Samstag, 26. März 2011

18.03.2011 - Semesterferien

Jetzt sind die Vorlesungen vorbei. Die letzten zwei Wochen des Semesters, und in der Tat des Studiums, haben mir schwer zugesetzt. Nicht in Form von Arbeit, dafür um so mehr meinem Selbstbewusstsein als jemand, der an eine Uni gehört. Der zweite, nach dem Desaster des ersten rein experimentelle, Essay ist eingereicht, wie auch ein völlig aus der Luft gegriffener Dissertationsvorschlag. Ein dritter Essay in Philosophie wartet. Noch nie hatte ein Semester so vielversprechend angefangen und so unheilsschwanger geendet. Und irgendwie weiß ich nichtmal, was falsch gelaufen ist. Ein ganzes Buch schon vor dem Semester gelesen, täglich 12 Stunden an der Uni, davon die meiste Zeit in der Bibliothek, ich kann nicht sagen, dass ich zuviel ins tanzen oder anderen Spaß investiert hätt. Und doch ist soviel liegen geblieben; und was noch schlimmer ist, alle anderen haben das wohl geschafft. Die Essays geschrieben, die Lektüre immer pünktlich fertig, durchdachte Antworten auf Fragen die ich nichtmal verstehe, eine klare Idee worüber sie ihre Abschlussarbeit schreiben wollen. Wenn ich so ineffektiv geworden bin, ist es wirklich Zeit die Uni zu verlassen. Nicht das ich inzwischen wüsste, welche Art Arbeit ich suchen möchte.


Jetzt ist aber erstmal etwas frei, bis von April bis Juni die Klausuren und danach die Abschlussarbeit kommt. Nachdem die letzte Abgabefrist geschafft war, wollte ich endlich jeden Tag lange in die Bibliothek gehen und alles lesen, was nicht geschafft wurde, oder was mich selbst interessiert (z.Z. das Buch „Die Ökonomie des Rechts“ - was ich in Warschau hätte studieren können), abends regulär schlafen, früh aufstehen, wieder lesen. Vielleicht will ich gar nicht studieren, jedenfalls nicht forschen, sondern nur eine Bibliothek zu meiner Verfügung.
Die ersten freien Tage jedoch sind zu meinem Frust komplett verloren gegangen. Neben einigen durchaus vertretbaren Gründen wie nächtliche Essayhilfe trug dazu bei, dass ich mich als einziger endlich um die seit Wochen rumliegenden Rechnungen zu Hause gekümmert habe. Meine Mitbewohner waren offenbar zu beschäftigt, ihre Haare und dabei auch gleich das Bad rot zu tönen. Jetzt ist das alles unter Kontrolle – zwei Wochen, bevor uns das Gas gesperrt worden wäre.


Nun ist es normal, dass die Produktivität schlagartig fällt, sobald man „endlich Zeit hat“ für all die liegengeblieben Dinge. Renter und Studenten in den Semesterferien haben nie Zeit. Jetzt sind aber die Rechnungen erledigt, das Tagebuch aufgefrischt, eine lange Nachholliste wird langsam kürzer, und während die Kommillitonen natürlich bereits die Klausuren vorbereiten, gebe ich mir doch noch einige Tage nur zum Lesen. Auch getanzt wird wieder etwas mehr. Neulich habe ich eine Stunde Tango genommen – die Lehrerin war Frau Ania aus Warschau. Solche Späße aber grundsätzlich nur abends nach Bibliotheksschluss. Nachmittags verlasse ich sie für je eine Stunde, um den Kreislauf nicht völlig einschlafen zu lassen. Dazu bietet das Osterwetter beste Gelegenheit. Die Stadtmauern sind mit Osterglocken bewachsen, und auch in die Felder südlich der Uni, jenseits der Autobahn, die die letzte Stadtgrenze bildet, kommt man mit dem Rad sehr schnell.

Chor
Am 16.03. trat ich mit dem Unichor im Münster auf, und was soll ich sagen, er hat seinem Ruf als extrem mittelmäßiger Hobbygesangsverein alle Ehre gemacht. Was wir auch in der finalen Aufführung für Fehler gemacht haben – ich frage mich, wie sie die Leute immer noch dazu bekommen, für uns Geld auszugeben. Dessen ungeachtet, es macht mir einen Heidenspaß im Münster so richtig loszulegen, vor allem wenn ich mit einem Bekannten in der letzten Reihe stehe, wo man von den Sängern vor uns erstaunlich wenig hört, und so nicht von den richtigen und falschen Einsätzen um einen herum abgelenkt wird. Jetzt ist aber erstmal Pause bis zum offiziellen Sommertrimesterbeginn, wenn wir Beethovens Neunte und, das hatte ich vergessen, Mozarts D-moll Messe angehen.

Dienstag, 8. März 2011

04.03.2011 - Februar und März

Mein diesjähriges Martinizza, eine bulgarische Frühlingstradition, aufzuhängen am ersten blühenden Baum.
Einen Monat habe ich nicht geschrieben, da ich mich wie unten geschildert wieder mehr in der Bibliothek war. Hier stehen jetzt mehr die gesammelten Notizen des letzten Monats als ein koherenter Bericht.

