Montag, 27. Juli 2015

12.07.2015 - Papas Besuch (und mein Geburtstag!)

Zwei Tage nach Friedemanns Abreise kam abends Papa. Ellie war selbst erst am Vortag von ihrer Konferenz in Brighton zurückgekommen, sodass ich einen willkommenen Abend Pause nur für mich hatte. Gleich nach seiner Ankunft wurde Papa zur jährlichen Sommergartenfeier meiner Gesangslehrerin mitgenommen. Diesmal fiel das auf den 4. Juli, und da sie ja Amerikanerin ist (nicht zuletzte darum machen mir die Stunden Spaß, weil man einmal nicht mit der britischen Indirektheit kämpfen muss), feierten wir die "Befreiung vom Joch britischer Tyrannei".

Mein Geburtstag
Auch mit Papa machte ich das ganze Sommerprogramm, Konzert, Schwimmen, Sonnenbrand. Auch wenn er das als einziger schon kennt, aber Portsmouth ist bei Sonne einfach zu schön. Natürlich war Papa zuvordert zu meinem Geburtstag gekommen und der verdient gesonderte Erzählung. Denn wie schon im letzten Jahr spüre ich, wie es mir echte Freude macht, wieviel Mühe sich diverse Menschen um mich machen. Das ging schon morgens los, als Ellie darauf bestand, ihre Geschenke auszupacken, bevor ich losging (freinehmen konnte ich den Tag nämlich nicht, da ich eine selbstgewählte Verpflichtung auf der Arbeit hatte). Und das war schön, das sich das spürbar seit langer Zeit vorbereitet hatte. Danach aß ich mit Papa am Meer Frühstück am Meer. Auch hierzu muss ich sagen, dass ich sonst immer im Zug und am Schreibtisch esse. Und so ein richtiges Frühstück macht wirklich einen Unterschied, zumal am Wasser, an einem Wochentag, da ist es ruhiger. Sogar auf der Arbeit erwartete mich eine schöne kleine Überraschung. Dazu muss ich sagen, dass jeder in meinem Team einen Charakter aus einer Zeichentrickserie für Kleinkinder zugeschrieben bekommt. Ich hatte gebeten, keine Standardkarte mit Unterschriften zu bekommen, bekam dafür ein Leseheft mit meiner Figur und guten Wünschen auf der ersten Seite. Zu meiner eigenen Überraschung hat mir das Freude bereitet.

Geschenkliste
1 x Legobagger
1 x russische "Valenki" Filzstiefel (passen nach Weitung doch!)
2 x Deutsches Tshirt
1 x Nepal Tshirt
1 x Keksrezeptbuch
1 x Buch "Viva Warszawa" (neuestes Buch von Steffen Moeller, über Warschau)
1 x Omakekse
1 x Muttikekse
1 x Prosecco
1 x Echter Champagner, aus der Champagne
1 x Leseheft "Mr Worry's Christmas"
2 x Manschettenknopf, bassschlüsselförmig
1 x Abendessen
1x Seifenblasen (Buddhas Schrecken)
1x Taschenbuch "Die Hanse"
1x Muttis Marmelade & Rhabarbersaft
1x Echter Deutscher Pudding (sehr zu Ellies Freude)
1x Drohne (ja, so ein vierrotoriges, ferngesteuertes Flugzeug)

Gottseidank hatte ich den Zeitreiseführer England 14. Jh. gerade ausgelesen. Das erwähnte Viva Polonia habe ich daraufhin in wenigen Tagen durchgelesen. Einerseits mit dem schönen Gefühl des Wiedererkennens, das man dann auch gleich Ellie kommunizieren kann. Andererseits mit der unschönen Erkenntnis, dass sich Warschau, dass sich Polen treulos ohne mich weiterentwickelt hat, einige meiner Wahrheiten nicht mehr gelten, neue dazugekommen sind. Oder noch schlimmer,, jemand sie vor mir entdeckt hat. Zum Beispiel das Prestigeproblem des Fahrradfahrens: hatte ich auch schon gespürt, und wie es sich langsam änderte, und ich war auf den Kritischen Massen mitgefahren, mit meinem guten billigen deutschen Fahrrad um meinen Teil beizutragen, als guter Deutscher. Aber dass es inzwischen auch in Warschau einen öffentlichen Radverleih und ich nichts davon gehört hatte, schlimmer noch, selbst gesagt hätte, das wird alles geklaut, gibt mir ein Gefühl als wäre ich 100 und völlig hinter der Zeit. Jetzt lese ich "Die Hanse", inspiriert durch die Eröffnung des Hansemuseums Lübeck.

