Donnerstag, 21. November 2013

Die wichtigste Neuigkeit aus den vergangenen Wochen ist ohne Zweifel, dass ich seit einiger Zeit eine Freundin habe. Das hat mich gezwungen, einen ohnehin stattfindenen Denkprozess verstärkt zu führen, bei dem es grob gesagt darum geht, was ich denn jetzt mit meinem Leben machen will. Zuvorderst sollte und soll England ja eine vorübergehende Geschichte sein. Langsam soll einen langfristiger Wohnort her und keine Kompromisse. Aber wo das sein soll, und was genau ich mir da aufbauen will, darauf habe ich noch keine klare Antwort. Das hat mir im Oktober einige schwierige Nächte beschert, als klar wurde, dass Ellie eine feste Sache wird, ohne das ich mir eine Zukunft in England wünsche.
Natürlich haben diese Umstände auch ihr Gutes. Zum Beispiel tanzt und trällert Ellie auch gern; in der Tat kennen wir uns vom Chor und Tanzkurs.

Nun ist so eine Beziehung der endgültige Todesstoß für meine Zeitplanung, aber zu meinem eigenen Gefallen war ich nichtdestotrotz ziemlich aktiv und habe einige Pläne umgesetzt. Einmal habe ich endlich Kalina wieder besucht. Diesmal hatten wir auch Zeit, tanzen zu gehen und am nächsten Tag ein neues Stück von Southampton anzusehen.
Am Samstag darauf habe ich dann den Herbstspaziergang gemacht, auf den ich so lange Lust gehabt hatte, seitdem die Bäume vor dem Büro gelb geworden waren und mir Heimweh bereiten hatten. Zu meiner Freude (besonders im Vergleich zum Vorjahr) schloss sich eine ganze Autoladung an, Mathieu mit Auto, Ellie, Theresa und Mitbewohnerin. Gelaufen sind wir von Stanstead Hause (was Mathieu und ich im Mai mit dem Rad besucht hatten) durch den Gutswald zum Dorf Rowlands Castle nordöstlich von Portsmouth. Das war aufgrund der Laufgewohnheiten der Nichtdeutschen kürzer, der Wald war noch nicht so gefärbt wie gedacht und es nieselt am Ende auch – aber wir sind rausgekommen, und zwar auf meine Initiative, das war ein gutes Gefühl. Als Bonus haben wir Maronen gefunden und abends geröstet.
Am nächsten Tag schloss ich mich einem Ausflug Mathieus nach Salisbury an, um den Kontakt mit ihm nach einigen Wochen wieder aufzufrischen. Er nahm seine Freundin und besuchende Freundinnen aus Southampton mit, wobei ich auch Kalina nochmal sehen konnte.
Zum anderen habe ich Ellie und Mathieu einen Kochabend vorgeschlagen, um auch in der Küche wieder etwas neues auszuprobieren. Dabei habe ich zum Beispiel zum ersten Mal erfolgreich Rotkohl gemacht, was mir seit dem ersten Studienjahr nie geglückt war.
Anfang November habe ich Ellie dann noch in die Römische Villa im Dorf Fishbourne nordöstlich von hier mitgenommen. Dort ich das erste Mal ganz am Anfang noch mit Monika gewesen.

Einige Einzelinformationen, nach denen ich regelmäßig gefragt werde. Mathieu ist vermutlich Mitte 30, aber ich habe ihn nie gefragt. Er kommt aus Annecy südlich von Genf, wohnt in Portsmouth seit November 2012 und hat vorher in Singapur gelebt. Er arbeitet als Ingenieur in einer ehemals staatlichen Firma, die Hubschrauberteile fürs Militär herstellt.
Ich habe zwei Mitfahrgelegenheiten zur Arbeit. Beide wohnen auf der Isle of Wight und kommen jede Morgen mit dem Tragflächenboot aufs Festland. Am Landepunkt ist ein Parkplatz mit ihren Autos, dort steige ich zu. Die Fahrt dauert ohne Stau 20 Minuten.

Guy Fawks Nacht verlief ohne besondere Vorkommnisse und Halloween konnte ich komplett ignorieren. Dafür wird in England am 11. November der Waffenstillstand des 1. Weltkriegs begangen. Auf der Arbeit wurden dafür die landesweiten zwei Schweigeminuten eingelegt (aber einfach still am Computer weitergearbeitet).
Halloween dagegen bin ich entkommen. Nur einer unserer unregelmäßigen Tangoabende war thematisch daran angelehnt, wo mich ein schönes Foto zeigt mich. Man hatte sich so große Mühe mit der Halloweendekoration gegeben, dass sogar ich es richtig gemütlich fand. Genau gesagt hat es mich an den Tanzabend in Lodz 2009 erinnert, an dem ich zum ersten mal Tango live sah und entschied, dass ich das irgendwann auch lernen muss. Der nächste Tangoabend ist Anfang Dezember mit Weihnachtsthematik. Und seitdem es bei Arbeitsschluss schummrig wird und ich den gewünschten Adventskalender dort stehen habe, komme ich langsam in Weihnachtsstimmung. Mit Theresa werde ich einen deutschen Adventsabend veranstalten, denn Weihnachten ist wichtig. Schließlich waren wir wie alle Auslandsdeutschen einer Meinung, dass eigentlich nur wir das richtig können. (Was ich wieder über englische Traditionen in der Praxis erfahren habe, ist ein Sakrileg). Nicht zuletzt singt der Chor bald beim jährlichen Adventsgottesdienst der Uni, und ich spiele auf dem Weihnachtsmarkt mit.
Dann fand die halbjährliche große Salsaparty im und auf dem Spinnaker Turm am Hafen statt. Für mich war es nach anderthalb Jahren hier trotzdem das erste Mal, dass ich oben gewesen bin. Bisher hatte ich stets gedacht, dass Portsmouth nicht interessant genug wäre, um für einen Blick von oben Geld zu bezahlen. Aber das Panaroma bei Dunkelheit hat mich sehr überrascht. Besonders die Schiffe im Hafen von oben ziehen zu sehen hat mir gefallen. Vor allem aber ist im ersten Stock auf 100m Höhe Glasplatte im Boden eingelassen. Die Werbung fragt„traust Du Dich auf Luft zu gehen?“ – beim zweiten Versuch habe ich den Mut zum Raufgehen gefunden.
Nebenbei gesagt gibt es für jenen Hafen aber schlechte Nachrichten: der Werftbetreiber macht den Schiffneubau zu, nur Reparaturen werden noch angeboten. Das wird die Stadt neben Steuern eine Menge der wertvollsten Einwohner kosten.


Nachtrag: mein Willkommen für Daria & Marta

Haus Stansted

Hallo Ellie

v.l.n.r. Mathieu, Ellie, ich, Theresa, Laia

Mathieu ist zu Recht schockiert - zwei Deutsche wie aus dem Bilderbuch.



Etwas später am Meer. Ebbe bringt keinem was.