Nach dem Bibliothekskoller hat mich die Entspannungstherapie ins Gegenteils getrieben. Jetzt versuche ich das Spaßprogramm zusammen- oder besser ganz zu streichen und wieder mehr in die Bibliothek zu kommen. Meine Erkältung steht dem nicht weiter im Weg, denn sie sich als die kürzeste meines Lebens erwiesen, nach drei Tagen im Turbodurchgang war ich wieder gesund. Im Gegensatz dazu geht eine auffällig aggressive Grippewelle durch die Uni, sodass ich mich frage, ob ich nicht etwas anderes hatte und das noch auf mich zukommt.

Einen schlechteren Zeitpunkt dazu gäbe es nicht, denn seit drei Wochen stecke ich bis zum Hals in Arbeit. In der Makroökonomie hat die türkische Professorin übernommen und es geht in die Währungs- und Wechselkurstheorie, ein Thema von dem ich bisher fast unbeleckt bin. Dicke Lehrbücher und ellenlange Artikel für eine Präsentation mit einer mittelmäßigen Gruppe erwarten mich.
In einem Monat ist das Semester schon wieder zu Ende, das merkt man auch in der Bibliothek, die panischen Studenten besetzen wieder jeden Tisch und jedes Buch. Von meinem Überlegenheitsgefühl ist aber nichts geblieben seit gestern die erste Zensur kam: die über Weihnachten geschriebene Hausarbeit hat gerade so bestanden. Ein schwerer Schlag so kurz vor dem Ende des Studiums, wo in zwei Wochen eine Reihe Arbeiten abgegeben werden müssen, die auf dem gleichen Konzept aufgebaut sind. Obwohl ich schon vor dem Semester angefangen habe zu lesen, habe ich mir zuviel für das Ende aufgehoben. Die letzten zwei Wochen werden sehr arbeitsreich. Aber so sollte das Studium auch sein.

Chor
Entgegen dem, was ich einigen geschrieben habe, haben wir im Chor den Großteil von Händels Salomon bereits durchgearbeitet. So sehe ich doch, wie wir es bis zum Auftritt in einem Monat zu erträglicher Qualität bringen können. Dazu muss ich sagen, seitdem ich den Text kenne nervt mich dieses Stück zunehmend. So ein banaler Schmarrn – langsam verstehe ich, warum Musikstudenten sich mehr für Neue Musik als Barock interessieren. Wenn ich mir Beethovens Neunte mal so ansehe, ist der Text des Folgestücks intellektuell auch nicht sehr anspruchvoll.

Nun, inzwischen ist die Aufführung schon nächsten Mittwoch. Nachmittags Generalprobe, abends Auftritt. Und am nächsten Tag Abgabefrist für den den nächsten Essay.

Demokratie
Dann war Revolution in Ägypten, zur großen Freude meiner arabischen Kommilitonen, die zu spontanen Feiern luden und sich die Nächte um den Kopf schlagen, um im Internet weitere Umstürze zu fördern.
Auch an der Uni wird bei erneuten Wahlen Demokratie geprobt. Das scheint hier häufig zu geschehen, alle paar Wochen sind Wände mit hausgemachten Plakaten überklebt, letzten werden einem sogar plötzlich Broschüren auf den Mittagstisch gelegt. Diesmal geht es um den Studentenrat und ich bin immer wieder überrascht welche Bedeutung junge Studenten diesen Dingen beimessen. Soviel Energie und Versprechungen für Positionen, die größtenteils symbolisch sind. Ich sage, wer neben dem Studium soviel Zeit übrig hat, braucht nicht gegen höhere Gebühren protestieren. Sollen sie sich reinhängen, sind sie in der halben Zeit fertig, bezahlen nicht mehr und ein paar Bäume werden auch gespart.

Spaß
Gefeiert wird weiterhin regelmäßig. Es gab einen Karaokeabends mit spontaner Tanzeinlage der Azerbaidjanischen Jungs, vom Stil eher wie man sich Russen vorstellt. Als sich dann die ohnehin bewegungsprofessionellen Mädchen aus Kazachstan dazu gesellten war die allgemeine Freude groß und lautstark. Am nächsten Tag führte ich mit meiner hiesigen Lieblingsspanierin Sonia eine Fallstudie zum Thema durch, warum Briten am Wochenende so hoffnungslos betrunken sind. Das liegt daran, dass sie schon ab mittags in den Pubs anfangen. Das fanden wir raus, als wir uns zufällig zur selben Zeit in den selben Lokalitäten befanden. Im Übrigen ein offenbar traditioneller Zeitvertreib, ältere und gut situierte Pärchen kehren auf einem Spaziergang kurz in die Kneipe ein, trinken ein Bier vor dem Mittag und gehen weiter. Ihre Kinder und Enkel limitieren sich weniger.

Einige Abschiedsfeiern geben mir einen Vorgeschmack, was mir selbst in ca. einem halben Jahr wieder bevorsteht. Am 17.2. haben wir Diana (einigen bekannt vom winterlichen Foto mit meiner russischen Mütze) die letzten Riten erteilt, die am Folgetag nach einem Jahr zurück nach Mexiko flog. Zum Glück ist sie von froher Nationalität und der Abend war eine angenehme Mischung aus etwas Salsa und einem zivilisierten Pub. Das gleiche geschah für den Spanier Miguel, Bulgaren und Iraner haben Geburtstag und mit den Kazachen vergnügt man sich auf Kulturveranstaltungen und internationalen Trinkgelagen.