Samstag, 17. November 2018

Sternstunde

Heute abend sind wir ein zweites Mal zur Sternwarte in Clanfield gefahren. Das erste Mal waren wir dort zu einem offenen Abend vor zwei Jahren gewesen. Damals konnten wir wegen Bewölkung die großen Teleskope dort nicht benutzen und bekamen Karten, bei klarem Himmel nochmal zurückzukommen. Diesmal war es klar und kalt, und sobald wir aus dem Auto stiegen, sahen wir die Sternbilder am dunklen Himmel. Durch die drei Teleskope vor Ort sahen wir zuerst den Mond, dann den Mars und einen Sternhaufen, und im größten ganz beeindruckende Bilder eines Doppelsterns und eines erkalteten Stern, der seine Hülle gerade abstößt. Interessanterweise sahen selbst die Planeten nicht viel größer als in meinem kleinen Teleskop aus. Aber am meisten hat uns beide die Erfahrung unter dem dunklen Sternenhimmel auf dem Land beeindruckt. Der Blick über die Erdwälle der Sternwarte brachte in mir sofort Vorstellungen von Stonehenge in der Eisenzeit auf.

Wanderlust

Letztes Wochenende habe ich eine schöne Wanderung gemacht. Papa hatte vor seinem vorletzten Besuch in einer Dokumentation von einem besonders guten Burger-Imbisswagen auf Portsdown Hill gehört, dem Hügel direkt nördlich von Portsmouth. Da sind wir einmal mit dem Bus zum Aussichtspunkt dort gefahren, wo so ein Wagen steht. Die Aussicht fanden wir toll, Burger ganz normal. Aber ich habe mir gemerkt, dass die Busfahrt ziemlich angenehm und schnell war, und dass vom Hügel viele Wanderwege in die Ebene im Norden führen, wo alles grün und ländlich ist. Letztens habe ich dann gehört, dass es noch einen zweiten Burgerwagen gibt, etwas weiter auf einem kleineren Parkplatz, und das wäre besonders gut. Also bin ich nochmal da hoch, den Grad entlanggelaufen, an einer der alten Festungen vorbei, habe diesen Wagen gefunden und der macht tatsächlich tolle Burger. Von dort bin ich runter in die Ebene, wo es verschiedenste Wanderwege gibt, aber ich wusste nicht genau, wie lange man läuft. War mir auch egal, denn man läuft über Landstraßen und besonders schöne Buchenwälder, wo momentan Laubdach und Boden aus roten und gelben Blättern bestehen. Letztendlich bin ich bis ganz ins Dorf Southwick gekommen, wo Papa und ich bei seinem letzten Besuch gewesen waren. Das ist erstens hübsch und war zweitens im Krieg Hauptquartier der Landung in der Normandie. Das kann man bis heute besichtigen, aber nur wenn einen das Verteidigungsministerium lässt, denn die haben das Gelände nie aufgegeben. Außerdem habe ich gelernt, dass in der ehemaligen Abtei, von der jetzt nur noch eine Mauer steht, Margarete von Anjou lag, als sie auf der Reise zur Hochzeit mit König Heinrich VI. von England an den Pocken erkrankte. Und die Hochzeit fand dann 1445 in der Abtei Titchfield statt - praktisch direkt neben meinem Büro. Beides wusste selbst Ellie noch nicht. Und wenn ich dem Wirt glauben kann, fahre ich jeden Morgen über eine kleine Brücke, die damals für diese Hochzeit gebaut worden war. Die führt in der Tat direkt auf die Abtei zu.
Auf dem anschließenden Rückweg zur nächsten Bushaltestelle bin ich ordentlich nass geworden. Das war es mir wert, ist aber vielleicht der Grund, warum ich momentan vielleicht krank werde. Mein Körper kann sich seit einer Woche nicht entscheiden.

Arbeit
Dafür hat mir die Arbeit die ganze Woche lang richtig Spaß gemacht. Ich führe zur Zeit zwei Projekte mehr oder weniger alleine durch, werde größtenteils in Ruhe gelassen, und kann vor allem ganz viel programmieren. Das ist das allerbeste - und ich lerne etwas dabei. Meine "Lehre", um die ich mich seit Januar bemühe, habe ich fürs erste auf Eis gelegt, da ich keinerlei Vertrauen mehr in den Anbieter habe. Vor kurzem bekam ich Erlaubnis (und Geld), im nächsten Jahr in Intensivkursen bei uns im Büro drei Module aus dem Aufbaustudium zu machen, aus dem ich schon 2017 ausgetreten war. Darum habe ich gesagt, dass ich die Lehre, sollte sie jemals wirklich stattfinden, erst im nächsten Juli beginne.