St Hubert, Brighton, London
Den folgenden Abend hat uns Mathieu aufs Land zur Hubertskapelle gefahren, letztens ausführlich beschrieben. Die Margarithen waren bereits verblüht, dafür werden die Felder golden und wir sind noch einen Ort weiter nach Chalton gefahren. In diesem ebenfalls schönen Ort gibt es einen Pub, von dem aus man quer übers Feld schon den Steinzeithof Butser sowie den Elisabeth Landschaftspark sieht. Und einige Hügel weitere wusste ich das Naturzentrum. Alles sehr dicht beieinander in diesem Gebiet.
Einmal habe ich ein Abendessen mit Nepalbildern bei organisiert, die sich ja für Asien interessiert und in der Tat gerade eine Dienstreise nach Indien im Frühling bestätigt bekommen hat. Auch Papas zweites Wochenende hier war sie weg, auf einem Tanzlehrgang, und ich fuhr Freitag mit Papa (wieder) nach Brighton, diesmal ohne Palastbesuch. Das Wochenende selbst verbrachten wir in London, um ihm die Flughafenanfahrt zu verkürzen. Wir machten eine Bus- und eine Bootsfahrt, wie richtige Touristen, und gingen ganz zum Schluss in die Tate Modern Galerie. Ich dachte seit 12 Jahren, dass ich mit 18 schonmal dagewesen war - ganz offensichtlich war es doch die "normale" Tate gewesen.
Sonntag mittag fuhren wir beide jeweils nach Hause, ich traf noch kurz Mathieu am verregneten Meer und abends kehrte auch Ellie zurück. Aber den folgenden Montag nahm reservierte ich erstmal für mich ganz allein.

Konzert am Meer.


Auch Buddha durfte natürlich wieder mit Pakete auspacken...

...noch wusste er nicht, was für Schrecken da drin lauerten.

Deutscher Pudding.

Deutscher Pudding.

Geburtstagsabendessen
U minja kosovorotka i vareniki!

Der Polarforscher steigt mit der Hebebühne von seinem Schneemobil in den Hubschrauber (der Hubschrauber kann auf der dünnen Eisdecke nicht landen, und die Wissenschaft kann nicht warten!)


In der Tate Modern Galerie.

Hubertskapelle drei Wochen nach meinem ersten Besuch.


02.07.2015 - Friedemann

Friedemanns Firma nimmt ihre Mitarbeiter jährlich auf einen Ausflug, diesmal nach Schottland. Danach kam er zu mir. Das war der Anfang von zwei Wochen, ja eines ganzen Sommers von Besuchen. Denn kurz nach Friedemann würde Papa kommen und Ende August Mutti und Rieke.
Friedemanns letzter Besuch war im November 2012, also der erste, der zu mir nach Portsmouth kam. Leider hatte er sich diesmal auf dem Weg eine schwere Erkaeltung eingefangen, wegen der er zwei Tage im Bett lag und den Rest der Zeit nicht viel machen konnte. Dabei war das Wetter gerade ihm zu Ehren ein paar Tage richtig gut.

Kayak
Samstag konnten wir noch was unternehmen. Ellie war das Wochenende nämlich auf einem Bauchtanzlehrgang und ich fand es wirklich toll, einmal einen Deutschen dazu haben. Mit Friedemann konnte ich nämlich endlich ein Kayak ausleihen, das wäre mit Ellie schwierig (zu nass, zu kalt). Bootfahren ist seit dem letzten Sommer mein Steckenpferd, am liebsten würde ich eine richtige Kayaktour auf einem Fluss machen, wie 2006 in Polen. In Portsmouth kann man sich auch Kayaks ausleihen, wenn auch nur in einer Meeresbucht, in der die Fahrt natürlich nicht so abwechslungsreich ist wie auf einem Fluss. Fotos unten. Danach haben wir es dank Fahrrädern noch zum Sonntagskonzert geschafft (das wäre mit Ellie auch schwierig, Fahrräder sind gefährlich) sowie in einige Kneipen und noch einmal schwimmen. Dann schon spürte er die Erkältung.
Darum war er am Sonntag darauf nicht wirklich verfügbar, aber dafür kam Kalina, denn es war das jährliche Sommersalsakonzert. Friedemann ist bald nach Hause schlafen gegangen, Kalina und ich hatten richtig Spaß.

