Montag, 30. Juni 2014

AktivKollektiv

Ein Teil von mir hatte nicht mehr ganz daran geglaubt, aber nach dem Ende aller Kunst habe ich es tatsächlich geschafft, meinen Freunden und dem Wetter mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. An erster Stelle stand dabei Mathieu, mit dem ich gleich eine Radtour nach der Arbeit verabredete. Die führte uns entlang des Kanals der Mühle in Titchfield zum Vogelreservat am Meer, wo wir ein wunderbares Abendpicknick hielten, keine Wolke am Himmel und das Wasser voller Segel. Vor langer Zeit hatte ich diese Route die schönste in der Region genannt, inzwischen war ich fast zwei Jahre nicht mehr dort gewesen. Wir mir erst klar wurde - bald darauf jährte sich mein kleiner Ausflug hier zum zweiten Mal.
Einige Tage darauf ging ich mit meiner Gesangslehrerin wandern. Ich klage ihr regelmäßig mein Leid, dass es hier kein Grün gibt. Daraufhin lud sie mich auf einen Ausflug ein, denn sie und ihr Mann gehen regelmäßig ernsthaft laufen. Wie ernsthaft, wusste ich erst, nachdem ich gute fünf Stunden bei Bignor nördlich von Chichester durch Wald und Feld gestiefelt war.

Am meisten passiert aber lokal: im Sommer ist Portsmouth wieder der beste Ort der Welt. 

Praktisch jeden Abend liege ich wortwörtlich in den Rosen - die Sonne scheint bis 22 Uhr. Und dann liege ich am Strand, nach einer Runde Schwimmen. Das Schmetterlingshaus am Naturhistorischen Museum ist endlich bewohnt und die diversen Gärten drumherum stehen im Zenit ihrer Pracht - schon welken die ersten Blüten. Ein, zwei Mal wurde die Tanzstunde am Donnerstagabend wieder am Meer abgehalten.
Aber vor allem laufen seit Anfang Juni wieder jeden Sonntag die gratis Nachmittagskonzerte am Meer. Zum ersten, mit einer Sinatra Tribute Band, war ich mit Ellie und konnte sie sogar zu etwas Tanzen überreden. 

Dementsprechend kamen zum Höhepunkt der Monats Mathieus und inzwischen meine Freunde in die Stadt. Zuletzt waren wir in Weymouth gewesen. Zusammen gingen wir schwimmen, sonnten uns am Strand und grillten im Park am Bootsteich. Am ersten Abend besuchten wir eine Lesung im Rahmen des derzeitigen Kulturfestivals, fanden das aber so schlimm, dass wir den Abend lieber mit einem Bier im Fischereihafen beendeten. Am Sonntag kam auch noch Kalina dazu, denn nach einem wunderbaren Frühstück in Mathieus Garten ging es zur Salsaausgabe der Sonntagskonzerte. So gut und schweißtreibend wie im letzten Jahr - insgesamt vertrank ich vier Liter Wasser. Ganz zum Schluss machten wir noch einen Abendausflug in den Neuwald, wo wir ein letztes Picknick am uns bekannten Bach aßen, dessen Wiesen in den Wochen seit unserem letzten Besuch endlich getrocknet sind.


Erwähntes Kulturfestival ist im Ganzen aber eine tolle Veranstaltung. Einige der besten Sachen habe ich zwar aufgrund des zwischenzeitlichen Ausflugs nach Canterbury verpasst. Mit Ellie konnte ich aber noch eine Vorlesung über Exobiologie hören und nach unserer Rückkehr eins der immer willkommenen guten Theaterstücke besuchen. Letzteres fand in einem der historischen Wehrtürme am Hafen statt und behandelte die Beziehung Königin Elisabeths I mit dem Entdecker Walter Raleigh, verpackt in Unterhaltungen über von letzterem eingeführten Tabak. Das ganze war scharfzüngig und poetisch, und der Autor selbst auch dabei. John Agard war mir nicht bekannt, gehört aber offensichtlich zur Avantgard der englischsprachigen Literatur und wird an Schulen gelesen.

Zu Hause wird es etwas geselliger. Die Sommerbulgaren sind in Gestalt eines jungen Pärchens erschienen, von der gleichen Uni und für das gleiche Praktikum wie die letzten. Eine langfristige englische Mitbewohnerin wurde von meiner bis vor kurzem einzig verbliebenen Mitbewohnerin Gus organisiert, und später füllt sie wohl auch das letzte Zimmer mit Bekannten.

Die WM habe ich bisher größtenteils verpasst. Nur zwei Spiele habe ich voll gesehen, da es bei dem derzeitigen Wetter abends nicht nahe liegt, vom Strand in eine Kneipe oder nach Hause zu gehen. Neues von eigenen Auftritten: die zusätzliche Tangoshow Ende September ist zu meiner Freude bestätigt. Auch wenn das wohl wieder einige Proben bedeutet.

