Die
wichtigste Neuigkeit aus den vergangenen Wochen ist ohne Zweifel, dass
ich seit einiger Zeit eine Freundin habe. Das hat mich gezwungen,
einen ohnehin stattfindenen Denkprozess verstärkt zu führen, bei
dem es grob gesagt darum geht, was ich denn jetzt mit meinem Leben
machen will. Zuvorderst sollte und soll England ja eine
vorübergehende Geschichte sein. Langsam soll einen langfristiger
Wohnort her und keine Kompromisse. Aber wo das sein soll, und was
genau ich mir da aufbauen will, darauf habe ich noch keine klare
Antwort. Das hat mir im Oktober einige schwierige Nächte beschert,
als klar wurde, dass Ellie eine feste Sache wird, ohne das ich mir
eine Zukunft in England wünsche.
Natürlich
haben diese Umstände auch ihr Gutes. Zum Beispiel tanzt und trällert
Ellie auch gern; in der Tat kennen wir uns vom Chor und Tanzkurs.
Nun ist so eine Beziehung der endgültige Todesstoß für meine Zeitplanung, aber zu
meinem eigenen Gefallen war ich nichtdestotrotz ziemlich aktiv und habe einige Pläne
umgesetzt. Einmal habe ich endlich Kalina wieder besucht. Diesmal
hatten wir auch Zeit, tanzen zu gehen und am nächsten Tag ein neues
Stück von Southampton anzusehen.
Am
Samstag darauf habe ich dann den Herbstspaziergang gemacht, auf den
ich so lange Lust gehabt hatte, seitdem die Bäume vor dem Büro gelb
geworden waren und mir Heimweh bereiten hatten. Zu meiner Freude
(besonders im Vergleich zum Vorjahr) schloss sich eine ganze
Autoladung an, Mathieu mit Auto, Ellie, Theresa und Mitbewohnerin.
Gelaufen sind wir von Stanstead Hause (was Mathieu und ich im Mai mit
dem Rad besucht hatten) durch den Gutswald zum Dorf Rowlands Castle
nordöstlich von Portsmouth. Das war aufgrund der Laufgewohnheiten
der Nichtdeutschen kürzer, der Wald war noch nicht so gefärbt wie
gedacht und es nieselt am Ende auch – aber wir sind rausgekommen,
und zwar auf meine Initiative, das war ein gutes Gefühl. Als Bonus
haben wir Maronen gefunden und abends geröstet.
Am
nächsten Tag schloss ich mich einem Ausflug Mathieus nach Salisbury
an, um den Kontakt mit ihm nach einigen Wochen wieder aufzufrischen.
Er nahm seine Freundin und besuchende Freundinnen aus Southampton
mit, wobei ich auch Kalina nochmal sehen konnte.
Zum
anderen habe ich Ellie und Mathieu einen Kochabend vorgeschlagen, um
auch in der Küche wieder etwas neues auszuprobieren. Dabei habe ich
zum Beispiel zum ersten Mal erfolgreich Rotkohl gemacht, was mir seit
dem ersten Studienjahr nie geglückt war.
Anfang
November habe ich Ellie dann noch in die Römische Villa im Dorf
Fishbourne nordöstlich von hier mitgenommen. Dort ich das erste Mal
ganz am Anfang noch mit Monika gewesen.
Einige
Einzelinformationen, nach denen ich regelmäßig gefragt werde.
Mathieu ist vermutlich Mitte 30, aber ich habe ihn nie gefragt. Er
kommt aus Annecy südlich von Genf, wohnt in Portsmouth seit November
2012 und hat vorher in Singapur gelebt. Er arbeitet als Ingenieur in
einer ehemals staatlichen Firma, die Hubschrauberteile fürs Militär
herstellt.
Ich
habe zwei Mitfahrgelegenheiten zur Arbeit. Beide wohnen auf der Isle
of Wight und kommen jede Morgen mit dem Tragflächenboot aufs
Festland. Am Landepunkt ist ein Parkplatz mit ihren Autos, dort
steige ich zu. Die Fahrt dauert ohne Stau 20 Minuten.
Guy
Fawks Nacht verlief ohne besondere Vorkommnisse und Halloween konnte
ich komplett ignorieren. Dafür wird in England am 11. November der
Waffenstillstand des 1. Weltkriegs begangen. Auf der Arbeit wurden
dafür die landesweiten zwei Schweigeminuten eingelegt (aber einfach
still am Computer weitergearbeitet).
Halloween
dagegen bin ich entkommen. Nur einer unserer unregelmäßigen
Tangoabende war thematisch daran angelehnt, wo mich ein schönes Foto
zeigt mich. Man hatte sich so große Mühe mit der
Halloweendekoration gegeben, dass sogar ich es richtig gemütlich
fand. Genau gesagt hat es mich an den Tanzabend in Lodz 2009
erinnert, an dem ich zum ersten mal Tango live sah und entschied,
dass ich das irgendwann auch lernen muss. Der nächste Tangoabend ist
Anfang Dezember mit Weihnachtsthematik. Und seitdem es bei
Arbeitsschluss schummrig wird und ich den gewünschten
Adventskalender dort stehen habe, komme ich langsam in
Weihnachtsstimmung. Mit Theresa werde ich einen deutschen
Adventsabend veranstalten, denn Weihnachten ist wichtig. Schließlich
waren wir wie alle Auslandsdeutschen einer Meinung, dass eigentlich
nur wir das richtig können. (Was ich wieder über englische
Traditionen in der Praxis erfahren habe, ist ein Sakrileg). Nicht
zuletzt singt der Chor bald beim jährlichen Adventsgottesdienst der
Uni, und ich spiele auf dem Weihnachtsmarkt mit.
Dann
fand die halbjährliche große Salsaparty im und auf dem Spinnaker
Turm am Hafen statt. Für mich war es nach anderthalb Jahren hier
trotzdem das erste Mal, dass ich oben gewesen bin. Bisher hatte ich
stets gedacht, dass Portsmouth nicht interessant genug wäre, um für
einen Blick von oben Geld zu bezahlen. Aber das Panaroma bei
Dunkelheit hat mich sehr überrascht. Besonders die Schiffe im Hafen
von oben ziehen zu sehen hat mir gefallen. Vor allem aber ist im
ersten Stock auf 100m Höhe Glasplatte im Boden eingelassen. Die
Werbung fragt„traust Du Dich auf Luft zu gehen?“ – beim zweiten
Versuch habe ich den Mut zum Raufgehen gefunden.
Nebenbei
gesagt gibt es für jenen Hafen aber schlechte Nachrichten: der
Werftbetreiber macht den Schiffneubau zu, nur Reparaturen werden noch
angeboten. Das wird die Stadt neben Steuern eine Menge der
wertvollsten Einwohner kosten.
Nachtrag: mein Willkommen für Daria & Marta |
Haus Stansted |
Hallo Ellie |
v.l.n.r. Mathieu, Ellie, ich, Theresa, Laia |
Mathieu ist zu Recht schockiert - zwei Deutsche wie aus dem Bilderbuch. |
Etwas später am Meer. Ebbe bringt keinem was. |