Brighton
Mit Ellie sind wir einmal abends am Meer grillen gegangen, und den vorletzten Tag habe ich mir frei genommen und habe Friedemann Brighton gezeigt. Ellie fuhr dort auf eine Konferenz und wir begleiteten sie auf dem Weg. Zur Erinnerung, in Brighton war ich mit 16 für drei Wochen und es hatte zwar nicht sprachlich doch persönlich für mich wichtige Konsequenzen, über die ich mich viel mit Friedemann unterhielt. Davon abgesehen ist Brighton ja vor allem für seinen Strand, die Seebrücke und einen Palast bekannt (und das Nachtleben, aber wir waren ja nur den Tag da), Ich muss mit 16 drin gewesen sein, hatte aber keinerlei Erinnerung, weshalb wir mal reingingen. Der war vom späteren Georg IV. erbaut, einem bekannten Halodri auf dem Thron, der sich einen extravaganzen Partypalast erbauten ließ, außen pseudo-indisch und innen pseudo-chinesisch.

Aktion Echte Männer.





Schließlich sind wir immer noch jung!



25.06.2015 - Was draus machen

Nach dem letztem Eintrag sollte ich vielleicht sagen, dass es ich mich allgemein sehr kräftig fühle und die wiederholte Besprechung meiner Blutwerte den falschen Eindruckt vermittelt. Hätte ich Anfang des Jahres nicht die Blutbilder begonnen, würde ich jetzt im Alltag gar nicht auf die Idee kommen, einen Arzt zu besuchen. Deshalb diesmal (fast) nur gute Nachrichten, um die Besuche Friedemanns und Papas herumgeschrieben, die jeweils einen eigenen Artikel bekommen.

Wieder gesund
Zuerst die nur bedingt positiven Meldungen. Von ärztlicher Seite ist mein Fall in England abgeschlossen. Das vierte Blutbild zeigte eine moderate Verbesserung der bisher immer gemessenen Werte und nur wenige Auffälligkeiten der neu gemessenen Werte. Daraufhin ist es der Hämatologie nicht interessant genug, will sagen ist mein Fall nicht schwer genug für ihr Budget. Mir ist nicht ganz klar, warum eine Verbesserung die drei vorherigen Messungen ungeschehen macht, zumal zwei Werte immer noch außerhalb der Referenzschwelle liegen. Aber der Hausarzt weigert sich direkt, auch nur eine weitere Untersuchung zur Kontrolle zu machen. Auch wenn jede Einzelentscheidung seit Januar an sich nachvollziehbar ist und ich mich ja auch nicht krank fühle, hat mich das letzte halbe Jahr Vertrauen in die Qualität des öffentlichen Gesundheitswesens gekostet. Dementsprechend plane ich, in Deutschland wenigstens noch ein Blutbild und eventuell einen Ultraschall machen zu lassen. Positiv ausgelegt ist natürlich die Zusammenfassung, dass ich offiziell gesund bin.

Sommerloch
Der Sommer hält sich dieses Jahr tatsächlich sklaving an den statistischen Durchschnitt, den er die letzten zwei Jahre so konsequent überschritten hatte. Durchschnitt 20 Grad und Wolken. Dabei so schwül, das man trotzdem nicht mit langen Hosen vor die Tür darf. Das Wasser dagegen ist seit Anfang Juli wundervoll und ich gehe schwimmen, wann immer ich kann.

St Hubertskapelle
Ab jetzt nur Gutes. Ende Juni habe ich zur Abwechslung mal ganz allein wieder etwas neues entdeckt, die St Hubert Kapelle in Idsworth. Seit ich sie nach einem Ausflug mit Ellie vom Zug aus gesehen hatte, in einem Feld wilder Margariten, wollte ich sie unbedingt mal von Nahem besichtigen. Sie liegt in dem schönen Stück Land nördlich von Rowlands Castle, in dem Ellie und ich schön viele Orte besucht haben, den Elisabeth-Landschaftspark, die Steinzeitfarm und zuletzt das Naturzentrum mit Yurte. Nun war die Kapelle etwas zu weit für einen Fußweg, und Ellie fährt ja partout kein Rad. Zum Glück war sie einen Tag in London, sodass ich wie in alten Junggesellenzeiten morgens das Rad zum Bahnhof fuhr und unabhängig erkunden konnte. Das war auch alles sehr schön, insbesondere die Einbettung der Kapelle in die Blumenwiese, wie auf diversen Fotos festgehalten, aber auch historisch interessant. Gebaut war sie ursprünglich vom Vater König Harolds, dem letzten angelsächsischen König von England, gegen Wilhelm dem Eroberer bei Hastings gefallen. Innen ausgezeichnet erhaltene Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert. Schon 13 Uhr war ich zurück in Portsmouth, pünktlich zum Konzert am Meer, das ich allein und mobil in voller Länger hören konnte. Danach war ich im Meer und dann im Rosengarten - solche Tage alleine sind inzwischen so selten, dass ich sie jedes Mal richtig genieße. In der Zwischenzeit war ich gleich noch zweimal dagewesen, inzwischen waren die Margariten verblüht, die Felder dafür aber goldgereift, aber dazu später.