Musik
Ich habe dieses Semester noch gar nicht die Musik erwähnt, die wir im Chor singen. Wahrscheinlich, weil es eine Zusammenstellung von kurzen Liedern ist, und das Konzert eine kleine Veranstaltung, gratis. Das Thema ist "Abend", dazu singen wir Stücke von Clara Schumann, Brahms, Bruckner und anderen. Das Hauptstück ist von einer interessanten französischen Komponistin des früher 20. Jahrhunderts, Lili Boulanger. Kannte ich nicht, ihr Abend auf der Ebene gefällt mir aber mit seinen merkwürdigen Dissonanzen.

Mittwoch, 7. November 2018

Ein bisschen Warnemünde

Montag war die jährliche Lagerfeuernacht, auch Guy Fawkes Nacht genannt. Das geht auf einen vereitelten Anschlag auf das Parlament und König 1604 zurück. Traditionell werden dabei Umzüge mit Fackeln gemacht und Strohbildnisse des Papstes verbrannt, wobei heutzutage zunehmend einfach Feuerwerk gemacht wird. Dafür wird ja Silvester praktisch nichts gemacht. Meistens geht das an mir vorbei, aber unversehens fuhr ich Montag abend noch kurz zum Strand und war unvermutet angetan vom Feuerwerk entlang des Wassers in Portsmouth und an Stränden über dem Wasser. Nebel und Rauch zog langsam unter den Laternen vorbei, eine große Gruppe Familien ließ ihre Kinder sicher Feuerwerk auf den Kieseln abbrennen. Mir war ganz gemütlich das alles allein im Dunkeln zu beobachten während hinter mir die Brandung rauschte. Ein bisschen wie Silvester in Warnemünde. Zu Hause habe ich noch etwas Feuerwerk aus dem Dachfenster geguckt.

Die letzten Wochen sind überhaupt viel gemütlich. Ich hatte viele Abende frei, konnte Musik machen. Unter anderem habe ich das Weihnachtsoratorium rausgeholt und studiere weitere Choräle ein.

Und apropos Rostock: auch auf der Arbeit macht es mir derzeit Spaß. Man lässt mich endlich mal programmieren. Und nebenbei arbeite ich wieder mit dem Max-Planck Institut Rostock.

Sonntag, 4. November 2018

Guildford

Heute haben wir die Stadt Guildford auf halben Weg nach London gesucht. Bisher kannte ich den Ort nur von der Durchfahrt oder von Tangoauftritten im dortigen Theater. Da hat er immer furchtbar ausgesehen, graue Nachkriegsarchitektur. Dann hat Ellie berichtet, dass sie mit Freundinnen richtig schöne Ecken gefunden hatte. Darum wollte ich mich auch mal umgucken. So habe ich herausgefunden, dass Guildford eine alte Stadt ist, vermutlich aus angelsächsischer Zeit, an der Furt des Flusses Wey. Der wiederum sah richtig schön aus und wurde schon im 17. Jahrhundert mit dem entstehenden Kanalsystem verbunden, was der Stadt Handelsreichtum brachte und heute eine super Ausgangslage für Bootsausflüge. Fürs Kajak im Frühling vorgemerkt. Überhaupt liegt der Ort, und die gesamte Anfahrt, in sehr schöner Gegen, mit den bewaldeten Hügeln und Tälern der North Downs - wohl dem Gegenstück der South Downs, in denen ich mich hier lokal gerne verlustiere.
Jedenfalls haben wir eine alte Burg Wilhelms des Eroberers gefunden, in dessen Nähe sich der Autor von Alice im Wunderland eine tödliche Erkältung zugezogen hat. Daneben verläuft die alte Hauptstraße, mit vielen alten Häusern, von der Tudorzeit an. Das "Guild" in "Guildford" kommt von "Gilde" im Sinne von Zunft, und in der Mitte der Straße steht die alte Zunfthalle mit allerlei Gepränge. Gegenüber liegt der alte Kornmarkt unter dorischen Säulen, denn obwohl Guildford Marktstadt war, hatte es nie einen Marktplatz. Weiter oben folgt das "schönste Armenhaus des Landes", in Palastform, wo noch heute Menschen mit "bescheidenen Mitteln" leben dürfen. Und wenn man sich dort oben zum Fluss umdreht sieht man, wie direkt gegenüber eine Straße den Hügel wieder raufgeht. Bis heute sieht man den Ursprung des Ortes als Handelplatz an einer Furt. Der Rest der Straße und historischen Häuser sind von Geschäften geprägt, die Ellie damals begeistert hatten und wo auch wir jetzt den Tag großteils verbrachten. Die Hauptstraße ist also schön, und viele schmale Seitengassen auch. Aber ein paar Schritte weiter geht die Misere los, die ich bis dahin immer gesehen hatte. Guildford wurde nicht besonders stark bombardiert. Wir vermuten, dass es im Boom der Nachkriegszeit ganz schnell für Pendler nach London ausgebaut wurde.