Sonntag, 26. Januar 2020

Ellie hatte mir zu Weihnachten ein Wochenende nicht weit ihres Heimatortes geschenkt, wo wir mehrere historische Orte besuchen wollten, zu denen sie als Kind und Schülerin regelmäßig gefahren war.

Fotos

Die Schlacht von Hastings im Jahr 1066 ist das wichtigste Einzelereignis der englischen Geschichte. Jedes Kind kennt die Jahreszahl. Damals übernahmen die Normannen England von den Angelsachsen. Die Schlacht fand gar nicht in Hastings statt (dort waren die Normannen gelandet, an der Küste weiter südlich), sondern auf einem freien Feld. An der (vermuteten) Stelle wurde aber ein Kloster errichtet, um das sich dann der kleine Ort Battle (englisch für "Schlacht") entwickelte. Die Überreste des von Heinrich VIII. aufgelösten Klostern waren einer unserer Besuchspunkte.

In der Nähe dieses Ortes hatte uns Ellie Quartier auf einem Bauernhof gebucht. Dort wurden vier alte Wirtschaftsgebäude zu Gästezimmern umgewandelt, in schöner Balance aus rustikal und gemütlich: Außenwände noch alles Holz, innen der Sprachassistent Alexa. Die vier alten Scheunen stehen um einen kleinen beblümten Innenhof. Es gab Enten, Schweine, Pferde und auf allen Feldern Schafe.
Ich sage ja immer, dass es in Südengland keine wirklich einsamen Gegenden gibt. Hier waren wir mal nah dran. Morgens und abends bin ich extra noch kurz nach draußen gegangen, um die Stille zu hören, und die Vögel, und in die Täler zu gucken. Und abends war es wirklich so dunkel, dass ich meine eigene Hand nicht vor Augen sehen konnte. Am ersten Abend sind zu Fuß zu einem Pub in der Nähe gelaufen, der auch super war, aber zurück haben wir lieber ein Taxi genommen. Nachtwanderung ist ja alles sehr schön, aber wenn man dabei nur Straßen zum laufen hat muss man ständig nach Autos lauschen.
Ursprünglich hatte ich mein Teleskop mitbringen wollen, aber schon die Wettervorhersage machte klar, dass es stark bewölkt werden würde.

Am Samstag sind wir zur Burg Bodiam gefahren, über die man viel erzählen kann, aber sei sie nur als Bilderbuchwasserburg beschrieben, am Fluss Rother. Von ihr habe ich über die Jahre immer wieder gehört, weil es das typische Ziel für Schulausflüge war. Dort haben wir uns mit Ellies Mutter getroffen und einige Stunden im Cafe und der Burg verbracht.
Ursprünglich hatten wir von dort mit dem Traditions-Dampfzug nach Tenterden fahren wolle, Ellies Heimatort. Aber der fährt im Januar noch nicht. Überhaupt gibt es in der Region diverse Dampfzüge und Burgen, aber die meisten davon haben entweder an Wochentagen oder überhaupt ganz zu.
Im Flusstal zog Nebel auf und alle umliegenden Besuchsstätten machten langsam dicht. Darum sind wir relativ spontan zu Ellies Vater gefahren, im nahen Cranbrook. Genau gesagt hatte seine Frau Geburtstag (beide Eltern haben in den letzten anderthalb Jahren ihre langjährigen Partner geheiratet) und ich traf die gesamte Familie; einige kannte ich bereits von der Beerdigung von Ellies Opa im letzten Jahr. Ellie hatte nicht vorgehabt ihre Familie abzufahren, aber ich habe die Orte ihrer Jugend gerne besucht. Nach der nebligsten Heimfahrt der Welt habe ich sie noch lange zu ihrem Leben befragt.

Am Sonntag haben wir das Kloster von Battle besucht. Davon stehen die Umfassungsmauern und das Torhaus, aber nur Ruinen der Gebäude.

In drei Wochen fahren wir wieder in die Gegend, zur Beerdigung von Ellies anderem Opa. Für uns war das vermutlich der letzte Urlaub ohne Kind.

