Sonntag, 23. April 2017

Blau ja blau sind alle unsre Wälder

Ich habe erfahren, warum ich solange keine überzeugende Übersetzung für Bluebells gefunden habe. Erst dachte ich Glockenblumen, dann Scilla. Atlantische Hasenglöckchen hatte ich noch nie gehört und sicherlich sind solch massiv auftretenden Pflanzen innerhalb Europas doch in allen Sprachen gut bekannt. Aber: die Hälfte des weltweiten Vorkommens ist in England (also nicht einmal ganz Großbritannien). Der Rest befindet sich entlang der Atlantikküster. Daher also wenige in Deutschland.
Gelernt habe ich das auf einer weiteren Wanderung ins Blaue, an einem sonnigen Samstag. Ganz in der Nähe der Jurte ist ein Waldstück, wie ich letztens erfuhr, lokal direkt als Hasenglöckchen-Wald bekannt. Wir hatten einen wirklich schönen Tag, schon beim Anmarsch über Felder war Ellie an ihre Heimat Kent erinnert und ich holte die Sonnencreme raus. Der Wald war wirklich übervoll mit Blumen, man sah es schon von weitem zwischen den Bäumen hervorleuchten. Es ist nicht groß, aber von Freiwilligen schön in Schuss gehalten und am anderen Ende kamen wir an einem Rapsfeld raus. Ganz ungewöhnlich, so richtig an Bepflanzungen ranzukommen. Das liegt daran, dass die Besitzerfamilie es freiwillig zugänglich gemacht hat. Sie führt auch die Instandhaltung.
Wo wir schon in der Nähe waren, sind wir noch ins Umweltzentrum gefahren. Ich habe mich über meine neuen Landkarten gefreut, mit denen ichmich jetzt nicht mehr verlaufen werde. Ellie will ein Buch über englische Blumen. So werden wir beide alt.

Ich hatte bezüglich Burg Arundel vergessen zu erwähnen, dass wir dort einen seltenen direkten Blick auf die Klassengesellschaft in England bekamen. Einmal ist das der unglaubliche Reichtum der Besitzer, die da durchaus noch wohnen, auch einen guten Teil der Burg unzugänglich behalten und die Touristen nur reinlassen um die Gebäude zu erhalten. Wie einer der Bediensteten hilfsbereit betonte, sind einige der Zimmer größer als mancher Leute Häuser. Und das heißt im Land der Hausbesitzer einiges. Die Ordner waren alle ganz beeindruckt von ihrem Adel, und sahen selbst alle ziemlich gut situiert aus. Solche Ehrerbietung habe ich auch hier erst zum ersten Mal gesehen.










Abends nach langer Wanderung.

Montag, 17. April 2017

Ostern

Zum ersten Mal seit mehreren Jahren bleibe ich zu Ostern zu Hause. Im letzten Jahr waren wir in Berlin gewesen! Dieses Jahr hätte ich Ellie gerne York gezeigt, so wie vor drei Jahren Kalina und Schwestern. Aber wir haben für die anstehenden Reisen, und andere Ausflüge, eine Menge Geld ausgegeben. Darum machen wir nur ein paar Tagestouren.

Romsey mit Kalina
Karfreitag haben Ellie und ich separat in Southampton Freundinnen getroffen. Für mich war das natürlich Kalina, die ich mal wieder seit Monaten nicht gesehen hatte. Mir stand der Sinn nach Ruhe und Grün und einfacher Unterhaltung. Demnach sind wir in den Garten des Tudorhauses gegangen.Das hatte ich in meinen ersten allerersten Monaten hier entdeckt, als ich im Prinzenkostüm an einem Mittelalterfest teilgenommen hatte. Später sind wir nach Romsey knapp außerhalb der Stadt gefahren, wo Kalina trotz ihrer vier Jahre in Southampton noch nicht gewesen war. Ich war zweimal mit Mathieu durchgekommen, zuletzt im letzten Herbst. Am markantesten ist eine alte Abtei. Aber auf dem Weg fanden wir etwas neues, einen wunderschönen Garten, um zwei alte Fachwerkhäuser aus dem 16. Jahrhundert herum. Darin war auch ein Cafe und man konnte draußen in momentanten Blumenblüte sitzen, sodass wir größtenteils das gemacht haben.

