Seit vielen Jahren denke ich alle paar Monate, dass mir Radio fehlt. Meinem Alltag fehlt die Zeit, in der ich sowohl allein als auch ohne konzentrationsbedürftige Aufgabe bin, um nebenbei einer Sendung zu folgen. Bis auf den Fußweg von Ellies Haus zu meinem, wo ja immer noch mein Fahrrad abgestellt wird. Da hätte ich gerne etwas Ablenkung, denn englische Städte machen Fußwege ziemlich langweilig. Nun hat man weder ein tragbares Radio dabei, noch würde das gerade interessante Sendungen bringen. Doch nun habe ich eine weit bessere Lösung: Sowohl Ellie als auch Friedemann haben kürzlich alte Handys abgelegt. Anders als meins können deren Modelle alle möglichen Kunststücke. Somit also kann ich nun Radiosendungen aus dem Internet speichern und sie auf dem Weg hören. Effizienz, Recycling and Bildung - wieviel deutscher kann man sein!
Arbeit
Mein Privatleben ist moment ziemlich mundän. Mehr ist auf der Arbeit los - genau gesagt bin ich derzeit oft fertig, weil doch viele Fristen anstehen, u.a. selbst verursachte. So hatte ich mich in blindem Enthusiasmus für ein Projekt gemeldet, lokale Schulen im Statistikunterricht zu helfen. Ja, hier wird Statistik (wie auch viele andere Fächer, die ich eher mit Universität verbinde) an Schulen gelehrt. Auf niedrigem Niveau. Wir haben also eine Stunde vorbereitet, in der Schüler um die 16 Jahre das Spannende an Statistik sehen und dann auch selbst damit arbeiten sollten. Meine Einstellung zu 16-jährigen ist bekannt; einige Kollegen waren da etwas optimistischer und dementsprechend ernüchtert. Wirklich eingefangen haben wir sie nie und so war die ganze Sache vor allem gut für die bald darauf gefolgte Jahresleistungsbesprechung. Die ist wieder sehr gut gelaufen - meine jetzige Stelle ist weiterhin die beste, die ich soweit im Amt hatte.
Leider überschnitt sich die Vorbereitung für die Schule mit der Hauptveranstaltung meines Hauptprojektes. Der März war dementsprechend hektisch. Am 23. März haben wir eine Schulung in London durchgeführt, deren Vorbereitung natürlich jede Menge Arbeit verursachte. Wir haben vor einem Fachpublikum aus größtenteils Versicherungsmathematikern die Ergebnisse der letzten Monate vorgestellt, in denen wir die Leistung unseres Models zur Schätzung der ältesten Bevölkerung untersucht haben. Ich habe einen Vortrag gehalten. Ich mag Vorträge. Mit etwas Glück werde ich das auf einer Konferenz im September nochmal vorstellen.
Geburtstag
Mathieu reist kräftig durch den Süden Englands. Ich kann so häufig nicht mitkommen, schließlich hat man sowohl Freundin als auch Tangoproben jeden Sonntag. Zum Geburtstag einer unserer portugiesischen Freundinnen jedoch konnte ich ihn begleiten. Das fand ich Winchester statt und war eine schöne Erinnerung an die Zeiten, als ich mich noch jeden Tag mit Leuten aus ganz Europa umgab. Aber für jegliche Aktivitäten nach 23 Uhr bin ich einfach zu alt. Und da geht der portugiesische Tag ja erst los.
Auf der Bühne
Ellie und ich haben das Stück "Ruddigore" der mir inzwischen ja bekannten Gilbert und Sullivan gesehen. Dabei habe ich zum ersten Mal das inzwischen endlich offene New Theatre Royal von innen gesehen, das ewig restauriert worden war. Kurz darauf haben wir dort zur offiziellen Eröffnung mit dem Chor selbst etwas Shakespeare gesungen. Ein schöner Moment: bei einer Chorprobe spielte unser Pianist kurz Bachs "Wie soll ich Dich empfangen" an, und zu meiner Überraschung sang oder summte der halbe Chor mit.
An der Bücherfront wurden Der Geheime Garten sowie Die Elemente besiegt. Nun stehen entweder ein Buch über Statistik, ein Buch über Chemie oder ein Buch über Landkarten auf dem Plan.
Silberstreif
Die Sonne bleibt endlich wieder bis nach 18 Uhr am Himmel und so haben wir an guten Tagen wieder die schönen Abende zurück, an denen man nach der Arbeit noch ans Meer kann. Das Herz geht auf vor Hoffnung.
Bulgarischer Frühling 2016. |
Ein Kollege hatte deutsche Eiermalsets übrig. Ellie und ich hatten einen schönen sonnigen Nachmittag damit. |