen. Menschen sind einfach zu langsam, fällt mir wieder ein. Trotzdem gehe ich etwas melancholisch durch die Hallen und muss mich selbst daran erinnern, dass ich doch gerade Optimismus geworden war. Schräg gegenüber steht noch eine sächsische Kirche, eine der wenigen, die nicht von den Normannen abgerissen und besser neu gebaut worden war (wie z.B. der Münster in York). Dort hält gerade die verschwindende lokale katholische Gemeinde Messe mit ihrem polnischen Priester.
Das römische Eingangstor von außen.
Blick vom Burgfried auf die römische Umfassungsmauer und Haupttor. Ganz am Horizont die Hafeneinfahrt von Portsmouth und dahinter die Isle of Wight.
Blick vom Burgfried auf die sächsische Kirche.
Der Hafen von Portsmouth näher herangeholt, dahinter die Isle of Wight. Im Hafen ein Hubschrauberträger.
Der Burgfried vom Innenhof aus.
Sonnabendscricket in römischen Mauern!
Die angelsächsische Kirche, wie die Burg in die Mauern der römischen Festung gebaut.
Vorn der Kirchfriedhof, hinten der Burgfried, links das römische Tor.
Die Außenmauern und davor viel Ebbe und wenig Wasser.
Sicher im Straßenverkehr.
Zurück zu Hause zieht gerade meine erst Mitbewohnerin ein. Und sie kommt aus Sofia – Bulgarien! Ein zweite Bulgarin soll noch kommen. Monika ist 21 und studiert hier Informatik. Bevorzugt hätte sie Theater. Günstigerweise ist davon trotz anderer Karrierewahl noch Interesse für Gesang, Tanz, Kochen und auch Trinken übrig geblieben. Für den Folgetag hat sie sich gleich für mein nächstes Ziel angemeldet, die Kathedralenstadt Chichester östlich von Portsmouth. Hier also ist jemand, der mitkommt.
Die anderen Mitbewohner kommen vermutlich erst mit dem neuen Semester Ende September. Entsprechend sind auch viele Uniangebote suspendiert. Denn obwohl sich mein Leben langsam stabilisiert und ich abends ins Bett komme und auch zunehmend freie Zeit für private Interessen zur Verfügung habe, ist sowohl die Suche nach Salsa und dem Unichor erfolglos geblieben. Dafür kann ich wieder privat lesen, momentan vor allem Lexikonartikel über diverse Objekte in der Region. Einiges wird auch auf der Arbeit organisiert. Zum Beispiel war ich Donnerstag mit Kollegen beim wöchentlichen Fußballspiel in Fareham, der nächsten Kleinstadt bei Titchfield. Allgemein habe ich vermutlich noch nie so sportlich gelebt wie jetzt. Ein Stunde zur Arbeit und eine Stunde zurück machen sich doch bemerkbar. Zum Glück gibt es auf der Arbeit Duschen für die Radfahrer. Nach dem zusätzlichen Fußball war ich Donnerstag auch entsprechend geschlaucht, habe aber doch noch ein Herrenhaus mit viel englischem Rasen in Fareham angefahren, dass aber auch nur ein Golfhotel ist.

Im Dienste ihrer Majestät
Ein interessantes Detail aus dem englischen Arbeitsrecht. Letztens habe ich meinen Arbeitsvertrag in die Hand bekommen. Darin wird ausgeführt, dass meine Arbeitgeberin ja die englische Krone ist. Und Elisabeth II Rex akzeptiert als Monarchi keine Kündigungsfrist, sondern kann mich nach Belieben anstellen und feuern. In der Praxis wird natürlich gerade im öffentlichen Dienst auf Arbeitsrecht geachtet.