Burg Arundel
Tagsdarauf haben Ellie und ich Burg Arundel besucht. Die habe ich auch ganz früh entdeckt, von der Autobahn, noch mit meiner ersten Mitbewohnerin hier. Der Ort Arundel liegt fast zu schön auf einem Hügel und wird von einer fast zu typischen Burg dominiert. Dazu baute sich die mehr oder weniger katholisch verbliebene Familie im 19. Jahrhundert eine für den Ort viel zu große Kathedrale. Soviel wusste ich seitdem, aber in der Burg selbst war ich nie gewesen. Natürlich hatten tausende andere dieselbe Idee, aber wir haben uns wacker durch die Schlangen gekämpft, alle Bereiche besichtigt und einige weitere ganz zauberhafte Gärten im Außenbereich bewundert. Dazu muss man wissen, dass viele Besitzungen hier noch von den Familien bewohnt werden. Uppark vor einigen Wochen war auch so ein Fall. Darum sind die Wohnbereiche natürlich abgesperrt und auch blicksicher gemacht. Ellie war größtenteils interessiert, zwischen den Brettern doch einen Blick zu erharrschen. Überall sind Bilder der Familie durch die Jahrhunderte zu sehen, bis zu den heutigen Vertretern. Bemerkenswert und mir durchaus fremd ist auch die spürbare Ehrerbietung der Angestellten in den Räumen. Da schwingt mehr mit als der selbstverständlich massive Reichtum aus Jahrhunderten großen Grundbesitzes in einem Land, wo Land immer der größte Wertgegenstand gewesen ist.

Ostersonntag
Am dritten Tage haben wir geruht. Wo ich schonmal die Zeit hatte haben wir ein richtiges Osterfrühstück gemacht, mit Kerzen, Kaffee und der Dekoration aus Muttis Osterpaket. Der Osterhase hat Ellie einige Leckereien im Haus versteckt. Dann sind wir am Meer zum Cafe im neuen Kunstbereich der Altstadt spaziert und wieder zurück. Auf dem Weg haben wir uns in einer neuen Mikrobrauerei in der Burg Southsea versorgt und das hat den Rest des Tages für uns erledigt.

Sonstiges: am Datum des nächsten Chorkonzerts bin ich in Rostock, dementsprechend habe ich bis nach der Sommerpause keine Proben mehr. Gesangsunterricht ist auch einige Wochen ausgesetzt. Somit habe ich jetzt viel mehr Freizeit. Damit bin ich mehr am Meer, spiele etwas Klavier um Lieder vorzubereiten, übe nebenbei das Weihnachtsoratorium (damit ich vorbereitet bin, wenn ich in der Zukunft einmal einen entsprechenden Chor habe). Und einen schönen Abend habe ich mein Teleskop in der windgeschützten Gasse hinter meinem Haus aufgestellt und gleich unter dem Mond Jupiter gesehen.

Mit Kalina im Garten in Romsey

...um zwei alte Renaissancehäuser.

Direkt neben der alten Abtei.

Arundel aus der Ferne. Rechts die Burg, links die Kathedrale.Copyrightwww.sussexbythesea.com

Burg Arundel. Bergfried 12. Jh. Wohnquartiere 19. Jh. Gärten nicht zu sehen.
Copyright: AndyBailey


Tagsdarauf im Garten von Burg Arundel. Im Hintergrund die Kathedrale.





