Sonntag, 23. Januar 2011

22.01.2011 – Unter Büchern und Beton

Fortschritt durch Vorschrift
Der Master hier unterscheidet sich in zwei Aspekten massiv vom Grundstudium. Einmal habe ich mir damals viele Bücher gekauft und erst im zweiten Jahr die Bibliothek betreten. Hier besitze ich kein einziges und bin dafür praktisch nur in der Bücherei. Zweitens war damals der Semesteranfang Stress pur, weil man sich alle angebotenen Kurse angesehen an bevor man sich seinen Stundenplan aufstellte. Hier sind dagegen alle Kurse vorher festgeschrieben. Die erste Vorlesungswoche war daher fast so ruhig wie die vorlesungsfreie davor, weil die meisten Kurse nur Organisatorisches beinhalteten und Übungen logischerweise erst nach Stoffvermittlung stattfinden können. So sitze ich täglich zwischen Büchern und lese glücklich was mir vor die Flinte kommt. In diesem Stil von Zeit und Muße habe ich Donnerstag auch endlich die Buchrezension von Stiglitz' „Im Schatten der Globalisierung“ in einem Ruck fertig geschrieben. Das war das letzte Überbleibsel des letzten Semesters, jetzt kann ich die beiden kleineren Hausarbeiten angehen, die bis 17.3. fertig sein müssen.

Autonomer Student
Statistik hat jetzt die erste muttersprachliche Dozentin gebracht. Ist aber auch egal, weil ich mich aus mehreren Kursen gleich wieder zurückgezogen habe, um lieber selbst in der Bibliothek zu lernen. Da trifft man auch die meisten Bekannten. Mein ägyptischer Freund Achmet z.B. hat mir vom Weihnachtsurlaub neues Baklava mitgebracht, diesmal tunesisches. So hätte ich das schon in Magdeburg machen sollen, wie ja im übrigen meine Kommilitonen, statt alle Vorlesungen mitzumachen, wo ich ohnehin schlecht zuhören kann, und dann noch zu versuchen alle Lehrbücher zu lesen. Kein Wunder der Stress damals.

Sans soucis
Was mir in Bibliothek und auch anderswo auffällt ist, dass ich mich wieder wie früher meine Sachen ohne Sorgen mal für eine Stunde liegen lasse um woanders was zu suchen. Im Übrigens nicht nur ich, dass ist allgemeine Konvention. In Polen würde man schon dreimal durchaus harsch darauf hingewiesen werden, dass man doch auf seine Sachen acht geben muss. Nicht, dass mir (außerhalb Warschauer Parks) dort je was passiert wäre, aber die allgemeine Paranoia dort hatte irgendwann auch mich angesteckt.

Atomwitz
In dieser zuversichtlichen Athmosphäre habe ich Samstag morgen auch mal wieder meiner lang vernachlässigte Rolle als Tourist etwas Aufmerksamkeit gegönnt und den Yorker Atombunker besucht. Zugebenermaßen einer der weniger offensichtlichen Attraktionen, dementsprechend war ich auch der einzige Teilnehmer der Tour. Der Bunker ist ein tragikomisches Relikt der 1950er Jahre, gebaut für den Heimatschutz, der nach einem Angriff die Zerstörung und Strahlungsentwicklung in der Region beobachten und die Bevölkerung warnen sollte. Als Bomben noch per Flugzeug zugestellt werden mussten stellte man sich noch vor, es würde jemand zu warnen übrig bleiben. Die Bomben waren wohl auch noch kleiner, denn der Bunker hätte nur einen Abwurf in mindestens 10km Entfernung standgehalten und hatte Vorräte für sage und schreibe einen Monat Maximum. Danach wären die 60 Freiwilligen des Observer Court (eine ursprünglich Freiwilligenorganisation, die in den Kriegen die einfliegenden deutschen Zeppeline und Bomber beobachteten), die das Glück hatten, als erste durch die Tür zu kommen, wieder rausgetreten und vielleicht Tee getrunken. Glückliche 50er Jahre: im Innern werden auch Lehrfilme aus der Zeit gezeigt, als man sich vor Atombomben unter seinem Schreibtisch in Sicherheit gebracht hätte. Der Yorker Bunker jedenfalls war die Hauptstation für kleine 3-Mann-Bunker in der ganzen Grafschaft und hätte die Beobachten von Explosionen gesammelt, die diese Leute gesammelt hätten, indem sie nach einer Explosion schnell aus ihrem Unterstand gesprungen wären um ihre Instrumente auf dem Dach abzulesen, bevor die Strahlung runterkommt. Der Bunker war von 1961 bis 1992 einsatzbereit und wurde 2000 von English Heritage für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Dienstag, 18. Januar 2011

