Nach dem letzten absichtlich positiv gehaltenen Wohlfühleintrag trudeln jetzt die ersten Zensuren ein. Die erste Prüfung in Entwicklungökonomie ist zwar im Mittelfeld gelandet, aber weit unter den Hoffnungen – und das war die Prüfung, die zu einfach schien. Ähnliches gilt für den letzten Essay, in Philosophie – Essays sind im allgemeinen einfacher als Klausuren. Was also soll ich von den wirklich wichtigen Prüfungen erwarten? Langsam nervt mich der Eindruck der Zufälligkeit hier; in den Worten einer deutschen Doktorantin „guckt man mal, wo der Pfeil am Ende landet“. Andererseits kann ich jetzt nur hoffen, dass mich die Erwartungen der übrigen Ergebnissen massiv täuschen.
Ich erwähnte, dass sich Klausuren seit den ersten Semester in Magdeburg nicht mehr so schlecht angefühlt haben. Ähnlich ist es mit an manchen Tagen mit der Stimmung: Angst füllt mich im Moment, Angst vor den Ergebnissen, Angst vor der Abschlussarbeit, Angst vor der Arbeitssuche, allgemeine Versagensangst. Das das mal mein Problem an der Uni wird...Angst auch, was mir dieser Abschluss später bringen soll. Dabei ist es ironisch: vor kurzem viel mir ein: ich hatte diese Studien damals doch nicht ganz ziellos gewählt. Wie man jetzt so gerne sagt wollte ich Fähigkeiten erwerben und nicht nur Wissen. Ironischerweise stehe ich jetzt offenbar mit sehr wenig von beidem da.
Qui tollis
Freitag morgen ist die englische Emily ausgezogen. Zwar unter Zurücklassung eines verwüsteten Wohnzimmers und tagelang nicht abgewaschenen Geschirrs (aber praktischerweise auch solchen Dingen wie dem Rührgerät), weil sie trotz einer Woche Vorbereitung am Ende fast ihren Zug verpasst hätte. Aber trotzdem war sie mit Abstand konstruktivste Mitbewohnerin. Immer hilfsbereit und hat ihre Rechnungen sogar im Voraus bezahlt. Ihre französische Namensschwester kann dagegen Ende Juni gern verschwinden, die lässt jetzt durchblicken, dass sie ihre Rechnungen vermutlich nicht bezahlen kann. Das trifft vor allem Ella, die fürs Internet bezahlt. Selber schuld, ohne mich hätte sie das vermutlich niemals verlangt. Das Problem ist, ohne ihr Geld kriege ich vermutlich meins nicht von ihr zurück. Überlebe ich zwar. Aber ich habe bei Wohngemeinschaften immer gesagt man arrangiert sich mit jedem; und auch wenn ich Mitbewohnern immer als Mittel zum Zweck betrachte, habe ich mich nie auf jemandes Auszug gefreut – Emilie hats geschafft. Ist ja nicht so, dass sie es mit übertriebener Freundlichkeit kompensiert hätte.
Götterfunken in excelsis
Der Höhepunkt der letzten Zeit und eine enorme Moralstütze war das Chorkonzert im Münster am 22.6.. Zusammen mit zwei Proben konnten ich insgesamt dreimal im Münster singen. Anders als beim letzten Mal war das Orchester auch von der Uni und wahrscheinlich noch schlechter als wir. Aber wie es im Steppenwolf steht, keine Barbarei kann die Schönheit der Musik zerstören. Egal wie schön es ist Mozarts Messe und Beethovens Neunte zu hören, es selbst in einer Kathedrale mit einem Orchester aufzuführen ist unvergleichlich ergreifender. Beim lateinischen Glaubendsbekenntnis, Melodien der französischen Revolutionsheere dem Nachhal der letzten Zeilen über Brüderlichkeit wird man richtig sentimental.
