Zu seinem Geburtstag kam mich Papa eine Woche besuchen. Am Osterwochenende fuhren wir mit Ellie ins Dartmoor, einem Nationalpark westlich von Exeter. Genau gesagt fuhr ich, zum ersten Mal in England, einen Mietwagen auf den überfüllten Autobahnen, denn jeder wollte aufs Land. Mir hat es wie immer gut getan, in der Natur zu sein, Raum und Ruhe zu haben. Schön ist die Region allemal, sehr ländlich, überall Felder in sattem Grün und Gelb, getrennt von Feldern, dazwischen sehr enge Straßen. Es gibt aber auch Heidefelder, Wälder, Flüsse und kleinere Berge. Den ersten, sonnigen Tag sind wir im Moor gewandert. Durch Wald, über Heidefelder, an Flüssen und Picknickern und Steinzeithütten vorbei.
Den verregneten Ostersonntag haben wir in Exeter verbracht. Das besteht vor allem aus der Kathedrale, wo wir zufällig eine Kollegin und Freundin Ellies trafen. Danach rettete uns das großartige Kunst- und Geschichtsmuseum vor den leeren, nassen Straßen.
Unsere Unterkunft ist Erwähnung wert: in einem konvertierten Bierlager hatten Ellie und ich das oberste Zimmer mit Blicken auf die Felder und einem Himmelbett. Mit der Wirtin haben wir uns prächtig verstanden, sie hat uns am letzten Abend bekocht und ab und zu beim Trivial Pursuit-Spiel mitgemischt. Das war nicht zuletzt Ellie zu verdanken, denn während der Reisevorbereitung hatte sich rausgestellt, dass sie Pensionen aussuchen kann. Ich kann nur Hostels. Bei allem anderen verzweifle ich zwischen all den Angeboten und Rezensionen wie Ellie zwischen Sofabauteilen.
Das Eiersuchen im Garten wurde vom Sonntagswetter verhindert, dafür versteckte ich für Ellie am Montag etwas aus Muttis Osterpaket im Frühstücksraum. Auf dem Rückweg hielten wir nochmal an der fossilienreichen Jurassic Küste von Dorset, wo uns aber die Aussicht von den hohen Klippen auf die sonnenbeschienene Küste und Segeljachten in kleinen Buchten genügte. Außerdem besichtigten wir eine dieser (vermutlich) prähistorischen Hügelzeichnungen in einem Dorf und fuhren durch den New Forest. Den hatte Ellie nämlich zu meiner Überraschung noch nicht gesehen. Das wird sich im Sommer wohl ändern.
Neue Arbeit
Nach Ostern begann ich meine neue Arbeit. Einfach ausgedrückt arbeite ich daran, wie man Emigration besser messen kann. Da die Leute sich beim Wegziehen ja nicht abmelden, muss man verschiedene vorhandene Hilfsindikatoren nutzen, um einen Vermutungswert zu erhalten. Wie genau diese Indikatoren interagieren, wissen wir nicht und es ändert sich auch mit der allgemein fluktuierenden Migrationssituation. Darum arbeitet mein Team daran, wie die derzeitige Methode verbessert werden kann. Daran gibt es einige positive Dinge. Zum ersten, dass ich das ganze überhaupt verstehe - eine willkommener Unterschied zum Arbeitsbeginn in der Volkszählung. Zum zweiten habe ich ja an der Uni ein bisschen an Migration gearbeitet und auch an rudimentären Modellen. Das mein Studium jetzt tatsächlich was mit meiner Arbeit zu tun hat, nehme ich als seltenes Glück wahr. Dazu werde ich wohl in Fachliteratur lesen dürfen/müssen und an statistischen Computerprogrammen arbeiten, was ich explizit lernen wollte. Man gibt mir die erste Woche zum Einlesen und mein Vorgänger ist auch noch da und sehr bereit, mich auszubilden. Ich bin in einem anderen Bereich des Büros, aber aus meiner alten Abteilung kommen bald zwei Leute rüber und einige Kollegen kannte ich bereits. Als erstes bin ich aber krank geworden und habe einen wunderbaren freien Tag zu Hause verbracht, mit morgendlichem Spaziergang am Meer wie in den alten Zeiten.
Anderes
Meine eigentliche Hauptarbeit ist natürlich weiterhin Tango. Mitte April hatten wir eine erste, desaströse Bühnenprobe im Kings Theater, wo ich seinerzeit die Carmina Burana gesungen hatte. Alles lief durcheinander, ich machte grobe Fehler im Tanz und die Organisation drumherum erinnerte an einen Haufen panischer Hühner. Erst am Tag darauf Stolz halbwegs verarztet, als ich abends zwei Stunden Extraproben einlegte. Auf eine Art und Weise werde ich die intensiven Proben vermissen - abends nach der Arbeit noch zwei Stunden übers Parkett zu schwingen ist anstrengend, aber ich gewinne auch mehr Bewegungskontrolle und Freude an der Bewegung. Und nicht zuletzt das Gefühl von Fortschritt und Sinn.
Der Chor pausiert weiterhin und wenn ich ehrlich bin, hat das auch sein Gutes. Die Extrazeit macht sich im Alltag bemerkbar und ich komme wieder dazu, Sachen zu erledigen. Zum Beispiel habe ich jetzt richtige Tanzschuhe für die Tangoauftritte. Dann habe ich meine erste eigene Reparatur am offenen Computer durchgeführt. Die Hilfe eines Kollegen hat mir viel da viel Geld gespart. Mein Fahrrad muckte auch herum, wurde aber mithilfe des Radvereins repariert und befindet sich jetzt im wohl besten Zustand seit dem Neukauf. Gelernt habe ich dabei auch wieder was. Das sind die Dividenden, langfristig an einem Ort zu wohnen und die richtigen Leute gefunden zu haben.
Mathieu kam nach langer Dienstreise zurück, um eine Woche darauf gleich wieder auf Besuch zu seinem Bruder auf Martinique wegzufliegen. Wir haben es aber noch geschafft, nach langer Zeit ein Pubquiz zu besuchen und zu Papas Geburtstag im französischen Restaurant kam er auch.
Und schließlich: der Sommer hat seinen Willen gezeigt! Anfang April konnte man zum ersten mal dieses Jahr wieder abends am Strand liegen, oder am Wochenende die freie Zeit neben den Tangoproben.
Der Rosengarten blüht noch nicht, aber die Tulpen. |
Portsmouth 2014 |
Rostock 2012 |
Man verbringt die Abende wieder am Meer.
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Probe im normalen Tangosaal. |
Die erste Bühnenprobe im Kings Theater. Zwei Paare auf der Bühne, im Hintergrund warten andere auf den Auftritt. Die Flaschen auf dem Tisch rechts sind meine Requisiten für meine Rolle als Barmann. |
In der Umkleide. Guter Dinge vor der Probe. |
Wanderung im Dartmoor. |
Diesen Weg kamen wir. Auf den Feldern hinten liegen Überreste von steinzeitlichen Hüttenkreisen. Noch weiter hinten: viel Raum und wenig Lärm. |
Heide, Wald, Felsen, Weite. |
Alle machen Fotos. |