Donnerstag, 23. Januar 2020

Ottos Richards

Am letzten Wochenende war Opas Beerdigung. Ehrlich gesagt hatte ich mich auf das Wochenende schon einige Zeit gefreut. Schließlich hatte ich schon während meiner Zeit auf der Farm einen Aufsatz geschrieben, wie mir Frankfurt gefällt. Und die Familie sehe ich ohnehin zu wenig. Etwas Sorge hatte ich schon, wie das wird, wenn wir zum ersten Mal alle vier zusammen sind, seitdem ich Mitte 20 war. Aber im Nachhinein war es trotz des Anlasses eine richtig schön Zeit, und zwar besonders wegen der Zeit mit der Familie. Die Möglichkeit allein einfach zusammen zu sitzen und zu quatschen habe ich genossen, mal ganz abgesehen davon, dass ich dafür normalerweise eine Woche brauche. Sowohl deswegen als auch weil ich an Opas Verabschiedung teilnehmen konnte bin ich mit einem gutem Gefühl zurückgeflogen.

Fotos aus Frankfurt

Papa und ich haben beide kurz auf der Beerdigung geredet. Ich unter anderem darüber, wie wenig Opa von sich erzählt hat. Die meisten Leute aus der Treuenbrietzener Familie kannte ich maximal vom Hörensagen. Und in der Wohnung fanden wir alte Fotos, die bei jedem Besuch direkt neben bzw. hinter mir gestanden hatten, ohne dass Opa sie mir jemals gezeigt hätte. Genauso fanden wir heraus, dass sein Vater Otto Richard Hechler hieß!

Aus der Wohnung wollte ich eigentlich nur Fotos und Dias retten, um sie zu digitalisieren und allen verfügbar zu machen. Am Ende habe ich auch noch ein gemaltes Bild der Ostsee mitgenommen und drei DVDs mit DEFA Märchen, für Otto Richard Howlett Hechler. Von Mutti bekam ich ein Kehrblech und Teelöffel. Und mir selbst habe ich einen weiteren Band Mosaik gegönnt.

Außerdem bin ich kurz nach Slubice gelaufen und habe endlich mein altes polnisches Konto geschlossen. 2010 hatte ich das eröffnet, für das Praktikum im polnischen Parlament. In der Filiale ging mein Polnisch noch richtig gut, und anschließend bin ich richtig schön spazieren gegangen. Denn das Wetter war so schön, völlig im Gegensatz zum Grund meines Besuch.

Am Abend nach der Beerdigung sind wir alle vier noch in die Konzerthalle gegangen, wo unter anderem Vaughan Williams gespielt wurde. Mein Chor hatte vor einigen Jahren seine Volkslieder gesungen, und seitdem hatte sich bei uns allen ein Image als Schnulzenromantiker festgesetzt. Aber die 6. Symphonie war den Zweitversuch wert. Das ist einer der Gründe, weshalb ich Frankfurt mag: ein gutes Orchester, wo man sich gerne etwas neues anhört, mit einem aufgeschlossenen Publikum.

Mitte Februar steht bei mir die nächste Beerdigung auf dem Plan. Anfang Januar war, seit langem erwartet, Ellies Opa mit 97 Jahren gestorben. Wir fahren dann zur Einäscherung. Bei der Gelegenheit habe ich erfahren, dass die in England gewöhnlich die wichtigere Veranstaltung ist. Zur eigentlichen Beisetzung kommen wohl viel weniger Leute.

Ellie arbeitet wieder und ist dementsprechend weniger glücklich. Zum Glück lenkt sie das Kind ab. Ich weiß eigentlich nicht, wie sie klar kommt: Schlafen war bereits schwierig; inzwischen kann sie in fast keine Lage bequem liegen.

