Donnerstag, 31. August 2017

Wassermusik

Seit etwa drei Jahren gibt es in Portsmouth ein großes Musikfestival. Das findet immer am (langen) letzten Augustwochenende am Meer statt. Man bemerkte schon am ersten Tag einen Menschenstrom aus der ganzen Region und insbesondere in der Stadt, zum Meer runter. Denn die Eintrittskarten waren zwar schon Monate vorher ausverkauft, aber an einigen Stellen hört man die Musik einiger Bühnen wunderbar über die Absperrungen hinweg. Außerdem hatten wir urplötzlich bestes Wetter. Viel Sonne, viel Wärme, kein Wind, die See ganz glatt. Und genau an der besten Stelle zum Mithören am Strand stehen zwei neue Essstände, einer davon mit polnischer Wurst und Pieroggen. Also habe ich mich drei Nächte lang da hingesetzt und sowas wie Sommer genossen. Kinder lernen  rudern, Familien fahren  Kajak, Schiffe aller Arten auf dem Meer. Ein Lotse und zwei Schlepper fahren einem Zerstörer entgegen, der in den Hafen will. Die Matrosen stehen an Deck und hören im Vorbeifahren der Musik zu. Seit Kurzem ist auch die Seebrücke nun endlich bis zur Spitze begehbar. Dort wurde ein klassisches Karussel aufgebaut und ein Fish & Chips Restaurant bietet Tische, wo die Sonne abends am längsten zu sehen ist. Es ist ganz merkwürdig, wie anders die Aussicht wirkt, nur weil man hundert Meter weiter draußen steht als am Strand. Ich gehe abends sehr gerne nochmal da raus und es ist immer viel Betrieb.

Auf dem Itchen
Während Sonntag die Musik in die Vollen ging, fuhr Ellie zu einer Freundin und ich nach Southampton. Dort habe ich mir ein Kajak ausgeliehen und bin den Fluss Itchen hochgepaddelt. Der fließt auch durch Winchester, aber soweit bin ich nicht gekommen. Wie sich herausstellte, komme ich nichtmal aus den Stadtgrenzen hinaus, bevor mich ein Wehr stoppt. Also fahre ich nochmal flussabwärts soweit ich darf. Es waren sehr viele andere Kajaks und Kanus unterwegs - wie ich bemerke, ist Wassersport doch ziemlich beliebt hier. Insbesondere merke ich aber auch, dass in den meisten Kajaks Polnisch gesprochen wird. Somit habe ich also den Itchen soweit wie möglich ausprobiert. Zwar kommt man nicht wirklich aufs Land raus, aber dafür sind die Ufer doch sehr grün. Für solche Versuchsausflüge kommen mir Tage immer gelegen, wenn ich alleine bin. Jetzt wo ich weiß, was sich lohnt, kann ich mal mit Kalina oder Ellie in einem bequemeren Boot auf dem Fluss rumpaddeln.

Zurück in Portsmouth bin ich am selben Abend wieder zum Meer gefahren um bei live Musik zu schwimmen und zu lesen. Die Lichter des Karussels auf der Seebruecke und die Lichterketten der Promenade spiegelten sich im Wasser, als die untergehende Sonne die schönsten Farben in die wenigen Wolken malt. Darüber wurde der Mond immer heller und darunter fuhr die Faehre  nach Frankreich aus. In einem Monat sind wir da mit drauf. Es ist immer ganz gut, mal einen Abend allein zu haben und draußen zu bleiben, bis es zu kalt oder zu spät wird.

Park Staunton
Montag war die Musik vorbei und Ellie kam zurück. Zusammen haben wir noch einen Ausflug in den Park Staunton gemacht. Der liegt gleich ausserhalb von Portsmouth, im Ort Havant, wo die ganze elende Zersiedelung langsam in die schöne Landschaft des Schutzgebietes South Down (Sudhügel) und die Gegen um die Hubertuskapelle übergeht. Staunton besteht, wie wir lernen, aus zwei Teilen. Einem teuren ehemaligen Anwesen mit blühenden Gärten und Streichelzoo für Kinder, und einem großen Park, ebenfalls mit Überresten herrschaftlicher Dekorativarchitektur, dafuer gratis, was wir nicht wussten.
Auf der Aussichtsterrasse des Landschaftsparks Staunton.