Leider leider geht damit wie sovieles und soviele auch der Chor in die Ferien. Langsam bleibt mir wenig an Hobbies. Auch der Computerkurs ist bereits wieder vorbei, Freitag reichte ich meine ersten selbstgemachten Internetseiten ein (zu finden auf http://www-users.york.ac.uk/~jh1048/). Letztens habe ich daher an einigen kleinen Experimenten anderer Masterstudenten teilgenommen (die inspiriertere Themen haben als ich), wo ich zweimal Computer spielen durfte. Durch die morgendliche Arbeit bin ich abends oft zu müde um noch tanzen zu gehen, und der Bewegungsmangel macht sich wieder bemerkbar, insbesondere durch allgemeine Mattigkeit und noch erhöhte Faulheit, was dann das Problem nur noch verstärkt. Auch die Bibliothek ist inzwischen zunehmend verlassen und bald auch wieder nur noch zu den verkürzten Ferienzeiten geöffnet. Zeit hier fertig zu werden.
Während der Generalprobe im Münster. |
Ich bin in der obersten Reihe bei den ersten Bässen. |
Rechts außen mein Freund Richard aus Schwaben, links neben mir der Leiter der Bässe, der extrem begabte Amerikaner Graham. |
Die Generalprobe von den Gästeplätzen aus gesehen. Hinter uns die große, bemalte Orgel. |
Während des Konzerts. Unten unser beleibter und jähzorniger Dirigent. |
Richard, Haruka und ich beim Weinausschank nach dem Konzert im Kapitelhaus des Münsters. |
Frührentner
Ich kann nicht verleugnen, dass ich mich mental bereits auf die Abreise vorbereite. Welche Rechnungen wann umzumelden sind, wo ich Bücher loswerden kann. Vor Kurzem habe ich einen Käfuer für mein Fahrrad gefunden. Ein Universitätsangestellter, der nächste Woche in Rente geht. Ehrlich gesagt beneide ich ihn.
Benedictus
Am Sonntag dem 18.6. begleitete mich meine japanische Kommilitonin Haruka (vgl. Ausflug nach Durham) in die Messe und danach war ich seit langem mal wieder im Cafe. Eins liegt sehr schön hinter dem Münster, mit Blick in den Garten an der Stadtmauer. Nachdem ich in letzter Zeit der Besäufniskultur hier überdrüssig geworden war, bot ziviliserte Konversation mit einer japanischen Beamtin mit ausgesprochen guten Kenntnissen Deutschlands in ruhigem Ambiente unter expliziter Vermeidung von Uni und Arbeit eine erfrischende Abwechslung. Und was man alles lernt dabei, wusste jemand, dass Japan damals nicht nur deutsche Verwaltung und Bildung übernahm, sondern auch deutsche Kekse? Auch in der Messe hatten wir gewaltig mitgemischt, denn Haruka ist nicht nur eine der wenigen in York verbleibenden Bekannten des Sommerkurses, sondern auch bei den Sopranen und Alts im Chor. Praktischerweise war die Messe unter erstmaliger Leitung des beeindruckenden Erzbischofs war durch die Ordination neuer Priester auch besonders lang und liedreich.
Sanctus Spiritus
Ich habe die Kurzeinführung über Thomas Aquinas beendet und anschließend in Windeseile die zum Römischen Reich gelesen – wenn man mit Geschichte nur Geld verdienen könnte...Jetzt will ich zwei angefangene mathematische Texte beenden und das werden dann vermutlich die letzten Bücher sein, die ich an dieser Uni privat lese. Eins liegt seit letztem September auf dem Schreibtisch, als ich morgens und abends noch den Schwung zum Lesen hatte. Bei einem bin ich mir inzwischen sicher, die schlechten Ergebnisse liegen daran, dass ich faul und leicht abzulenken bin. Die Abschlussarbeit läuft schon wie erwartet, jeden Tag kommt einem irgendwas dazwischen. Und wenn ich ehrlich bin hilft die morgendliche Arbeit nicht dabei an die Uni zu kommen, es verschiebt sich einfach um die zwei Stunden. Nun, zumindest stehe ich um sechs auf.
Gratias Deo
Ich glaube die Backphase ist erstmal vorbei. Letztens habe ich die meisten an Freunde und die kulinarisch Armen in diesem Land verteilt, ich hatte einfach zu viele, und der Figur haben sie auch nicht geholfen. Allerdings hält mich das Wetter weiter in ausgesprochen sentimentaler Weihnachtsstimmung. Wenn Emilie raus ist werden zur Feier die übriggebliebenen Zutaten verbacken.