Sonntag, 13. Januar 2019

Musik und Wissenschaft

Gestern abend war ich beim öffentlichen Singen von Brahms Deutschem Requiem. Das heißt, einer der großen Chöre der Stadt stellt seinen Dirigenten und einen Pianisten in eine Kirche hier in Southsea und jeder kann mitsingen. Zwei Stunden Probe, dann einmal durchsingen. Ellie erzählt regelmäßig die Geschichte, wie sie das Stück dazu brachte dem hiesigen Chor beizutreten. Und auch ich bin darüber das erste Mal in einen Chor eingetreten: 2012 habe ich Freunde im Universitätschor York zum Konzert singen gehört und bin anschließend dem Chor beigetreten. Viel gemerkt hatte ich mir damals vom Stück wenig und selbst gesungen hatte ich es aber noch nie. Wie sich rausstellte, lässt es sich ganz gut vom Blatt ablesen. Mir hat es gut getan, den Abend unter vielen Leuten zu verbringen.

Ich habe noch etwas anderes musikalischen erfahren: als wir im Dezember beim lokalen Fussball waren, wurde vor dem Spiel eine folkloristische Melodie gespielt. Jetzt weiß ich: das war keine Seemannsweise von der Werft, sondern ein Stück namens "Portsmouth" von Mike Oldfield. Der gleiche Mike Oldfield, den ich bisher nur von der Schnulze Moonlight Shadow (1983) kannte. Interessant: Ellie hatte davon noch nie gehört, dafür ist Mike Oldfield für sie ein Held der Folkbewegung und besonders bekannt für seine Weihnachtslieder aus den 1970ern.

Unser Management hat mir endlich grünes Licht gegeben beim diesjährigen Pint of Science Festival mitzumachen. Das ist ein dreitägiges Festival, in vielen Städten in vielen Länder, wo abends in Kneipen zwanglose Vorträge über wissenschaftliche Themen gehalten werden. Mich hat das seit Jahren begeistert, nicht zuletzt weil fast alle Zweige heutzutage Datenanalyse betreiben. Letztes Jahr zum Beispiel habe ich mir von einem Sprecher ein Satz Bodenradardaten geben lassen und darauf grafisch die Grundrisse einer römischen Villa aus der Umgebung dargestellt. Ich hatte schon immer gesagt, dass mein Amt eine interessante Geschichte über die Entwicklung moderner Statistik zu erzählen haben und so einen Abend organisierten sollten. Jetzt also wurde ich erhört und muss zeigen, dass ich den Mund nicht zu voll genommen habe. Ich bin allgemein sehr zufrieden mit meiner derzeitigen Arbeit. Ich bin stark eingespannt, aber vor allem mit Projekten, die mir großen Spaß machen. Ich programmiere nicht nur viel, sondern darf auch andere über mein Programmieren belehren, neue Systeme bauen und eigene Projekte führe und zeigen, dass ich schon immer wusste, wie wir alles besser machen können.

In York lernte ich ein paar Franzosen kennen, die Physik und Musik studierten. Hat mich damals als sehr vernünftige Kombination beeindruckt. Ich überlege, mir ein Mikroskop zuzulegen.

Dienstag, 8. Januar 2019

Mottisfont

Für meinen Geschmack hatten wir über die Weihnachtspause zu wenig gemacht. Ich hatte zu wenig Bewegung und Gesellschaft gehabt. Am Ende war ich richtig froh, wieder zur Arbeit zu gehen. Darum habe ich beschlossen: das nächste Wochenende mache ich endlich mal wieder einen Ausflug, mit viel Zeit und wenn nötig allein. Ellie hatte darauf im Winter wie erwartet keine Lust, jedenfalls nicht wenn man dafür früher aufstehen musste. Das war mir eigentlich ganz recht, einen Tag ganz nach meinem Geschmack zu gestalten.

Mein Ziel war das Herrenhaus Mottisfont, nordöstlich von Southampton. Gegründet worden war es als Augustinerpriorat, heute im Besitz des National Trust. Ich hatte das im Blick gehabt, seitdem ich mehrmals im Zug daran vorbeigefahren bin. Die Region hat mir schon immer sehr gefallen; sie ist sehr grün und leicht hügelig, umfasst unter anderem Salisbury und Stonehenge, und die Idee eines alten Klosters mit Rosengarten dort hatte mir schon immer gefallen. Auf der Autofahrt dorthin bin ich gleich an mehreren weiteren vielversprechenden Schildern zu Gärten und Häusern vorbeigekommen und werde sicherlich noch mehr erkunden.

Mottisfont also liegt direkt am wunderschönen kleinen Fluss Test. Der Kalkboden produziert sehr klares Wasser, auf dem Gelände bricht eine Quelle direkt aus dem Boden und läuft in einem Wasserspiel in den Flusslauf. Mir wurde gesagt, dass Angellizenzen tausende Pfund pro Tag kosten - daher darf man wohl auch nicht Boot fahren. Sehr schade, genau den Gedanken hatten ich immer gehabt.

Das Priorat wurde im 12. Jahrhundert von einem schlimmen Steuereintreiber gegründet, später Sherrif von Nottinghamshire und möglicherweise der bewusste Sheriff von Nottingham selbst war. Mit zunehmendem Alter hat er sich wohl Sorgen um sein Seelenheil gemacht; praktischerweise war da genug Steuergeld an seinen Fingern kleben geblieben um drei Klöster zu gründen. Mottisfont war von der Pest aber fast zerstört worden und als Heinrich VIII. es auflöste, war es ohnehin praktisch leer. Es war dann bis ins früher 20. Jahrhundert Sitz mehrerer Familien, bevor es ein reicher Banker kaufte, dessen Sohn es dann in den 1950ern dem Trust übergab.

Das habe ich alles auf einer Führung gelernt. Das Haus selbst ist ziemlich klein und momentan noch im Weihnachtsdekor. Im Erdgeschoss wurde die Nacht vor Weihnachten dargestellt, wo in englischen Häusern alles schläft und von den Betten bereits riesige, gefüllte Geschenkstrümpfe hängen. Eigentlich kitschig, aber mir hat das gefallen. Normalerweise sieht man natürlich die Innerneinrichtung. Im Keller war noch einige mittelalterliche Bausubstanz zu sehen.
Dann bin ich das Gelände abgelaufen, am Fluss entlang, über ein Feld und zwischen einigen Bäumen hindurch die wohl als Wald gelten. Der große Garten hatte sich leider noch keine Pflanze aus dem Boden gewagt. Aber jetzt wo ich alles einmal abgelaufen habe kann ich zur Blütezeit mit Ellie wiederkommen.