Die
letzten zwei Wochenenden habe ich statt konzentriertem Erkunden der
Stadt und des Landkreises höhepunktlos
vor mich hingekleckert.
Das Wochenende nach dem Besuch in Birmingham sollte mangels klarer
Vorplanung in die Entdeckung von Portsmouth investiert werden, ging
aber größtenteils an diverse kleine Aufgaben verloren, die alle
gemacht werden müssen und scheinbar nie aufhören. Große
Freiheit durch Geld? Ich fühle mich eher an Paul erinnert, der seine
Wochenenden mit Hausputz verbrachte, während ich verreiste. Im
Endeffekt blieb nur eine kleine Friedhofsführung und ein minimaler
Abstecher ins Stadtmuseum,
das
kaum der Rede wert ist.
Eine
einzige Vitrine für
alles vor der Neuzeit. Anderseits wird auch klar, dass Portsmouth bis
ins 19. Jahrhundert ohnehin nur die heute westlichste Ecke um den
eigentlichen Hafen umfasste, der gesamte Süden, Norden und Westen
der Insel waren vollkommen leer, einschließlich meines Viertels
Southsea, dass erst mit dem aufkommenden Bädertourismus entstand.
Zwar war die Gegend spätestens seit den Römern ausgesprochen aktiv,
aber das spielte sich alle nördlich der Insel ab, wo auch die
wichtigste Straße langlief, und zwar ohne Ausfahrt hier runter.
|
Tiergehege im Viktoriapark. |
Im
Hafen liegt entgegen früherer Informationen kein Hubschrauberträger,
sondern einer der letzten Flugzeugträger der britischen Flotte, die
HMS Ark Royal.
Die
wartet
wohl auch nur noch auf die Verschrottung, wie die Invincible, die
Portsmouth dafür offenbar bereits letztes Jahr verlassen hatte. Seit
der großen Haushaltsreform, die ich noch miterlebt hatte, und u.a.
die Verdreifachung der Studiengebühren mit sich brachte, haben die
britischen Flugzeugträger ohnehin keine Maschinen mehr.
Ein
Teil der Zeit ging auch in die Erfüllung einiger bescheidener
Träume, die ähnlich wie Investitionen in Kalinas Wohlbefinden mit
dem ersten Gehalt verbunden waren. So ist ein bestelltes Buch zum
Neuen Testament angekommen, und an meiner Wand der erste Kunstdruck
meines Lebens: Klimts
Kuss. Das
geht auf ein Album in der Wieland Buchhandlung Rostock zurück, der
für mich den Stil erstmal mit dem Namen verband. Zur Entwicklung des
musischen Interesses jetzt auch an Malerei habe ich mir aus der
Stadtbibliothek gleich zwei Bildbände geholt, einen für den
Nachttisch, den zweiten für die Arbeit, um nach weiteren Kandidaten
für meine weißen Wände zu suchen. Am liebsten aber würde ich mir
einen Fries um die gesamte Deckenkante legen, und zwar das goldreiche
Handelsmotiv vom Palast von Julius Kindermann auf der Piotrskowska
Straße Lodz. Auf dem Plan steht auch ein Besuch der örtlichen
Galerie mit Monika, möglichst nicht ganz nüchtern.
Sonntag
kam das olympische
Feuer auch nach Portsmouth. Dazu wurde auf dem Rasenfeld am Meer eine
Bühne aufgebaut, für Moderation und eine Band, die ich
interessanterweise zwei Tage später auf dem Lokalradio Rostock
wieder hörte, dem ich dank Internet die Treue halte. Endpunkt der
Aktion sollte die Ankunft der Fackel sein, wozu ich dann auch Monika
aus ihrem Zimmer mit in die Halbsonne schleifte. Wider Erwarten
konnte man den Läufer sogar recht nah sehen.
|
Das Feuer ist da. |
Am
Donnerstag darauf übernachteten bei mir zwei österreichische
Mädchen, die am Beginn einer Reise über die ganze Insel standen und
als Geschenk einen guten, soliden Laib Brot mitbrachten. Bekommen tue
ich diese Anfragen über eine Interessengruppe von Reisefreunden im
Internet, und nehme gerne Leute auf, um etwas Lebens hier
reinzubringen. Dazu kochen wir am besten und essen im Hof, der ja
abends sonnig ist. Monika freut sich darüber auch sichtlich. Sie
fuhr uns alle noch an die Gunwharf Quays, also das historische
Marinegelände, das wie üblich neues Leben als elegantes
Einkaufsgelände am Wasser gefunden hat.
Der
Samstag darauf schien wieder gleich an die Mühen des Alltags
verloren zu gehen. Umso schlimmer, da die Sonne wie versprochen
endlich rauskam um für fast eine Woche zu bleiben, bevor wieder der
Regen anfängt. Sämtliche Briten stürzten sofort nach draußen, die
Nachbarn blockierten gleich die ganze Straße mit einem Grill.