Lange nicht mehr dagewesen: das Wasservogelreservat am Meer südlich von Titchfield.


Nachtrag: die Wasserskifahrer in den renaturierten Befestigungen im Norden Portsmouth.

Dieses Wasser trennt Portsmouth (rechts) vom Festland (links).

Ein Stück Natur in Portsmouth. Nur führt direkt links vom Bild die Autobahn lang.

Ein Stück der alten Befestigungen.

Durch diesen Durchbruch der alten Mauern fährt jeden Morgen mein Zug zur Arbeit.

Nachtrag: Blumen für unsere Tangosängerin.
Sonntagmittag nach dem Schwimmen im Rosengarten.
Meine abendliche Perspektive, wenn ich mit einem Buch zwischen den Rosenbeeten liege.

Mathieu und seine Freunde.

Frühstück in Mathieus Garten.

Zwei Portugiesinnen abends im Hafen.

Die besten Tänzerinnen der Stadt haben ihr Handwerk in Polen gelernt. Genau wie ich.

Eins der Tangomädchen kam auch zum Salsakonzert - wir haben auch das geschafft.

Europäisches Picknick im New Forest.

Mittwoch, 11. Juni 2014

Sommerferien

Seit dem 8. Juni ist wirklich und versprochen Schluss mit Auftritten jedweder Art, ob Chor oder Tango, alle Proben sind vorbei. Man hat die Wochenenden wieder, den Sommer frei - unvermittelt denkt man an Sommerferien.

Singen 1
Das letzte Mal gesungen haben wir anlässlich der Eröffnung des neuen Fakultätsgebäudes für alles Kreative wie Architektur, Film und Computeranimation. Der Chor mischte sich dazu beim Empfang in unverfänglicher Kleidung unter die Damen und Herren Offiziellen und geladenen Gäste und begann auf Signal zu singen. Signal war eine gespielte Eifersuchtsszene auf der großen Treppe. Dahin schlenderten wir dann nacheinander singend und gaben einige spaßige Lieder zum Besten. Wie ich erst dort erfuhr, war das nur der Anfang einer ganzen Reihe Auftritte verschiedener Gruppen. Vor allem aber wurde das ganze Gebäude aufgemacht und alle Fakultäten stellten Abschlussarbeiten vor. Mich hat vor allem die Kunstgallerie begeistert, die von Größe und Qualität locker das wenige Normalangebot vor Ort in den Schatten stellt. Bezeichnenderweise stand dort auch ein Grabstein, für das bald eingestellte Studium der feinen Künste, dessen Produkte man hier so stolz zeigte. Nach einer Woche geht alles nach London, dann ist wohl Schluss.

Ausflug 1
Und nun beginnt leider die lange Durststrecke...kein Chor bis September. Gesangsstunden sind schön und gut, aber nicht der gleiche Spaß. Natürlich hat es auch sein gutes, nicht zuletzt habe ich merklich mehr Zeit und komme plötzlich wieder dazu, Sachen zu machen und Pläne zu schmieden. Am Folgetag, Sonnabend, habe ich mit Mathieu und zwei seiner Freunde zum Bespiel einen schnellen Radausflug in den Neuwald gemacht. Wir sind an den gleichen Bach wie beim letzten Mal gefahren, dessen Wiesen immer noch ziemlich feucht waren. Mir hat das aber richtig Spaß gemacht, durch den Modder zu fahren und abseits der Wege Pfade durch den Wald zu suchen.

Tango 4
Den Abend konnte ich aber nicht mehr mit ihnen verbringen, denn am nächsten Tag war der vorletzte Tangoauftritt, diesmal in Winchester. Das wurde der bis dahin beste und entspannteste, jeder kannte den Ablauf jetzt gut genug und wusste instinktiv, dass es gut gelaufen war. Dann kann man sich auf die Show konzentrieren, die Spannung auf der Bühne und das Tanzen richtig genießen. Und jedes Mal baut man seine Rolle nach etwas aus, hat eine neue Idee - jetzt denke ich fast, hätten wir doch noch ein paar Auftritte mehr. Aber nur noch einmal, in London. Unser Lehrer hat übrigens hier einen Zusammenschnitt unserer Show in Portsmouth veröffentlich. Wir waren alle überrascht - sieht besser aus, als es sich anfühlte. Wer sieht mich an meiner Bar?