Sonntag, 12. Januar 2020

Singsang

Gestern war ein musikalischer Tag. Vormittags habe ich meine Pianistin für den Gesangswettbewerb Ende Februar besucht und die beiden Lieder (eine Arie aus Cosi fan tutte und ein Musicalstück) zu ihrer Begleitung gesungen. Scheinbar ist es üblich, dass man sich danach erst zum eigentlichen Auftritt wiedertrifft.

Abends bin ich noch einmal raus aufs Land gefahren, wo einer der anderen Chöre aus Portsmouth ein offenes Singen von Faures Requiem veranstaltete. Zu meiner Überraschung war die Kirche proppenvoll mit Sängern, und später kamen sogar ein paar Zuhörer. Normalerweise sind diese Veranstaltungen zum Spaß an der Freude, um ohne viel Arbeit mal schnell etwas zu singen, was man immer schon mal singen wollte. Faure hat hierzulande einen zwiespältigen Ruf, bis auf das Requiem. Beim Einsingen kam mir die Musik auch merkwürdig vertraut vor, bis mich jemand aus meinem eigenen Chor daran erinnerte, dass wir es vor drei Jahren gesungen hatten. Machte die Sache einfacher. Auch wenn meine Stime wie schon morgens nicht warm genug war.
Zu meiner Freude kann man Ende Februar Bachs Matthäuspassion singen. Leider werden wir an genau dem Tag auf einem Babykurs sein.

Mein eigener Chor hat auch wieder losgelegt. Ich bleibe mit dabei, auch wenn ich das Konzert am 21. März aus Babygründen wahrscheinlich nicht mitmachen können werde. Eigentlich ist das Frühlingssemester häufig auch weniger interessant; gerne wird es für Sammlungen kleinerer Stücke oder für akademischere Musik benutzt, die einem manchmal ans Herz wachsen und manchmal nicht. Dieses mal haben sie einige schwarze Komponisten aus dem frühen 20. Jahrhundert ausgewählt, zu Themen von Freiheit und Sklaverei. Interessanterweise finden wir die Musik alle super. Durchaus zu meiner Überraschung. Vielleicht, weil selbst die besten von ihnen außerhalb von Musikerkreisen selten groß gespielt wurden. Schonmal wer von Coleridge-Taylor gehört? Ich nicht. Merke: Frühlingsemester können ihren Zweck durchaus erfüllen.

Donnerstag, 9. Januar 2020

Ellies Schwangerschaft läuft weiterhin vorbildlich und bereitet ihr sogar offensichtliche Freude. Nur schlafen kann sie nicht mehr, weil ihr jede Position nach kurzer Zeit weh tut. Jetzt wurde sie sogar für vorerst zwei Woche krank geschrieben, weil es so nicht mehr weiter ging. Die Katzen freuen sich: ihre Mutti ist den ganzen Tag für sie da. Ende Januar fangen die Kurse für werdende Eltern an.

Silvester haben wir zu zwei im Spielecafe verbracht. Die Idee dazu kam sogar von Ellie, die in letzter Zeit zunehmend gerne da ist, seitdem ich ihr ein Spiel gezeigt habe, in dem man gemeinsam eine Geschichte aufdeckt. Ich hatte eigentlich gar nicht vorgehabt, bis Mitternacht wach zu bleiben, dann war es plötzlich schon soweit, aber es gibt ja kein großes Feuerwerk und so sind wir einfach nach Hause gegangen.

Ich habe seit geraumer Zeit nicht mehr die Ruhe ein Buch zu lesen. In Rostock hatte ich mir einen kurzen Band zum Klimawandel aus der Beck Wissen Reihe gekauft, weil ich dachte endlich mal Zeit zu haben, aber daraus ist nicht viel geworden. Unter anderem lag das aber daran, dass die Datenlage einfach zu deprimierend ist. Einige Kapitel habe ich erstmal ausgelassen und komme erst jetzt wieder langsam hinein. Über die Feiertage habe ich eher in meinem alten Buch übers frühe Mittelalte geschmökert, und in der Tat in der Bibel.

Das habe ich neulich auf dem Dachboden gefunden


Einige Stunden später in der Küche