Mittwoch, 23. August 2017

Kleine Nachrichten mit großen Bildern

Große Boote für kleine Inseln
Der neue Flugzeugträger der Royal Navy ist in seinem Heimathafen Portsmouth angekommen. Leider habe ich an dem Morgen nicht dran gedacht, sonst wäre ich zum Hafen gefahren. Die Queen Elizabeth hat 65.000 Tonnen, das größte Schiff, dass die Marine jemals hatte. Zum Vergleich, der amerikanische Träger, der vor ein paar Wochen auf Freundschaftsbesuch hier war, hat 100.000 Tonnen und passte gar nicht erst in den Hafen. Ellie versteht die ganze Aufregung nicht. Ist bloss ein Boot.
Flugzeuge kriegt das Boot erst nächstes Jahr, und später ein Schwesterschiff, auch mit Heimat in Portsmouth. Die zwei Vorgänger waren bei meiner Ankunft noch hier stationier. Inzwischen verschrottet.
Jetzt erklären sich auch die vielen Baggerschiffe, die im letzten Jahr vor dem Hafen vor und zurück fuhren. Die haben die Fahrrinne vertieft. Auch gut fuer Archäologen. Es wurde alles von deutschen Bomben bis zu alten Kanonen gefunden.

Große Bücher für kleine Leute
Das Begleitbuch zur Deutschlandausstellung habe ich bereits ausgelesen. Las sich ganz ungewöhnlich schnell. Ist auch leicht geschrieben, und ich hoffe Ellie liest es wie angekündigt auch. Naja, aber viel Hoffnung ist es nicht. Daneben habe ich ihr die englische Ausgabe der Verlorenen Ehre der Katharina Blum gegeben. Auch da habe ich meine Zweifel. Sie hat mir dafür endlich das Preußenbuch aus der Bibliothek geholt.

Große Entscheidungen für kleine Geister
Arbeit: Meine neue Chefin hat sich langsam eingearbeitet und übernimmt zunehmend ihre Führungsrolle. Was die ja mir übertragene Datenproduktion angeht, haben wir endlich alle Zahlen beisammen und können sie jetzt analysieren. Ich schreibe gerade den Kommentar. Macht mir auch keinen Spaß. Ende September wird dann alles veröffentlicht.
Nebenher bin ich ganz hin- und hergerissen, ob ich mein Aufbaustudium machen soll. Einerseits ist es eine gute Zeit und es wird bezahlt. Andererseits hieße es wahrscheinlich, jeden Freitag nach Oxford zu fahren. Also 5 Stunden im Auto, für mindestens 6 Stunden Vorlesungen. Und dann die Hausarbeit. Eigentlich soll es auch Videoübertragung geben, sodass man also nicht persönlich hinmüsste. Aber das machen sie zum ersten Mal, wer weiß also, ob das klappt.

Große Freiheit auf kleinen Bergen
Um zumindest privat das Gefühl zu haben, die sich bietenden Chancen zu nutzen, bin ich endlich einmal auf eine längere Wanderung gegangen. Der Sommer ist zwar schlecht, aber man kann ihn ja nicht verkommen lassen. Also bin ich ins Dorf East Meon gefahren, was nicht weit von der Jurte liegt. Von dort bin ich frei nach Schnauze über die öffentlichen Wege zum kleinen Berg Butser gelaufen. Dort war ich vor kurzem mit Ellie gewesen und die besten Aussichten in der ganzen Region entdeckt. Diesmal war Ellie nicht dabei, dann so lange läuft sie nicht gerne, und neue Wege probiere ich lieber erst allein aus. Und tatsächlich, man kommt in anderthalb Stunden hoch und hat dabei einen sehr schönen Anmarsch. Der Ort East Meon selbst ist auch sehr nett. Ich werde bei unserem nächsten Besuch der Jurte mal mit Ellie dorthinlaufen und die guten Pubs ausprobieren.

Der Blick vom Hügel Butser, auf unserem ersten Besuch. Beim zweiten bin ich von ganz hinten rechts gekommen.

