Donnerstag, 24. Februar 2022

Luft raus

Die Windpocken waren insgesamt gnädig. Gottseidank haben sie Otto wohl nie zu sehr gejuckt. Tagsüber hat man es ihm kaum angemerkt, nur ist er früher müde geworden. Aber das mag auch daran liegen, dass er ja keinen Mittagschlaf mehr macht. Nach einer Woche waren alle Pusteln abgeheilt und verschwinden jetzt zusehends.
Seine Kräfte sind inzwischen wieder voll da. Er geht aber, durch den fehlenden Mittagsschlaf, eine gute Stunde früher ins Bett, und schläft dann auch ziemlich schnell ein. Für mich gut, weil das einen sehr viel längeren Abend bedeutet. Nur eine Sache wirkt noch nach: während der Windpocken musste er aber fast jede Nacht zu Mami ins Bett, und das hält sich weiter.

Nichtsdestotrotz geht es uns nicht gut. Das merke ich weiter. Seit drei Wochen fühle ich mich schon halbtot wenn ich aufwache. Ellie ist auch müde, dass sehe ich. Ich fühle mich durchgehend erschöpft und lustlos. Sogar wenn man abends mal etwas Zeit hat, kann ich mich kaum dazu bringen etwas zu erledigen. Versuchsweise mache ich seit einigen Tagen bei Ellies abendlichen Sportübungen vor dem Fernseher mit. Kann ja nicht gut sein, dass ich ohne Mühe die ganze Woche über nicht aus dem Haus kommen würde.

Die große Nachricht der letzten Woche ist, dass wir Mitte April nach Deutschland kommen wollen. Tickets sind gebucht, Ottos Gesundheit und die Stabilität der Flugzeiten sind aber nicht in unserer Hand. Wir wollen zuerst nach Rostock, dann nach Rügen. Wir sind beide nervös angesichts der ersten Flugreise mit Otto. Aber wann wenn nicht jetzt.

Einige Dinge, die Otto lange nicht wahrgenommen hatte, sind jetzt sehr im Trend. Seit einige Zeit singt und tanzt er ja. Jetzt kommen Liederbücher in die Vollen, die er bisher immer ignoriert hat. Das macht mich richtig froh, weil jetzt mein altes Buch aus Rostock doch noch zum Einsatz kommt. Sein Lieblingslied ist momentan "Bienchen summ herum", und "Müllers Esel" bringt ihn immer zum lachen. Mir ist irgendwann eingefallen, dass unser altes Auto ja noch einen alten CD Spieler hat, und dass Sanni uns ein Liederbuch im CD geschickt hatte. Otto besteht jetzt darauf, sobald wir einsteigen. Das bringt auch seine Sprache voran. Es macht mich sehr froh zu sehen, dass Otto gerne singt, tanzt, malt und mit imaginären Dingen spielt.

Sonntag, 13. Februar 2022

Bot guckt Boot

Ich habe Ottos maritime Ausbildung heute spontan fortgesetzt. Im Stadthafen gibt es einen kleinen Parkplatz direkt bei den Schiffen. Von da habe ich ihn zum sogenannten Point genommen, einem Vorsprung ins Hafenbecken (historisch eine Art Reeperbahn), wo man besonders viel sieht.  Da ist uns Autofähre direkt vor uns vorbeigefahren; gut für Otto der Autos aller Art liebt. Ganz oben auf der Brücke winkte uns jemand in Reflektorweste zu. Ich hatte immer darauf gewartet, dass Otto groß genug ist um Schiffe zu verstehen. Ich freue mich ganz dolle ihm das alles nahe zu bringen. Dieses Jahr fahren wir mal irgendwo mit; erst auf einem kleinen Boot und wenn möglich mit der Autofähre auf die Isle of Wight. Da geht es kurz den Berg hoch zur Abtei Quarr, und da gibt es Schweine für ihn und Kuchen für uns.

Seine Windpocken sind bisher eigentlich gnädig. Die Nacht zum Samstag hatte er und damit Ellie überhaupt nicht geschlafen. Als ich ihn dann morgens übernahm ging er aber sofort an seine Spielsachen. Und die Nacht und der Tag darauf waren ok. Der Juckreiz wird soweit vom Spielreiz übertroffen und ich bin nur dankbar, dass er keine Schmerzen hat.

Samstag, 12. Februar 2022

Krabbentee

Otto schwärmt immer noch von seiner Fahrt im Krankenwagen mit Mami. Immer wieder künstelt er Husten und bittet um Wiederholung  ("Mami Dodo wijuwiju!"). Vielleicht deshalb hat er nach seinem Pseudokruppanfall Donnerstag Morgen die Windpocken bekommen. Ich habe mir den Tag frei genommen, und Ellie dafür den Freitag.

Abgesehen von Ottos Gesundheit hat diese Episode (einmal mehr) aufgezeigt, wie löchrig mein Nervenkostüm in den letzten zwei Jahren geworden ist. Abends war ich sauer über diese neue Schwierigkeit und Verlust von Urlaubstagen (Aus den letzten vier Wochen konnte Otto drei nicht zur Betreuung) und fühlte mich gleichzeitig schlecht, dass ich Otto nicht so gut unterhalten kann wie Ellie. Das ging so über das rational erwartebare hinaus, dass ich am Ende zu dem Schluss kam, dass ich nach zwei Jahren mit Kind einfach den Wegfall aller Hobbys spüre, die früher Gleichgewicht gegeben haben. Die letzten Monate ist es ja schon wieder schwierig, einfach aus dem Haus zu kommen. Irgendwas muss ich machen, am besten etwas draußen und mit Menschen. Das arbeitet schon lange in mir.

Am Donnerstag selbst habe ich Otto vor allem Videos gegönnt. Dafür habe ich ihm nachmittags kurz das Luftkissenboot gezeigt, dass Portsmouth mit der Isle of Wight verbindet. Ich hatte mir gedacht, dass er es inzwischen als etwas besonderes wahrnehmen wird. Ich hab dann festgestellt, dass man nahe der Anlandestelle auch besonders bequem direkt mit Sicht aufs Wasser parken kann und so im warmen Auto eine schöne Aussicht hat. Otto konnte "fahren"; nur als das Boot kam nahm ich ihn raus, bis es wieder fuhrt, mit großem Getöse. Das war so schön, dass ich ihn anschließend spontan in den Stadthafen gefahren habe, um noch mehr Schiffe zu gucken. Aber da wollte er wieder nach Hause, zu Mami und "Krabbentee", was sich nach langem Raten als seine Aussprache für Brokkoli rausstellte. Ellie hat ihm eine Papiertischdecke mit Tieren zum Ausmalen gekauft. Ich muss denen überall Brokkoli hinmalen, damit er ihn dann grinsend wegschnappen kann.

In anderen Nachrichten hat Otto jetzt einen eigenen Reisepass... wenn auch nur einen britischen. Der deutsche wird von hier drüben mehr Aufwand erfordern.