Kalina
Ende Juli besuchte Ellie wieder eine Freundin, diesmal über Nacht, was ich dazu nutzte, selbst zu Kalina zu fahren. Das geschah ziemlich spontan und wir hatten keine weiteren Pläne, außer Bienenstich zu machen, Kalinas Lieblingskuchen aus ihrer Zeit in Deutschland. Der ist uns trotz fehlender Zutaten auch gelungen. Vor allem aber sind wir einmal nicht tanzen gegangen, weil wir beide zu alt und müde waren. Diese Entscheidung häuft sich in letzter Zeit mit allen meinen Freunden, was nicht zuletzt mir sehr entgegen kommt. Gerade durch die Planlosigkeit war das ein kurzer aber sehr angenehmer Besuch. Ich bekam nachträgliche Geburtstaggeschenke, aber dazu in einem anderen Artikel.

Arbeit
Meine Arbeit erwähne ich ja selten, aber meine neue Aufgabe läuft gut und sogar immer besser. Anders als im vorigen Projekt habe ich gute Ideen und kann mit meiner Chefin leichter kommunizieren (und vielleicht herrscht auch ein niedrigerer Anspruch.). Teilweise habe ich morgens richtig Lust auf meine Arbeit, weil ich weiss, was ich mache, oder zumindest das Gefühl habe. Bisher beschäftigen wir uns mit der Überarbeitung unserer Methodik (also wie wir unsere Statistiken herstellen), von August bis September ist dann aber die jährliche Phase, in der wir diese Statistiken dann produzieren.

Vermischtes
Ich habe einen neuen Mitbewohner, einen chinesischen Doktoranten, der für ein halbes Jahr bleibt.

Der letzte Monat war ein teurer, vor allem wegen diversen Fahrkarten, aber auch wegen einer neuen Brille. Ich musste die alte widerwillig ersetzen, nachdem die Linsenhalterung nachzugeben begonnen hatte. Mein Handy dagegen habe ich allein durch Klebeband repariert und es wird  mir auch die nächsten zehn Jahre erhalten bleiben, trotz aller Versuche, mir ein Smartphone überzuhelfen.

Englische Kultur I: das traditionelle Doktorbarett heisst im Englischen "Moertelkelle".
Englische Kultur II: ich habe eine festliche Zeugnisübergabe an Uniabsolventen besucht. Das ist an allen Unis des angelsächsischen Kulturraums so. Ob in Deutschland, weiß ich gar nicht. In Magdeburg bekam ich das nicht mit, weil ich längst in Polen war, und die Einladung aus York schlug ich aus, weil mir sowas ohnehin unsympathisch ist. Die Uni Portsmouth macht das jedes Jahr im Juli, etwa 2 Wochen lang, zwei- bis dreimal am Tag. Ellie muss da mithelfen, die Besucher unter Kontrolle zu halten, und somit konnte sie auch mich reinbekommen, weil ich mir das mal ansehen wollte. In der Tat liegt mir diese Art Veranstaltung nicht, in meinen Augen funktioniert die Vergauklung von Würde und langjähriger Tradition nicht. Wenn alle berobten Absolventen und ihre rausgeputzen Familien sitzen, prozessieren ebenfalls berobte Dozenten hinter einem Zepter zu Orgelmusik ein. Inspiriert sind die Rituale natürlich von Oxford und Cambridge, wo sie eben die Verbindung zur kirchlichen Gründung vor Jahrhunderten haben. Aber sie passen irgendwie nicht an eine junge Uni im akademischen Durchschnitt in einer eher armen Stadt. Und die Dozenten hassen es. Kein Wunder, die müssen sich totlangweilen. Dreimal am Tag hören sie die gleichen Reden. Nur die der Studentenvertreter ist jedes Mal anders - und was ich hörte, war unerträglich. Nun, eine Erfahrung mehr.



Hubertskapelle in Idsworth. Im Sommer eingebetten in ein Margaritenfeld und umgeben von der immer schönen Landschaft in einer der besten Wandergegenden hier. Im Vordergrund Schienen, von denen ich St Hubert das erste Mal gesehen hatte.

Gerade war eine Taufe zu Ende, man ließ mich dann auch in die Kirche.




Detail aus meiner Lieblingskneipe.

Nicht zu sehen: Omas Poloshirt habe ich letztens selbst genäht. Danke Nähunterricht 3. Klasse.