Radeln in Richmond
Am ersten Juniwochenende hatte ich einen Tag reserviert um endlich wieder was mit Mathieu zu unternehmen. Das ist zunehmend selten, seitdem er auch eine Freundin hat und sie in einer anderen Stadt wohnt. Ursprünglich war das als Tagesradtour in der Region geplant. Am Ende sind wir bis nach Richmond westlich von London gefahren, dort wohnt ein Freund, der mit auf dem Wochenende Anfang Mai in Exmoor gewesen war. Mit ihm sind wir erstmal entlang der Themse bis zum Hampton Palast geradelt. Dort war ich 2013 mit Kalina gewesen. Richmond ist ein schöner Ort und der Tag war sonnig. Viele Leute und viel Geld war zu sehen, eine wohlhabende Verwaltung hat das alte Kanalsystem gut ausgebaut für Boote und daran entlang sehr angenehme Wege. Erstaunlich gut gekleidete Menschen für England - Zeichen von guter Bildung und Einkommen. Sehr viel Volk aus aller Herren Länder, die aus den weniger schönen Teilen Londons kamen. Wir aßen in einem libanesischen Restaurant an der Themse, bevor wir zurück fuhren und mit den anderen Freunden vom Exmoor-Ausflug den restlichen Abend in einer Kneipe am Fluss verbrachten. Dann ging es mir aus dem Ruder, weil das Abendessen mal wieder viel zu lange dauert und wir erst gegen 23 Uhr zur Rückfahrt aufbrachen.Sommerloch
Der Sommer ist in diesem Jahr bisher eine Enttäuschung, inbesondere nach dem langen Warten auf ihn. Nach dem ersten Eisbad Ende Mai sind weitere Versuche schrittweise erträglicher geworden, aber es fehlt die Sonne der letzten zwei Sommer, um danach auch am Strand bleiben zu wollen. Ein gutes Gefühl ist es hinterher trotzdem immer und ich bin auch nicht der einzige. Insbesondere alte Frauen sind immer ganz vorne mit dabei. Wenn ich nach der Arbeit auch nicht schwimme, gehe ich doch sehr häufig noch in ein Cafe am Meer, das seit einigen Monaten bis 20 Uhr öffnet. Das ist ein wirkliches Privileg, gerade nach der Arbeit. Die Konzerte am Meer laufen seit Ende Mai auch wieder, aber eins musste bereits wegen schlechtem Wetter abgesagt werden.
Bootnot
Umso bedauerlicher, da ich Mitte Juni mit Resturlaub ein langes Wochenende hatte (was gleichzeitig den dritten Jahrestag meiner Ankunft bedeutet). Zusätzlich habe ich trotz monatelangem Vorwissen versagt einen längeren Ausflug zu organisieren. Pläne gäbe es genug - mit der Fähre nach Frankreich oder die Südküste der Isle of Wight - die nur an solchen seltenen, langen Wochenenden möglich wären. So blieben nur Tagesauflüge. Am ersten Tag sind wir nach Petersfield gefahren, nordöstlich von Portsmouth. Dort ist die einzige mir bekannte Möglichkeit in der Region, auf einem kleinen See ein Ruderboot zu mieten und ich war bitter enttäuscht, als wir vor Ort erfuhren, dass das nur am Wochenende geht. Zurück in Portsmouth bin ich nochmal ins Wasser gesprungen, dann Essen mit Freunden, dann Freiluftfilm über Jimi Hendrix, über den ich praktisch nichts wusste.
Haus Osborne III
Am Tag darauf, einem Freitag, sind wir zum dritten Mal dieses Jahr auf Isle auf Wight gefahren, diesmal um Haus Osborne zu besuchen. Das war der Lieblingsort von Königin Victoria, von mir 2012 zweimal besichtigt. Ellie war noch nicht dagewesen, aber zwei Wochen vorher auf dem Weg zur Kirche in Whippingham zweimal vorbeigelaufen. Gleichzeitig fand eins von jährlich zwei großen Musikfestivals auf der Insel statt (im übrigen seinerzeit einer der großen Auftritte von Jimi Hendrix), sodass es auf der Überfahrt richtig voll wurde. Am Palast angekommen wurde uns jedoch eine ausgesprochen ruhiger Besuch zu Teil. An einem Wochentag war es viel weniger überlaufen, als bei meinen ersten Visiten allein. Ellie und ich halten Victoria und ihren Albert ja für Spießer auf dem Thron und die weniger interessanten Monarchen der britischen Geschichte; der Palast selbst zeugt, wie wohl schon damals von mir angemerkt, mehr von guten elterlichen Absichten denn von Geschmack. Das weite Parkland dagegen war ohne Straßenlärm und mit wenigen Besuchern eine wahre Labsal. Besonders die Schweizer Hütte, das Spielhaus der königlichen Kinder, mit ihren Gärten und Wiesen, hat es uns angetan. Auch der späte Nachmittag am Strand, in einer wohl natürlich ruhigen Bucht, wird mir in Erinnerung bleiben.