https://www.youtube.com/watch?v=ej_nXSQo4UE

D-Day
Als ich vor einer Woche ins D-Day Museum gegangen war, hatte ich gar nicht an den nahenden 70. Jahrestag gedacht. Nachdem ich dort erfahren hatte, wie wichtig Portsmouth in der Operation war, überraschte es mich dann aber auch weniger, wie viel hier lokal veranstaltet wurde. Einige der Bilder, die ihr gesehen habt, kamen direkt aus Portsmouth. Die große Feierei ging am 5. Juni los, mit Paraden und königlichen Hoheiten in Uniform am Meer, und vielen der immer weniger werdenden Veteranen, von denen einige im Anschluss in die Normandie übersetzten. Die Marineinfanterie stellte eine Landung nach und befreite die Strandpizzeria. Das habe ich natürlich nur auf Pressefotos gesehen, denn es war Arbeitstag. Der Höhepunkt war allerdings auch von meinem 10 Kilometer entfernten Büro zu sehen: die Kunstfliegerstaffel der RAF, die Roten Pfeile, zogen über die Hügel des Binnenlands auf Portsmouth zu und veranstalten eine grandiose Show im wolkenlosen blauen Himmel über der Meerenge zwischen Stadt und Isle of Wight. Alle standen an den Fenstern im dritten Stock und staunten, wie sie ihre enge Formation auch in bei schärfsten Manövern hielten. Die lokale Komponente gab dann auch dem alten Film "Der längste Tag" eine andere Note, den ich mit Mathieu am Freitagabend auf der großen Wiese am Meer sah. Als Deutscher ist mir die öffentliche Darstellung von Militär eher gewöhnungsbedürftig, aber als die Menschen einen vorbeikommenden Veteranen applaudierten, fand ich das gut.
Ebenso weiß ich nicht, wie angebracht eine Art Festwiese mit Fressständen ist. Aber ohne Zweifel war der folgende Abend schön, als neben Mathieu einige Tangoleute zu einem Konzert auf selbiger Wiese kamen. Mit einem unserer Mädchen habe ich getanzt, die Menschen ums uns herum applaudierten.

Video: Kunstflieger in Portsmouth
Bilder:  http://www.bbc.co.uk/news/uk-27700479
http://www.bbc.co.uk/news/uk-27717257


Tango 5 Tags darauf ging es schließlich nach London, zu unserer letzten Show. Die beste, wie sich herausstellte, auf der winzigsten Bühne, mit dem freundlichsten Publikum, am Leiceste Square. Zur Feier des Tages wurde an meiner Bar diesmal echter Wein ausgeschenkt. Dabei war die Anfang stressig, es blieb kaum Zeit zum Proben, aber schließlich kannten wir alle unsere Aufgaben gut genug, dass es wie von selbst lief, jeder war in Position wann er musste, ein schönes Gefühl ist das, wenn alles scheinbar läuft wie ein Uhrwerk. Auch ich brachte wohl meine beste Leistung. Nun bedauern wir eben alle, dass es keine weiteren Auftritte mehr geben soll. Da kam tags die Nachricht, vielleicht gibt es doch noch einen, Ende September in September, zu einem städtischen Tanzfestival.

Ausflug 2
Die eingangs erwähnte Zeit habe ich nach der letzten Tangoprobe genutzt, ein noch unbekanntes Stück Portsmouth zu erkunden. Die nördliche Grenze zwischen Insel Portsmouth und Festland wurde im 18. Jahrhundert befestigt, nach der Aufgabe der Forts wurde das zu einem Grüngelände, welches ich täglich vom Zug aus sehe. Das interessierte mich einerseits, weil es hier ja kaum Parks gibt. Andererseits haben alte Backsteinanlagen auf mich ohnehin ihren Reiz. Entlang dieser Wassergräben bin ich einen Abend langgefahren, allein, wie in alten Zeiten. Als erstes fand ich einen Wasserskiclub, der sich in einem ungenutzten Graben Rampen für seinen Sport gesetzt hat. Weiter östlich wird das Gelände richtig waldartig und obwohl direkt nebenan Schnellstraße und Autobahn verlaufen, ist einiges an Vogelleben vorhanden, die in Schilf und Wasser ihre Runden ziehen.

Im übrigen werde ich nach der Wahl im Stadtrat jetzt offiziell von der UKIP vertreten werde.


Im Saunabus nach London. Und da hatte ich noch nichtmal Kostuem an. Vorn rechts unser Lehrer, Flavio.



Meine Requisiten sind mehr ans Herz gewachsen.
Buehnenaufbau in London. Ich richte meine Bar ein.

In der Pause hinter der Buehen - alle bereit fuer die naechste Nummer.
Auf dem Weg nach Hause nach dem letzten Auftritt.

Die juengeren von uns gingen schliefen uebrigens als erste ein.
Man sieht noch meine Augenschminke.