17.01.2010 – Vorlesen & Vorsingen

Lesen in Gesellschaft
Die freie Woche zwischen Rückflug und Vorlesungsbeginn habe ich praktisch komplett in der Bibliothek verbracht und Ökonometrie gelesen. Das soll mir während des Semesters Arbeit sparen. Trotzdem habe ich lediglich knapp 300 Seiten geschafft, statt mehrerer Bücher auf einmal wie man sich das immer vorstellt. Nebenbei habe nur noch ein bisschen in Goebbels Tagebüchern gestöbert.
In der Bibliothek war ich offenbar der einzige, der keine Prüfungen hatte. Und alle lernen bessere Sachen als ich: um mich rum lagen stapelweise Bücher zu Medizin, Neurologie und Genetik, von Studenten die vor mir kamen und nach mir nach Hause gingen.

Auserlesen
Die Franzosen kamen, schrieben ihre Klausur und gingen wieder. Ich hatte extra ordentliches Essen gekauft und dann sind wir lieber Hamburger essen gegangen.

Lesen mit Musik
Interessanterweise hatte ich trotz einiger Pläne vor dem Semester mal nach Edinburgh oder auf die Farm zu fahren kein größeres Interesse zu verreisen, nicht mal in der Stadt habe ich viel unternommen, selbst den Münster nur zweimal besucht. Dafür habe ich mich zum Lesen in der Musikfakultät fast häuslich eingerichtet. Dort sind vor Semesterbeginn noch wenige Studenten und so herrscht genug Ruhe zum Lernen, während trotzdem immer irgendwer irgendwo probt und ich dabei Tee machen sowie Mittags Essen warm machen kann.

Limitloses Lesen
Heute ging nun das Semester los und wie üblich wurde man mit Leselisten reichlich beschenkt, die man vielleicht ab und zu sogar mal berücksichtigen kann. Bis Mitte März stehen wohl 2-3 Hausarbeiten an und danach Klausuren sämtlicher Kurse seit Studienbeginn. Das wird hier meist nach dem Frühlingssemester konzentriert und nicht nach jedem Halbjahr erledigt. Am schwersten wird aber das Dissertationsthema sein, was ich wohl sehr bald vorschlagen muss. Natürlich habe ich keinen blassen Schimmer was mich denn vielleicht interessiert. Dafür ist die Bibliothek wieder leer, mein stiller Lesesaal wieder allein und verlassen.

Notenlesen
Abends habe ich mich endlich bei der Basssektion des Unichors angemeldet. Wir proben Händels Salomon für einen Auftritt am 16.3. im Münster. Und danach am 22.6. im gleichen Ort – Beethovens Neunte sowie Mozarts Messe in C-Moll! Erstmal wurde mein gesangliches Selbstbewusstsein von den umgebenden Musikstudenten gestutzt – das ist gar nicht so einfach so schnell Noten zu lesen! Zum Glück ist das ein großer Chor und ich kann mich zwischen den anderen Stimmen verstecken wenn ich in die falsche Richtung singe. Mehr ich frage mich wie immer, ob ich in diesem Semester soviel Zeit habe, auch wenn Proben nur zwei Stunden jeden Montag abend sind. Das ist auch gar nicht so billig: 20 Pfund Mitgliedsbeitrag und die Noten muss man trotzdem noch selbst bezahlen. Soviel würde ich z.B. niemals für die gleichen Konzerte als Gast bezahlen. Aber wie sagt mein mit angemeldeter deutscher Kommilitone: was tut man nicht alles um im Münster zu singen.