Im Anschluss machten wir noch im Umweltzentrum Halt.

Muttis Besuch

Vom 6. zum 13. August war Mutti hier - ganz allein ist sie geflogen! Denn trauen muss man sich Sachen, da waren wir uns einig. Im Gepäck hatte sie eine Zuckertüte für Ellie, die ich im Juni in Deutschland vergessen hatte.
Zwei Tage konnte ich mir freinehmen, die hatten dann auch das schönste Wetter, nämlich sonnigen Herbst. Drei schöne Ausflüge haben wir gemacht. Einen in ein Freiluftmuseum, das Dorfgebäude aus allen Zeitepochen sammelt und restauriert. Einen mit der Autofähre zum Abtei Quarr auf der Isle of Wight. Und zuletzt einen zum Chili-Festival, zu Musik und Essen. Auf letzterem hatte Ellie bisher jedes Jahr auf der Bühne getanzt und ich war zu der Zeit immer in Deutschland. Diesmal war ihre Gruppe nicht da, dafür haben wir zu zwei Salsa getanzt. In den vier Jahren, die wir uns kennen, war das vielleicht das zweite Mal, dass wir in der Öffentlichkeit getanzt haben! Außerdem hatten wir Zugang zu einem weithin bekannten Schulgarten.
Aber auch an den Arbeitstagen haben wir die Abende immer schön gemacht. Wir sind die Seepromenade abgelaufen und haben viel geredet. Das war eigentlich wichtiger als viele Ausflüge.

Und weil Abschiede immer so traurig sind, sind Ellie und ich nach Muttis Abfahrt direkt nach Chichester gefahren. Dort habe ich Ellie den Kanal rauf und runter gerudert, und sie hat ihre Entenfreunde gefüttert. Einige der Küken vom Juni waren immer noch da und an den Ufern hingen reife Brombeeren.
Ellie und ich planen etwas, Buddha beobachtet Mutti argwöhnisch, und mittendrin liegt Ellies Zuckertüte.

Unser zukünftiges Haus, heimlich aufgenommen um keine englischen Gefühle zu verletzen.

Vor einem viktorianischen Haus im Freiluftmuseum.


Ich habe gelernt: Mutti kann auf Stelzen laufen.

Wir können das auch.

Aber nicht allein.

Abendessen im Einkaufszentrum Gunwharf Quays, im alten Marinearsenal.
Ein Teil des Einkaufszentrums ist der Spinnaker Turm.

Der ist hier im Hintergrund zu sehen, während wir auf der Fähre aus Portsmouth zur Isle of Wight übersetzen.




Dort habe ich im letzten Jahr einen kurzen Weg zur Abtei Quarr gefunden. Die mit den Schweinen.

 
Zu Ellies immenser Begeisterung haben die Klosterschweine gerade Junge.


Dort hat Mutti endlich ihren Cream Tea bekommen.
Das ist ein Kuchenbrötchen mit Marmelade und Sahne. Ellie sagt: immer zuerst die Marmelade draufschmieren.

Am letzten Tag sind wir zur Chili Fiesta gefahren.

Da geht es um Musik und Essen.

Und man kommt in die Gärten der ansässigen Schule.


Nach Muttis Abfahrt habe ich Ellie den Kanal von Chichester runter- und wieder rausgerudert.

Dienstag, 1. August 2017

Wider den Stress, für die Wissenschaft!

Nah am Wasser
An einem verregneten Samstag sind Ellie und ich ins örtliche Aquarium am Meer gegangen. Viele Fische, Otter, einige Landtiere. Viele laute Kinder. Abends habe ich für Ellie Russischen Zupfkuchen gemacht. Das hat einen langen Disput beendet, welches Land besseren Käsekuchen macht. Englischer ist gefüllt mit Weichkäse (z.B. Mascarpone) und nicht gebacken, sondern gekühlt. Quark ist hier nicht mal groß bekannt. Wie sich rausstellte, schmecken beide Varianten gleich. Wie uns dann einfiel, liegen Quark und Weichkäse ja auch nah beieinander auf der Molkereilinie und Milch zu Butter.