Ein Blick zwischen den Zinnen der Burg ins Land, die anglikanische Stadtkirche und die katholische Kathedrale. Die Burg wurde 1067 gleich nach der normannischen Eroberung gebaut, um die Flusszufahrt zu schützen. Am Horizont ist das Meer, von dort durfte niemand ins Land hochsegeln.

Freitag, 14. April 2017

Tradition, Revolution und Hasenglöckchen

Ostern statt Weihnachten
Als echter Deutscher mag ich Bach und Weihnachten. Ganz besonders mag ich daher Bachs Weihnachtsoratorium. Ellie wollte mir zu Weihnachten Konzertkarten schenken. Die waren ausgebucht. Stattdessen bekamen wir Karten zu Bachs Matthäuspassion im April in London. Natürlich findet so etwas in England nur in den ganz großen Städten statt.
Weil das Konzert am Sonntagvormittag war, mussten wir schon am Vortag anfahren und hatten dementsprechend einen ganzen Tag frei. Mit der Zeit sind wir in die Nationalgallerie gegangen. Dort war eine Ausstellung über russische Kunst in den ersten Sowjetjahren. Viele der Gestaltungsprinzipien, die sowjetische Propaganda so effektiv machte, wurden in dieser Zeit entwickelt, als Künstler erstmal machen konnten, was sie wollten. Später wurde der Sozialistische Realismus Pflicht. Das war sehr interessant; oft hingen Kunst und Propaganda von den gleichen Leuten zusammen. Und Ellie hat auch viel Geschichte über diese Zeit und Ort gelernt. In England weiß man nämlich praktisch nichts konkretes über den Sozialismus. Aber: nichtmal Kasia kannte die Künstler.
Abends haben wir noch Kalina samt Schwestern getroffen und im Kino Die Schöne und das Biest gesehen. Ich hab eine hohe Meinung von Disneys neueren Realversionen ihrer Zeichentrickklassiker.

Bach am Fluss
Das Konzert am Sonntag war hervorragend. Die ersten Takte des bekannten Anfangs haben mich gleich sehr berührt, wie auch viele spätere Momente. Einmal Musik ohne jegliche Qualitätsbstriche. Die Texte waren auf Englisch. Interessanterweise wurde der Londoner Bachchor schon recht früh in der Bach-Renaissance gegründet, obwohl die ja natürlich von Deutschland ausging. Die lange Mittagspause haben wir an der Themse gesessen. Es war an diesem Wochenende richtig heiß und sommerlich. Eine wirklich tolle Athmosphäre in dieser Ecke der Stadt, wo viel Kultur und Gatronomie zusammenliegt. Das Konzert fand übrigens in einem Kulturzentrum aus den 50ern statt, das ich bisher immer als Bausünde befand. Aber als ich es jetzt mal von innen sah, fiel mir auf, dass es seine Aufgabe wirklich erfüllte. Leute essen im Restaurant oder ihre eigenen Stullen an den vielen freien Tischen, in beiden Fällen in Tshirt oder Anzug. Neben uns am Fluss saß der Bariton-Solist auf einer Bank und aß sein Mittag.


Die gesamte Woche darauf wurden wir weiterhin vom Wetter verwöhnt. Ich hatte viele schöne Abende am Meer und einen wunderschönen Morgen vor der Arbeit. Blumen und Felder blühen hier immer viel früher als in Deutschland. Zum Beispiel sah ich vom Büro aus die ganze Woche die Rapsfelder in der Ferne leuchten. Und die alljährliche große Blüte der "Atlantischen Hasenglöckchen" ist fast da. (Bis heute bin ich mir allerdings nicht ganz sicher, wie diese Bluebells wirklich auf deutsch heißen). Also wollte ich am Wochenende unbedingt raus, bevor die Farben wieder verschwinden.

