Montag, 22. September 2014

Durch die Gegend

Der September war ein aktiver Monat, mit Aktionen an fast allen Wochenenden. Am zweiten des Monats fuhren Ellie und ich nach London. Dort hatte eine alte Freundin von ihr Geburtstag und wir gingen auf eine Kostümparty im Stil der Kriegsjahre, d.h. der frühen 1940er. Wir hatten das bereits einmal in Portsmouth gemacht und mir war die Idee schon damals gewöhnungsbedüftig, aber ohne Zweifel war die Veranstaltung als solche sehr schön gemacht, mit Swingmusik, einer Band und Leuten, die sich mit ihrer Verkleidung wirklich Mühe gegeben hatten. Dementsprechend war es voll und am besten wurde es kurz vor dem Ende, als langsam Platz zum Tanzen war.
Weiterhin war die Mutter jener Freundin interessant, die auf dem Zug der polnischen sog. Anders-Armee in Palästina geboren worden war. Die Eltern und Großeltern waren 1939 von den Sowjets ins Gulag geschickt worden, nach deren Besetzung Ostpolens; ein Großvater war gegen die Deutschen gefallen. 1941 wollten die Sowjets eine polnische Armee unter General Anders aufbauen und entließen dafür viele Polen aus den Lagern. Wegen Versorgungsproblemen und unbequemen Fragen nach den erschossenen Offizieren entließ man die Polen samt Familien dann an die Briten - den langen Weg über Iran, Nordafrika, dann Italien, dann England. Dort unterstellten sie sich der Exilregierung, bis die 1990 die Insignien der neuen polnischen Regierung übergab. Dementsprechend wurden Mutter und ihre Freundinnen entlang des Wegs über die halbe Welt geboren und General Anders war auf ihrer Hochzeit. In Polen ist die Anders-Armee gut bekannt, aber ich habe zum ersten Mal jemanden daraus kennen gelernt.

Zurück in Portsmouth ist der Sommer vorbei, vorbei, um 20 Uhr ist die Sonne weg und ich war erstmal seit langem im Dunkeln schwimmen. Was auch schön ist. Besonders, wenn draußen die Schiffe beleuchtet vorbeiziehen.
Leider kommen mit dem Herbst auch die Studenten zurück - im Gegenzug sind die Übungsräume der Musikfakultät länger auf. Wir haben einen neuen Mitbewohner im Haus. Dafür ist der Chor zurück, mit einem neuen Dirigenten (angeblich nur dieses Semester), der glücklicherweise gut zu sein scheint. Mit ihm singen wir Beethovens Neunte. Die hatte ich praktischerweise in York gesungen, was mir das Leben erleichtern dürfte. Wenn ich die Augen schließe und den Chor als Ganzes singen höre, klingt das schon wunderbar.
Mit Mathieu war ich zwei Mal im Kino, einmal zu dem wunderschönen "Von Pferden und Menschen", und zu einer Kurzfilmreiher im Rahmen eines lokalen Filmfestivals.

Das dritten Septemberwochenende widmete ich komplett Kalina. Seit langem hatte mich gewurmt, dass ich sie in Southampton weniger oft besuche, als damals, als sie noch im viel entfernteren Birmingham wohnte. Da ich es die letzten Male sehr genossen hatte, einfach mit einer inzwischen lang Bekannten zu reden, hatten wir auch kein besonderes Programm vorgenommen. Einem Spaziergang im Campuspark schloss sich ein echter Theaterbesuch an, mit richtigen Schauspielern, wie wir sie in Portsmouth nicht haben. Anschließend gingen wir noch Salsatanzen, praktischerweise direkt gegenüber ihrer Wohnung. Sonntag gingen wir noch einmal im großen Angerpark spazieren, den ich auf dem letzten Besuch zum ersten Mal gesehen hatte. Auch etwas, das es in der Größe und Qualität bei uns nicht gibt. Während ich Kalinas Gesellschaft schon immer als wohltuend einfach empfunden hatte, ist es hier in England noch spürbarer, wo sie die einzige Person ist, die mich über alle Stationen seit 2006 begleitet hat.

Schließlich wurde zu meiner immensen Enttäuschung die Tangovorstellung am kommenden Samstag wegen mangelndem Interesse abgesagt. Zwar werde ich sicherlich etwas interessantes mit Mathieu unternehmen, aber wie gerne hätte ich noch einmal auf der Bühne gestanden.

In London hatte ich meinen alten, noch Abitur-Anzugjackett vergessen. Für die Tangovorstellung kaufte ich in Southampton schnell ein neues, was auch gleich zu Nutzen kam, denn es war im Park windiger als gedacht.