Oben auf
Am Sonntag tagsdarauf wollte ich mal wieder aufs Land. Wir haben einen weithin sichtbaren Hügel angefahren, der zum Naturpark der South Down gehört. Dort oben haben wir ganz tolle Blicke entdeckt. Im Süden sieht man gleichzeitig Portsmouth, Southampton und tatsächlich die gesamte Nordküste der Isle of White. Nach Norden hin öffnet sich eine Tiefebene, wo im Frühling die Rapsfelder eine ganz tolle Aussicht geben werden. Und nach Osten hin sieht man die Hügelkette der South Downs. Der Hügel nebenan ist dann auch der Königin Elisabeth Landschaftspark, wo wir vor einigen Wochen waren. Ebenfalls in Sichtweiter ist das Umweltzentrum, wo wir anschließend noch Tee tranken.

Drunter und drüber
Im Büro habe ich viel zu tun und auch viel Stress. Die letzten zwei Wochen hatte ich viel mit dem Anlernen meiner neuen Chefin zu tun, und führe nebenbei noch die jährliche Datenproduktion. Projektführung liegt mir nicht so, wie ich lerne - nichts ist jemals wirklich fertig. Dann bin ich einerseits frustriert, dass momentan viele Kollegen viel zu lernen scheinen, und andererseits bekomme ich ein Stipendium zum Aufbaustudium, von dem ich noch nicht ganz überzeugt bin. Abends bin ich darum bin ziemlich müde und der sozialer Ausgleich fehlt. Mathieu ist weg, der Chor hat Pause. Nur schwimmen kann ich viel.

Der Kaiser und der König
Nach dem Buch über die Nachkriegsmonate in der Welt habe ich jetzt mein Geburtstagsbuch angefangen, die Erinnerungen einer Nation. Endlich erfahre ich was über Deutschland! Der Stil ist sehr leicht und natürlich für Briten und großes Vorwissen ausgelegt. Aber man erfährt doch so einige interessante Anekdoten. Ellie zum Beispiel interessierte, dass der britische König Georg I als Kürfürst von Hannover gleichzeitig Untertan des deutschen Kaiser war. Daraus leitete sich ein längerer Vortrag über der Heilige Römische Reich, die Namensherkunft Preußens und der Geburtsort unseres italienischen Freundes, damals Teil des Reichs, ab. Christopher Clarks Preußenbuch habe ich in der Bibliothek reserviert und warte jetzt.

Schäfchen zählen
Ich habe ein neues Hobby. Auf einer Internetplattform für Hobbywissenschaftler zähle ich auf Fotos Tiere in einem Reservat in Kenia. Das heißt, eigentlich wollen sie dort Giraffen zählen. Dazu haben sie automatische Kameras aufgestellt, vermutlich mit Bewegungsauslöser. Nun ist Fotos machen bekanntermaßen heutzutage nicht mehr schwer, Fotos auswerten dagegen sehr, weil das Handarbeit ist und Forschungsprojekte generell kein Geld haben. Weil es auch nicht schwierig ist, lassen sie darum Freiwillige ran. In gut 700 Bildern habe ich genau ein Giraffenbein gesehen! Dafür tausende Ziegen und Hirtenjungen, die sich einen Spaß mit der Kamera machen- Interessant aber, ungestellte Bilder von Tieren und Menschen zu sehen. Und mit der Zeit kriegt man richtig Erfahrung, wie die verschiedenen Arten aussehen. Inzwischen kann ich auch ein Kudu von einem Eland unterscheiden.
Erfahren habe ich von dieser Seite über einen Vortrag auf der Arbeit. Dort überträgt ein Forschungsteam alte Statistiken der Volkszähling von 1961 von Mikrofilm auf Computer. Was die Bilderkennung nicht automatisch schafft, wird Freiwilligen vorgelegt. Die Internetplattform, wo diese ganzen Projekte verfügbar sind, hat sich ursprünglich aus astronomischen Projekten entwickelt, wo Teleskopaufnahmen ausgewertet werden. Wie sich herausstellte, hat Ellie schon vor fünf Jahren Spiralgalaxien klassifiziert. Als sie einmal kurz das Keniaprojekt übernahm, bekam sie nach zehn Bildern eine Giraffe! Ist das eine Normalverteilung?!