Dienstag, 7. Mai 2013

07.05.2013 Grün ja grün

Ostern
Nach einem Samstag in der Bibliothek bin ich abends nach langer Zeit wieder zur orthodoxen Gemeinde gefahren. Die dort kennen gelernte Bulgarin Jordanka hatte mich erinnert, dass nach dem julianischen Kalender ja Ostern war. Die Gemeinde war etwas größer als beim normalen Gottesdienst und wir sind sind mit Kerzen in den Händen einmal um die Kirche gezogen. Der Chor würde mich gerne als Verstärkung haben werden und ich gerne russisch singen, aber sie proben leider in einem anderen Ort.

Wiltshire
Am folgenden Sonntag ging es endlich nach Stonehenge und die Kathedralenstadt Salisbury. Beide sind nordwestlich von Southampton in der Grafschaft Wiltshire. Kalina konnte wegen Abwesenheit nicht mitgenommen werden, aber wir waren trotzdem eine größere Gruppe um Mathieu, seine Freunde aus Southampton und einige andere trafen uns vor Ort. Das war auch gut so, schließlich habe ich Ewigkeiten organisiert und gewartet, damit zur Abwechslung auch andere mal mitkommen können. Ich hatte allzu großen Erwartungen an Stonehenge vermieden, in der Tat ist es ja im Endeffekt ein Kreis von Steinen von denen man bis heute nicht wirklich weiß, was sie sind. Aber in Echt ist die Größe dann doch beeindruckend, vor allem, wenn man die Mittel der Zeit berücksichtigt. Wirklich begeistert hat mich aber die Region als solche, die reich an anderen Steinzeitdenkmalen als auch einer wunderschönen Landschaft ist.
Schon auf dem Weg sind wir am Neuwald westlich von Southampton vorbeigekommen, dessen Ruf mich seit langem lockt und in diesem Jahr sicherlich angegangen wird, im Idealfall mit Mathieu und seinem neuen Fahrrad. Richtiger Wald und weite Heidelandschaften ohne Menschen, Straßen oder Zäune erinnerten mich nicht zum letzten Mal an diesem Tag an Brandenburg. Und noch unerwarteter, Rapsfelder mit Allen an Mecklenburg.
Als erstes hielten wir in Salisbury, wo auch die anderen eintrafen. Die Kathedrale ist laut Reiseführer das beste Beispiel englischer Frühgothik und ist auf ihrem weiten grünen Platz sehr schön, aber da mir als architektonischem Laien das besondere der englischen Frühgothik nicht ganz klar ist, reicht sie mir nicht ganz an York heran. Ohne Zweifel aber ist sie das Kronjuwel einer auch sonst zauberhafte kleinen alten Stadt mit fünf Flüssen und vielen Blüten am Wasser. Wir machten es uns zum ersten Mal an diesem Tag in diesem Grün vor einer Kneipe beim Mittag gemütlich.
Anschließend kam Stonehenge und direkt danach besuchten wir ein anderes, weit größeres aber international weniger bekanntes Steinzeitheiligtum, Avebury. Das Dorf lässt seine Schafen in einem hohen Erdwall zwischen Kreisen hoher Findlinge grasen. Warum, weiß man nicht, aber Begleiter meinten, Stonehenge und Avebury gehörten zusammen zu einem großen regionalen Heiligtum. Wie man die Arbeitskraft von der Nahrungsproduktion damals absparen konnte, ist mir ein Rätsel. Aber die Steine ragen übermannshoch in den Himmel.
Vom Wall hat man einen wunderschönen Blick in die sonnige Landschaft, in der die Farben vor lauter Frühling geradezu überquellen. Rollende grüne Hügel in alle Richtungen, einer ist der höchste künstliche im Land und auf einem anderen eins der bekannten weißen Pferdezeichnungen. An den Straßen wenig Städte und viele kleine Dörfer, denen die feudale Struktur des 19. Jahrhunderts noch anhaftet; die Region hat sich seitdem eindeutig wenig verändert bis der Tourismus neues Leben gebracht haben muss. In den Dorfkneipen haben wir einige Pausen gemacht und während der Fahrt habe ich beim Blick von den Hügeln wiederum an den Raum und das Licht und die Ruhe meiner Heimat gedacht, die mir hier zusammen mit der Gesellschaft anderer Leute sehr gut taten.

London
In England wird vernünftigerweise statt dem 1. Mai der nächste Montag zu einem langen Wochenende freigemacht. An diesem Tag schloss ich mich einer großteils indischen Gruppe um Jordanka an. Die fuhren zu einer Lebensmittelmarkt in London mit Ständen aus der ganzen Welt. Allein hätte ich das nicht gemacht, mir ging es vor allem um die Gesellschaft und Kontaktpflege. Wie sich herausstellte, war es eine große Auflage desselben Marktes an gleicher Stelle, den ich im November mit Kalina zufällig gefunden hatte. Natürlich war es teuer, wie das ganze Wochenende, aber das Wetter war ausgesprochen sommerlich und trotz der Menschenmassen in den engen Gassen zwischen den Ständen machte das von mir sonst vehement abgelehnte London mehr Spaß als auf den bisherigen, hektischen Durchreisen zum Flughafen. Insbesondere bekam ich sogar hier Heimatgefühle, als ich mir bei der öffentlichen Schafschur ein Stück Wolle einsteckte, dessen Geruch mich an die Ökohöfe für Großstädter in der Uckermark erinnerte. Auch auf der Rückfahrt musste ich gestehen: einiges an grünem Wald zwischen hier und London.

Vor kurzem habe ich mich aus lauter Idealismus für die Versuchsreihe einer Bachelor-Arbeit gemeldet. Eine Sportwissenschaftlerin untersucht, wie der Körper bei Schiffsunglücken beim Schwimmen überlebt. Dazu werde ich bekleidet in 12 Grad kaltes Wasser gekippt und schwimme gegen einen Strom, mit Sensoren am Körper und wen es interessiert darf raten, wo meine Innentemperatur gemessen wird. Dienstag habe ich mich auf der ersten von fünf Sitzungen nach Strich und Faden erniedrigt; 15 Minuten habe ich durchgehalten und dabei geprustet und gestrampelt wie ein Baby. Und das gelang mit nur unter kontrollierten Bedingungen, bei einem echten Untergang würde ich nach zwei Minuten absaufen. Wahnsinn, was Kleidung ausmacht, zieht einen abwärts wie ein Stein um den Hals. Zum Glück stecken sie mich im Anschluss aus lauter Mitleid in ein Warmbad.

Freitag nach der Arbeit in Portsmouth. Die Möwen begleiten den Fischer nach Hause.


Geh aus mein Herz und suche Freud.


Ein Teil von Avebury.

Vom Wall in die andere Richtung fotografiert.

Der höchste künstliche Hügel. Funktion unbekannt.