Samstag, 13. September 2014

Nach der Reise ist vor der Reise

Zu Beginn meines ersten Berichts nach dem Sommerurlaub bedanke ich mich erst einmal bei Euch allen. Ich habe mich überall gefreut, dass Ihr Euch über meinen Besuch gefreut habt. Hier nun einige Berichte von vor und nach der Reise.

Noch vor meinem Abflug hatten wir einmal noch öffentlich Tango getanzt, auf der Southsea Show, einem dreitägigen Jahrmarkt am Meer mit dem schönen aus lokaler Kultur und Verkauf. Wir hatten ein zusammengeschnittenes Programm von einer halben Stunde, dass wir zweimal aufführten. Ich hatte eine neue, sehr erfahrene Partnerin, mit der ich zwei Zusatzproben angesetzt hatte. Bisher hatte ich mich ob ihrer Kunst immer etwas vor ihr gefürchtet, aber ohne Zweifel habe ich dabei was gelernt. Die Auftritte fanden auch Applaus und ich sah diesmal einige Tänze zum ersten Mal, da wir im Zelt gleich neben der Bühne standen. Ich hatte mich unter anderem zur Southsea Show gemeldet, weil auch Ellie mit ihrer Bauchtanztruppe auftrat. In einem rosa Kostüm sah sie auf der Karnevalsparade wie auf der großen Bühne aus wie eine arabische Prinzessin.

Gleich am Abend meines Rückflugs ging ich mit Ellie im Sommerfreiluftkino Dracula (1931) sehen. Den ganzen Sommer über bin ich dazu nie gekommen, jetzt gefiel es aber auch Ellie so , dass wir inzwischen auch Chaplins Modern Times und Den großen Lebowski gesehen haben. Anfang September traten sowohl Ellies Bauchtänzerinnen als auch ein Teil meiner Tangotruppe lokal pro bono des Kings Theaters auf. Dabei waren noch diverse andere lokale Tanzgruppen, auf durchweg überraschend hohem Niveau. Nur war ich richtig traurig, als ich unsere Tangostücke auf der Bühne sah. Zwar konnte ich so noch einige mehr aus der Zuschauerperspektive sehen, aber ich wäre viel lieber selbst da oben gewesen. Die Stücke und Gesichter, das Räderwerk hinter dem Auftritt, sind mir inzwischen so bekannt, so plötzlich Unbeteiligter zu sein gab mir ein Gefühl wie ein frisch Berenteter auf Betriebsbesuch. Zum Glück kommt Ende des Monats noch einmal die volle Show auf die Bretter.
Davon abgesehen war das Publikum für meinen Geschmack wieder furchtbar ungesittet. Überall wurde geredet, geraschelt und zu spät gekommen. Direkt neben mir saß eine Art Matrose, der für einen Theatersitz zu breit aussah, nur hörbar atmen konnte und scheinbar kaum still sitzen konnte, während vorne Mädchen tanzten. Dann aber sein Sohn mit den Breaktänzern auf die Bühne und die tätowierten Arme klatschten in Begeisterung zusammen wie zwei Hämmer.

Trotz Ellies unheilvoller Wetterberichte vorher fand ich nach meiner Rückkehr noch einige schöne Tage. Man kann doch noch am Strand liegen und abends sammeln sich immer noch Menschen dort. Einmal bin ich auf den warmen Steinen sogar eingeschlafen. Da komme ich auch mal wieder zum Lesen. Seitdem ich eines von Ellies Büchern über Heinrich VIII. abgeschlossen habe, beginne ich jetzt ihr Geburtstaggeschenk, 700 Seiten 'Vergessen Reiche' - über untergegangene Staaten Europas.

Aber nach der Reise ist vor der Reise. Die nächsten sicheren Termine:
25.10.-02.11. Istanbul mit Friedemann
20.12.-04.01. Weihnachten in Deutschland!

Auf der Arbeit liegt momentan alle Aufmerksamkeit auf einer Präsentation, die ich Ende September halten werde. Dazu fahre ich dann zum ersten Mal in unser zweites großes Büro in Newport, Wales. Vorher war ich noch auf einer Konferenz  in Winchester. Im Vorjahr hatte die in Swansea, Wales, stattgefunden und ich hatte selbst einen Vortrag gehalten. Diesmal konnte ich nur zuhören, und weil der Weg nach Winchester ohnehin über Southampton führt, habe ich bei der Gelegenheit gleich Kalina besucht. Sie erfüllt sich Ende September einen langen Traum und fliegt nach Indien, weshalb ich sie das Wochenende davor endlich einmal wieder richtig besuchen werde.



Auf der Southsea Show, August 2014


Im landwirtschaftlichen Teil der Show fand ich ein ganzes Zelt voll Meerschweinchen.