Tanzen
Am schönsten: die Lateinamerikanische Gesellschaft führt bereits den Freitagssalsa weiter.

Dienstag, 11. Januar 2011

10.01.2011 - Zurück in York

Rückreise
Morgens stand ich noch an der violetten Oder, als die kalte Sonne über den Wäldern aufging und ein langes Spiegelbild über das Hochwasser warf. Im Zug beschien sie auch die weißen Felder und leeren Weinreben vor Frankfurt. Im Glasgang vom Bahnhof Schönefeld spielt der gleiche Akkordeonist wie bei der Ankunft. In der Schlange zum Flugzeug bin ich scheinbar der einzige Nichtpole, sogar das Personal spricht Polnisch. Kein Wunder, dass auf dem East Midlands Airport die Sicherheitsdurchsagen auf Englisch und Polnisch erfolgen. Außer uns ist er übrigens ziemlich leer, im Gegensatz zum Hinflug kommt unser Gepäck sofort aufs Fließband. Sonst ist es leer, grau, und es regnet. Regen, genau, kein Schnee. In England ist der Winter fürs erste vorbei. Schnee wie auch Eis ist weg, sogar das vor unserem Haus; der Garten ist wieder grün. Es scheint sogar die Sonne, die Altstadt muss schön sein. Aber bisher bin ich da kaum hingekommen weil ich gerade mehr Lust habe mich in der Bibliothek zu vergraben.

An der Uni
Die Uni habe ich gar nicht so verlassen vorgefunden wie ich es mir gewünscht hatte. Überall schon wieder Studenten, die in Hausarbeitspanik die Bibliothek besetzen. Meine Hausarbeit ist Freitag endlich fertig geworden, wenn auch eine Woche später als geplant. Da die Vorlesungen erst am 17.01. anfangen, habe ich eine gute Woche, endlich mal nur zu lesen, was mich interessiert. Das ist einmal ein Buch über Matricenrechnung und Wirtschaftsstatistik. Mit letzterem will ich schonmal für das kommende Semester vorarbeiten.

Stundenplan - Frühlingssemester
Meine Kurse werden sein:
Internationale Makroökonomie (mit der türkischen Professorin deren Kurs ich im Wintersemester besucht hatte)
Entwicklungsökonomie
Quantitative Analyse (Wirtschaftsstatistik wie im Wintersemester)
Recherchemethoden (wie im Wintersemester)
„Die Philosophie, Politik Ökonomie sozialer Wahl“ (klingt sehr nach Laberfach oder?)

Alte Kameraden
In der Frankfurter Universitätsbibliothek habe ich übrigens zufällig eine Bekannte von Motyka getroffen. Die hatte 2006 das Projekt an der Ostseeküste organisiert und ich hatte sie seitdem auch nicht mehr gesehen.

Abschiedstanz
Hier in York gibt es dafür die ersten Abschiede: Samstag war große Feier für Rana, die erste Person überhaupt, die ich hier kennen gelernt hatte, noch im Zug aus London. Die hat ihren Doktor fertig und geht zurück in den Libanon. Sie hat mich auch mit der Salsagemeinschaft hier in Verbindung gesetzt und so habe ich dann auch bis in die ersten Sonntagsstunden einen der besten Tanzabende überhaupt genossen.

L´hospitalité
Montag kommt Grégoire für eine Nacht zu mir. Das ist der französische Physik/Musikstudent. Sein Austauschsemester ist eigentlich zu Ende, aber sie zerren ihn nochmal wegen einer Prüfung nach England. Das Wohnheimzimmer dagegen haben sie ihm die drei Extrawochen aber nicht gelassen, dabei braucht das während der Feiertage ohnehin keiner. Darum übernachtet er hier. Leider haben wir kein Klavier im Haus.