Sonntag, 21. Februar 2021

Nacht und Tag

Otto ruht also zur Schlafenszeit an meiner Schulter. Gähnt und ist müde. Wäre alles so schön. Aber einige Tage nach dieser Neuentwicklung ging es los. Totale Trennungsangst. Wachte viermal pro Abend auf, eh wir überhaupt ins Bett kamen. Dann die ganze Nacht Panik; schlafen nur mit beiden Händen in meinem Gesicht, ganz nah an mir. Kann man natürlich nicht schlafen. Das schlaue Babybuch sagte, diese Phase dauert vier bis sechs Wochen. Ich: totale Katastrophe; kann doch nicht wahr sein; zwei Monate schlechter Schlaf und jetzt wird das noch schlimmer; die Reserven sind einfach alle. Aufstehen, Baby hüten, Arbeit, Baby ins Bett, Haushalt, dreimal Baby beruhigen, ab ins Bett, die ganze Nacht Baby festhalten, aufstehen, das gleiche von vorn. Ausgerechnet am Valentinstag war ich richtig depressiv, nachdem ich die gesamte Nacht wach gewesen war. Wenn ich ehrlich bin hatte ich zeitweise einfach Angst vor der Nacht wenn ich dran war. Und was vorher schon sehr schwierig war wurde jetzt unmöglich, u.a. jeder Kontakt nach Hause. Telefon, Briefe, Tagebuch, konnte man alles vergessen. Mit den Abenden verschwand auch die einzige Zeit, wo ich mal Zeit für Ellie hatte. Wir haben abwechselnd Otto beruhigt, und irgendwann viel zu früh musste einer endgültig ins Bett.

Ein paar Nächte habe ich mich einfach gehen lassen; aufs Sofa und Gehirn ausgemacht wenn ich konnte. Telefonate abgesagt, Aufgaben ignoriert, nur noch bunte Unterhaltung. Ich hatte schon einen frustrierten Artikel fertig geschrieben. Dann schien sich alles wieder einzupendeln. Und jetzt ist unklar wohin die Reise geht und wielange.

Die Tage dagegen wurden damals schon immer schöner. Otto wird kuschelig. Manchmal legt er sein Gesicht einfach mit der Wange auf eine weiche Oberfläche. Hält sich viel enger an mich wenn ich ihn trage; Ärmchen um meinen Hals. Er liebt es wenn beide Eltern da sind (meistens eine Seltenheit). Nach einer ordentlichen Nacht trägt der Diensthabende ihn ins Gästezimmer, wo wir alle zusammen sein können. Frühstück kriegen wir meistens auch zusammen hin. Vorher nehme ich ihn eine halbe Stunde raus, meist auf den Spielplatz. Das ist viel einfacher, seit es wärmer geworden ist. Auch den Garten kann man ihm jetzt wieder zeigen.
Er wird kommunikativer. Bezieht uns manchmal aktiv in sein Spiel ein. Er brabbelt viel vor sich hin, erkennt sehr viele Worte, versucht andere zu kopieren. Inzwischen sind wir uns sicher, dass Mama und Dada für uns stehen, wenn auch Dada beide Eltern meinen kann. Er ist dabei momentan besonders auf mich bezogen. Wenn es nach Otto ginge würde ich ihn den ganzen Tag zu Sachen tragen, die er anfassen will.

Ich weiß nicht wirklich ob Tag oder Nacht überwiegt.

Mittwoch, 10. Februar 2021

Einmal hält besser

Vor einer Woche hat Otto plötzlich etwas gemacht, was er noch nie gemacht hatte. Als wir ihm abends nach dem Baden Gutenachtlieder vorsangen, lehnte er seinen Kopf an meine Schulter und brabbelte froh und müde vor sich hin. Bisher hatte er dieses Ritual immer gehasst, war aufgekratzt und hat seinen Kopf in alle Richtungen verrenkt. Im Anschluss schlief er dann allein mit etwas Streicheln ein, statt der Stunde bei uns im Bett, wie es seit drei Wochen die Mode gewesen war. Man versucht ja, sich nicht gleich Hoffnungen hinzugeben. Die folgenden Tagen waren dann auch nicht das gleiche. Aber irgendwas bewegt sich mal wieder im Ottokopf. Er braucht immer noch sehr viel Körperkontakt und scheint Trennungsängste zu haben. Und er weint manchmal ohne erkennbaren Grund los und ist gar nicht gerne in Kinderwagen oder -träger.


Im gleichen Zeitraum begann er zunehmend nur noch einmal am Tag zu schlafen, dafür aber etwas länger. Scheint seinen Nachtschlaf im Durchschnitt einfacher zu machen. Ich hatte auch langsam die Nase voll davon, wie die Nächte seit gut zwei Monaten ablaufen.


Er kann mehr oder weniger stehen und an unseren Händen laufen, aber wir haben das Gefühl, dass er meistens einfach zu faul ist. Viel lieber krabbelt er zu mir und will getragen werden. Er spielt mit seinem allerersten Ball und versucht ihn möglichweise auch in unsere Richtung zu rollen. Am allerliebsten mag er aber das Spiel, wenn sich Papa flach auf den Bauch legt. Dann steckt Otto Hände und Mund in meine Haare, krabbelt dann auf meinen Rücken und legt seinen Kopf flach hin wie in Schlafposition. Wir haben einige besonders schöne Spaziergänge am Meer gemacht, als mal die Sonne schien. Sein Blick ist scharf und vor allem auf Straßenlaternen gerichtet, sowie auf Vögel und Hunde.

Alles in allem war ich diese letzte Woche aber wieder ziemlich fertig. Liegt nicht zuletzt an dem Gefühl, dass meine Tage alle gleich aussehen und abends, wenn ich etwas frei haben, fast nie zu "besonderen" Dinge komme, und sei es nur ein kurzer Brief an jemanden. Meistens gucke ich in letzter Zeit abends ARD Märchenfilme, die ich bisher als Hörspiel kannte. Schöne Landschaft, schöne Kostüme, es geht immer gut aus und dauert nicht lange, dafür reicht es bei mir noch.

Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass ich schon vor ein paar Wochen Uropas Kriegstagebuch fertig editiert hatte. Ich hatte es etwas leserlicher und leichter zu durchsuchen gemacht. Ist weiterhin online verfügbar.

Ich hatte noch immer keine Gelegenheit unser neues Auto mal zu fahren. Dafür ist es Ellie tatsächlich gelungen, das alte zu verkaufen. Sie hatte inseriert, dass der Motor repariert oder getauscht werden muss, und innerhalb weniger Minuten hatten wir zwei Interessenten, die es auch noch abholten. Bringt uns mehr Geld als Verschrottung. Hätte ich vorher nie geglaubt.