Alleine mit Fahrrad
Samstag bin ich allein mit dem Fahrrad raus, in die Region um die Hubertuskapelle. Kurz nach dem Bahnhof öffnen sich nach einer Kurve weite Blicke über die Felder. Alles gelb, grün, blau. Raps, Bäume und gelegentlich Teppiche von Hasenglöckchen. Es war ein wunderschöner Tag, blauer Himmel und kaum Wind. Jeder grüß´te mich. In der Kapelle war gerade Frühlingsputz, aber ich bin weiter nach Norden, zum Königin-Elisabeth-Landschaftspark. Dort war ich vor drei Jahren erst einmal gewesen, damals war das einer der ersten Ausflüge mit Ellie. Aber im letzten Jahr war ich auf einer ziellosen Tour ganz unerwartet am hinteren Ende des Parks rausgekommen und hatte eine besonder schöne Stelle entdeckt, die ich jetzt weiter erkundete. Das alles liegt entlang der South Downs, der langen Hügelkette entlang der Südküste, die aus gutem Grund zum Nationalpark erklärt worden ist. Auf dem Weg bin ich dementsprechend erst einen Hügel ganz nach oben, wo es ganz still war und man die Vögel hörte. Bis plötzlich ein anderes Fahrrad quer über den Pfad raste und scheinbar in den Bäumen verschwand. Dann sah ich es in wilden Kurven zwischen den Bäumen hinabsausen. Wie ich an dem Tag lernte, sind dort viele Mountainbiker unterwegs, und auch Pferde. Wieder unten fand ich die eigentliche Stelle, schloss mein Rad an und lief einen Wiesenweg den Hang des zwischen Hügels hoch, wie auf einer Wanderung in Österreich. Ich machte etwas Pause in der Sonne und lief dann in die Wälder des Parks hoch. Alles Buchen - war mir damals gar nicht aufgefallen. Buchen sind gut. Diesmal habe ich eine andere Ecke des Parks als beim letzten Mal erkundet und gesehen, dass die Hügel am Nordrand steil abfallen und einen tollen Blick ins Flachland freigeben.
Nach ein paar Stunden kam ich zurück und fuhr weiter, den Berg hinab in das Dorf Buriton, was ich schon kannte, aber in dem Wetter diesmal wie aus dem Bilderbuch daherkam. Von dort bin ich zum Bahnhof in Petersfield geradelt, über die Felder der Ebene. Zurück in Portsmouth habe ich mit Ellie am Meer ein Picknick gemacht.

Zusammen zu Fuß
Tags darauf wollte auch Ellie aufs Land und wir sind zur Blütenjagd in den Bere-Wald gefahren. Das sind mit dem Auto nur 20 Minuten nordwestlich. Hier hatten wir schon im Vorjahr ganze Blumenteppiche gefunden. Und auch unsere erste sonnige Wanderung das Jahres, vor zwei Wochen, war in einer andere Ecke des Waldes gewesen. Wir sind also ohne Plan aber mit Sonnencreme durch die Gegend gelaufen und waren allgemein fröhlich. Sogar zu einem Reste-Picknick hat das Wetter gereicht. Hasenglöckchen haben wir erst am Ende auf einer neuen Strecke gefunden, in einem Reservat für Alte Eichen.

Leider muss ich auch noch zur Arbeit, aber zumindest haben wir dort nun das Warnemünder-Puzzle vollended. Ich hatte es auf die Arbeit mitgenommen, wo seit einiger Zeit Puzzle ausliegen. Allein hätte ich das nicht geschafft und auch keinen Abstellplatz gehabt. Lesen tue ich Gullivers Reisen. Und zwar alle vier Teile mit Anmerkungen. Schließlich ist man echter Deutscher.



Dienstag morgen vor der Arbeit. Im Moment habe ich weder Chor noch Gesangsunterricht, sodass ich viel Zeit habe und auch mal etwas später zur Arbeit kommen kann.

 Im Landschaftspark








Zum Vergleich: ein Ausflug im Februar

 

Zur gleichen Zeit: was Buddha von allem hält.