Ostern
Nach
einem Samstag in der Bibliothek bin ich abends nach langer Zeit
wieder zur orthodoxen Gemeinde gefahren. Die dort kennen gelernte
Bulgarin Jordanka hatte mich erinnert, dass nach dem julianischen
Kalender ja Ostern war. Die Gemeinde war etwas größer als beim
normalen Gottesdienst und wir sind sind mit Kerzen in den Händen
einmal um die Kirche gezogen. Der Chor würde mich gerne als
Verstärkung haben werden und ich gerne russisch singen, aber sie
proben leider in einem anderen Ort.
Wiltshire
Am
folgenden Sonntag ging es endlich nach Stonehenge und die
Kathedralenstadt Salisbury. Beide sind nordwestlich von Southampton
in der Grafschaft Wiltshire. Kalina konnte wegen Abwesenheit nicht
mitgenommen werden, aber wir waren trotzdem eine größere Gruppe um
Mathieu, seine Freunde aus Southampton und einige andere trafen uns
vor Ort. Das war auch gut so, schließlich habe ich Ewigkeiten
organisiert und gewartet, damit zur Abwechslung auch andere mal
mitkommen können. Ich hatte allzu großen Erwartungen an Stonehenge
vermieden, in der Tat ist es ja im Endeffekt ein Kreis von Steinen
von denen man bis heute nicht wirklich weiß, was sie sind. Aber in
Echt ist die Größe dann doch beeindruckend, vor allem, wenn man die
Mittel der Zeit berücksichtigt. Wirklich begeistert hat mich aber
die Region als solche, die reich an anderen Steinzeitdenkmalen als
auch einer wunderschönen Landschaft ist.
Schon
auf dem Weg sind wir am Neuwald westlich von Southampton
vorbeigekommen, dessen Ruf mich seit langem lockt und in diesem Jahr
sicherlich angegangen wird, im Idealfall mit Mathieu und seinem neuen
Fahrrad. Richtiger Wald und weite Heidelandschaften ohne Menschen,
Straßen oder Zäune erinnerten mich nicht zum letzten Mal an diesem
Tag an Brandenburg. Und noch unerwarteter, Rapsfelder mit Allen an
Mecklenburg.
Als
erstes hielten wir in Salisbury, wo auch die anderen eintrafen. Die
Kathedrale ist laut Reiseführer das beste Beispiel englischer
Frühgothik und ist auf ihrem weiten grünen Platz sehr schön, aber
da mir als architektonischem Laien das besondere der englischen
Frühgothik nicht ganz klar ist, reicht sie mir nicht ganz an York
heran. Ohne Zweifel aber ist sie das Kronjuwel einer auch sonst
zauberhafte kleinen alten Stadt mit fünf Flüssen und vielen Blüten
am Wasser. Wir machten es uns zum ersten Mal an diesem Tag in diesem
Grün vor einer Kneipe beim Mittag gemütlich.
Anschließend
kam Stonehenge und direkt danach besuchten wir ein anderes, weit
größeres aber international weniger bekanntes Steinzeitheiligtum,
Avebury. Das Dorf lässt seine Schafen in einem hohen Erdwall
zwischen Kreisen hoher Findlinge grasen. Warum, weiß man nicht, aber
Begleiter meinten, Stonehenge und Avebury gehörten zusammen zu einem
großen regionalen Heiligtum. Wie man die Arbeitskraft von der
Nahrungsproduktion damals absparen konnte, ist mir ein Rätsel. Aber
die Steine ragen übermannshoch in den Himmel.
Vom
Wall hat man einen wunderschönen Blick in die sonnige Landschaft, in der die Farben vor lauter Frühling geradezu überquellen. Rollende grüne Hügel in alle Richtungen, einer ist der höchste
künstliche im Land und auf einem anderen eins der bekannten weißen
Pferdezeichnungen. An den Straßen wenig Städte und viele kleine
Dörfer, denen die feudale Struktur des 19. Jahrhunderts noch
anhaftet; die Region hat sich seitdem eindeutig wenig verändert bis
der Tourismus neues Leben gebracht haben muss. In den Dorfkneipen
haben wir einige Pausen gemacht und während der Fahrt habe ich beim
Blick von den Hügeln wiederum an den Raum und das Licht und die Ruhe
meiner Heimat gedacht, die mir hier zusammen mit der Gesellschaft
anderer Leute sehr gut taten.
London
In
England wird vernünftigerweise statt dem 1. Mai der nächste Montag
zu einem langen Wochenende freigemacht. An diesem Tag schloss ich
mich einer großteils indischen Gruppe um Jordanka an. Die fuhren zu
einer Lebensmittelmarkt in London mit Ständen aus der ganzen Welt.
Allein hätte ich das nicht gemacht, mir ging es vor allem um die
Gesellschaft und Kontaktpflege. Wie sich herausstellte, war es eine
große Auflage desselben Marktes an gleicher Stelle, den ich im
November mit Kalina zufällig gefunden hatte. Natürlich war es
teuer, wie das ganze Wochenende, aber das Wetter war ausgesprochen
sommerlich und trotz der Menschenmassen in den engen Gassen zwischen
den Ständen machte das von mir sonst vehement abgelehnte London mehr
Spaß als auf den bisherigen, hektischen Durchreisen zum Flughafen.
Insbesondere bekam ich sogar hier Heimatgefühle, als ich mir bei der
öffentlichen Schafschur ein Stück Wolle einsteckte, dessen Geruch
mich an die Ökohöfe für Großstädter in der Uckermark erinnerte.
Auch auf der Rückfahrt musste ich gestehen: einiges an grünem Wald
zwischen hier und London.
Vor
kurzem habe ich mich aus lauter Idealismus für die Versuchsreihe
einer Bachelor-Arbeit gemeldet. Eine Sportwissenschaftlerin
untersucht, wie der Körper bei Schiffsunglücken beim Schwimmen
überlebt. Dazu werde ich bekleidet in 12 Grad kaltes Wasser gekippt
und schwimme gegen einen Strom, mit Sensoren am Körper und wen es
interessiert darf raten, wo meine Innentemperatur gemessen wird.
Dienstag habe ich mich auf der ersten von fünf Sitzungen nach Strich
und Faden erniedrigt; 15 Minuten habe ich durchgehalten und dabei
geprustet und gestrampelt wie ein Baby. Und das gelang mit nur unter
kontrollierten Bedingungen, bei einem echten Untergang würde ich
nach zwei Minuten absaufen. Wahnsinn, was Kleidung ausmacht, zieht
einen abwärts wie ein Stein um den Hals. Zum Glück stecken sie mich
im Anschluss aus lauter Mitleid in ein Warmbad.
Freitag nach der Arbeit in Portsmouth. Die Möwen begleiten den Fischer nach Hause. |
Geh aus mein Herz und suche Freud. |
Ein Teil von Avebury. |
Vom Wall in die andere Richtung fotografiert. |
Der höchste künstliche Hügel. Funktion unbekannt. |