Wetterunabhängig organisiert die Stadt im Sommer jeden Samstag
Nachmittag kostenlose Konzerte mit lokalen Bands direkt am Meer. Also
bin ich da hin, wo ich auch die lokale Gruppe der erwähnten
Reisefreunde traf, an die ich mich zwecks Kontakten zu binden
versuche. Dazu spielte zuletzt eine richtig gute Band, die die
zahlreich auf dem Rasen sitzenden Menschen zum Tanzen brachte,
während draußen die Schiffe des Wetters wegen fleißigst
vorbeizogen. Die Truppe blieb wegen eines Geburtstags auch gleich bis
in die Dunkelheit um ein Feuer dort sitzen.
|
Gratis Musik am Meer. |
Winchester
Sonntag
sollte aber endlich ein klassischer Ausflug her, und zwar nach
Winchester. Wie das Suffix verrät, ist es ebenfalls römischen
Ursprungs und laut Reiseführer allerbestes englisches Mittelalter
und auch ein gutes Stück Angelsachsen, mit Kathedrale, sodass ich
ein kleines York erwartete. Eher war es aber wie Durham; vom Bahnhof
einen Berg runter, die ersten Gebäude nicht beeindruckend, eine
Provinzstadt diese alte Hauptstadt von Wessex und ganz Englands, ja,
noch vor London, und König Arthur war auch da. Vielleicht wäre ich
lieber auf die Isle of Wight gefahren, wo eine Gruppe Radfahrer
unterwegs war.
Aber
in die Kathedrale mit dem längsten Schiff Europas und entlang
derselben die gleichen Bannern wie in Durham. In den Seitenschiffen
wuchtige romanische Bögen wie in Quedlinburg vor ganz langer Zeit.
Die berühmte Winchester Bibel leider Sonntags nicht zu besichtigen,
aber wieder im Tageslicht des Kathedralenhofs findet sich ein
wunderbarer kleiner Garten, wo die Übermüdung der Woche einen
Tribut auf der sonnenerwärmten Steinbank fordert, zwischen Lavendel
und Mohn und Rotkehlchen. Wieder aufgewacht und unterwegs in den
Gassen wird mir klar, dass englische Städte viel hätten gewinnen
können, wenn neben komplett erhaltenen Stadtmauern nicht alle Häuser
aus rotem Backstein und identisch wären, sondern aus Fachwerk, so
wie in York.
|
Meine Bank im Garten, am Ort des alten Klosterschlafsaals. |
In
der Ruine des alten Bischofspalastes, Rasen zwischen alten Mauern,
ein Ort, wo der Brite stolz ist auf sein Land. Es ist richtiger
Sommer, eine Familie isst Eis auf einer schattigen Mauer, während
die unweite Kathedrale das einstündige Läuten in der markanten
englischen Melodie anstimmt (in York waren es jeden Dienstagabend
zwei Stunden). In den Pausen rauschen die Bäume der umgebenden
bischöflichen Gärten, alles ist grün, grün lugt es hinter den
alten Mauern hervor; Felder und Wälder auf grünen englischen
Hügeln. Eine weitere Familie beweist, wieviel Müll eine einzige
Gruppe Menschen erzeugen kann. Plastiktüten, Chips,
Fertigsandwiches, Einweggläser, ein Haufen leerer Flascehn und alle
Frauen tragen geschmacklose Kleider.
Ich
lasse mich dann durch das nahe College führen, einer ursprünglich
zur Kathedrale gehörenden Privatschule für Begabte und Reiche,
wonach ich mich wieder dumm und durchschnittlich fühle. Im Anschluss
entlang des Flusses Itchen zurück Richtung Bahnhof. Das Wasser ist
glasklar und das Wetter so, dass wirklich alles wie England aus dem
Bilderbuch aussieht, grün und meist akurat gepflegt, viel Wasser,
viel Rasen, und vom Zug aus viele sonnige Felder. Und ich spüre das
leichte Brennen von Sonnenbrand im Nacken.
Sous
les pierres, la plage!
Zu
Hause habe ich entgegen der Skepsis von Briten und Bulgaren endlich
weitergemacht, was ich in Warnemünde angefangen hatte und bin ins
Meer gesprungen. Gar nicht so kalt, definitiv richtungsgebend für
einen verwirrten Geist, und besser als ein ganzer Tag Wegfahren.Hatte
ich gefragt, warum es Ebbe gibt? Weil dann der Sand zum Vorschein
kommt! Die Steine bedecken den Strand nur einen Meter ins Wasser,
dann sieht es aus wie Warnemünde. Darum braucht die Ostsee mit ihren
schönen Sandstränden auch keine Gezeiten.