Vermischtes
Weniger erfreulich: ein drittes Blutbild zeigt ein weiteres, langsames Abrutschen meiner Werte. Diesmal hat die Ärztin sich dann endlich zu weiteren Untersuchungen entschlossen und die "Chemologie" um Unterstützung gebeten. Die würden mein Blut genauer untersuchen - noch warte ich auf einen genauen Termin. Zu Euren Hinweisen: für einen Hämatologen brauche ich eine Überweisung des Hausarztes. Andere Untersuchungen werde ich vorschlagen. Am schwierigsten ist für mich eigentlich, dass sich Ellie große Sorgen macht. Ich bemühe mich, sie zu beruhigen, aber ich verstehe sie schon sehr gut. Sie war es, die mich überhaupt zum ersten Bluttest gedrängt hatte und ich hatte immer erwartet, dass er nichts ungewöhnliches zeigt, geschweige denn wiederholt. Trotz besten Bemühens kämpfe ich mit der Ungewissheit, was da seit mindestens einem halben Jahr in meinem Körper ist. Auch hilft mir der Zweifel nicht, wie genau meine Praxis mich wirklich untersucht. Den dritten Bluttest musste ich ansetzen, nicht sie. Nicht das ich etwas ändern könnte: ich bin bei der Praxiswahl an meinen Wohnort gebunden und habe sogar schon Glück, dass es eine Praxis gibt, die lange öffnet. Ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen, aber jedes Mal, wenn ich schon nachmittags müde werde, frage ich mich, ob ich schlecht geschlafen habe oder etwas Schlimmes in mir wuchert. Da ist es kaum ein Trost, dass der Zahnarzt beim letzten Termin kein einziges Loch gefunden hat.
Schließlich ist unser jüngster Mitbewohner nach einem Jahr wieder ausgezogen. Er wird nicht gerade beweint, wieder ein junger Student, dem in der Familie das Putzen nicht beigebracht worden war. Jetzt habe ich nur noch meine zwei Mädchen im Haus. Eine ist ähnlich wie ich meistens bei ihrem Partner. Ich schlafe immer Montag und Mittwoch bei mir zu Haus und habe somit Hoffnung auf einen ruhigen Sommer.
Landeskunde: In unseren Gesprächen über die merkwürdige britische Klassenteilung hat mir Ellie erläutert, dass Doppelnamen in England fast immer auf höhere Familie hindeutet. Wenn die untereinander heiraten, soll keiner der wichtigen Namen verloren gehen. Auch an exotischen Vornamen erkennt man sie, und eben nicht zuletzt an einer ganz merkwürdigen Sprechweise, sowohl in Wortwahl als auch Aussprache, die auch ich inzwischen zu erkennen beginne.
Meine Arbeit läuft weiter gut, mir wird sehr viel Zeit zum Anlernen gegeben. Auch sonst hat man viel Freiraum: neulich besuchten wir das örtliche Meldeamt und schaute uns an, wie sie Geburten, Todesfälle etc registrieren. Denn wir nutzen diese Daten und müssen wissen, was genau wie genau gemessen wird.
Nachträge: nachstehend zwei Fotonachlieferungen. Erst aus Exmoor (mit Mathieu und Freunden, Mai 2015), dann Dartmoor (mit Ellie und Papa, Ostern 2014, neulich auf Ellies Kamera entdeckt.)
Exmoor (Mai 2015)
Reflektorwesten passen immer und überall. |
Kaffee und Croissants - hier bekannt als Europäisches Frühstück. |
Abschiedsfoto |
Dartmoor, Ostern 2014
Ellie unter dem Baum der Erkenntnis. |
Einer von vielen alten Steinkreisen a la Stonehenge. |
Eine traditionelle Brücke. |
Niemand weiß, wann und wie der nackte Mann in den Felsen kam. |
Ostereiersuchen für Ellie. |