Montag, 29. August 2022

Tante Kalina

Es geht weiter mit den Menschen die man mal täglich gesehen hat: gestern kam Kalina für eine Nacht zu uns. Auf der Durchfahrt nach Southampton, wo sie ihre alte Wohnung verkauft. In meinem Kopf ist das noch die neue... Wir hatten uns seit meinem Geburtstag 2019 nicht mehr gesehen. In Magdeburg hatte ich fast täglich noch Tee bei Aleksieva Schwestern getrunken. Fast schon nicht mehr wahr.

Also hat sie Otto kennen gelernt; sie hat den klassischen Anfängerfehler gemacht sein Gewicht zu unterschätzen und als der ins Bett gegangen war haben wir noch am Meer gesessen. Die Zeit und Umstände für Gespräche waren begrenzt, aber dafür war es sehr schön.

Am nächsten Morgen fuhr Kalina weiter. Sonst hätte sie nachmittags mit uns die Hubertuskapelle umgeben von Sonnenblumen sehen können. Überall machten Leute Fotos. Ich habe diesen kleinen Ausflug sehr genossen; es war ein besonders schöner Tag im Frühherbst. Die vollen Bäume, Hecken mit reifen Früchten; Otto an den letzten Brombeeren des Jahres. Der blauweiße Himmel, die Stoppelfelder und dahinter die grünen Wälder. Tat mir irgendwie sehr gut. Ich träume dann davon, irgendwann mit Otto durch so eine Landschaft zu wandern, Drachen steigen zu lassen, Beeren sammeln, Kuchen backen.


Brombeeren > Mund


Original Bulgarisch


Samstag, 27. August 2022

Oma und Tante Rieke

Anfang August kamen Mutti und Rieke auf Besuch; hier bekannt als Oma und Tante Rieke. Für Mutti war das letzte Mal 2 Jahre her, für Rieke 7. Erst jetzt komme ich dazu darüber zu schreiben, denn es die Erinnerung wert. Vieles habe ich inzwischen sicherlich vergessen; das subtilere ohne Zweifel; daher eine kurze Auflistung unserer Ausflüge.

  • ein Picknick an der Kirche von Droxford, anschließend mit Otto die Füße in den Meon gesteckt. Die South Downs sind enttäuschen nie.
  • selber ernten auf der Durleighmarsh Farm. Otto wieder in den Blaubeeren.
  • die Sonnenblumenfelder auf der Insel Hayling. Leider sichtbar geschüttelt von der Dürre. Ich habe Wasser auf Ottos Autositz geschmiert, weil ich echt Skrupel hatte in da reinzusetzen.
  • ein Nachmittag im Umwelt Zentrum, wo ich einige Wochen vorher eine Übernachtung zum Geburtstag bekommen hatte. Oma und Tante musste sehen, dass man in Ottos Gesellschaft wirklich nicht essen kann.
  • Der Kunsthandwerkermarkt in Bosham bei Chichester, Windelwechselns in der Krypta der Kirche und mit den Füßen im Bach
  • Schloss Arundel für Mutti und Rieke, während wir mit einem leicht erkälteten Kind in den Gärten blieben. Otto bekam eine Schildkröte zu sehen.
Leider machte zum Ende hin die Hitzewelle alles schwierig; ich habe mich wenn möglich nur noch im Haus verkrochen. Wohin man auch fuhr, so verbrannt habe ich die Landschaft noch nie gesehen. Sagt man ja inzwischen jedes Jahr.

Abgesehen von den Ausflügen waren wir auch viele Abende zu dritt am Meer. Da war es frisch und ich konnte baden, die Schiffe fuhren und wir haben geredet wie es sich gehört. Mutti hat immer drauf geachtet, dass wir auch eine Flasche Bier mitbringen, oder zwei.

Ganz besonders schön fand ich es auch Mutti und Otto zu sehen. Enkel hatte, das glaubt man uns ja nie wirklich, keinerlei Berührungsängte und hat beide sofort dienstverpflichtet. Mutti hat ihn abends gebadet und ganztags viel bespaßt, besonders im Garten, was ich sehr gerne gesehen habe. Wir sind regelmäßig auf den Spielplatz gegangen; ich freue mich, dass sie eben auch den Alltag gesehen haben. Inklusive der Stressmomente und Reibepunkte, die viele Eltern gerne verschweigen. Es war gerade unter dem Gesichtspunkt schön, auch mal Aufgaben verteilen und selbst etwas mehr entspannen zu können.

Nicht zuletzt war es natpürlich gut, dass um Otto mal deutsch gesprochen wurde. Er versteht alles.

An drei Tagen mussten wir arbeiten, da sind Mutti und Rieke selbst umhergezogen, einen Tag auf die Isle of Wight.


Das erste Mal Zoo

An den zwei Wochenenden seit dem Besuch sind wir mit Otto zweimal in den Zoo Marwell gefahren, etwa vierzig Minuten nordwestlich von uns. Das erste Mal, weil er noch nie in einem Tierpark gewesen war und er nur noch ein halbes Jahr gratis rein kommt. Das zweite Mal, weil man momentan innerhalb von sieben Tagen gratis noch einmal reinkann. Das erste Mal schien er mir noch ein bisschen zu jung dafür zu sein. Aber nach dem zweiten Besuch heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. War vielleicht einfach zu heiß gewesen. Seine Lieblingstiere waren erst die Nashörner, jetzt  die Meerkatzen. Ellie und ich mochten die Okapis am meisten. Eines Tages im Rostocker Zoo, wie Papa als Stepke.

Otto Nachrichten

  • viele liebgewonnene Dinge sich nicht mehr in Mode. Wir dürfen ihn weder Dodo noch Bot nennen. Er sagt dann so schnell "Noooo, Otto!", dass wir ihn inzwischen "Notto" ausprobieren.
  • Wenn er in der richtigen Stimmung ist, quatscht und quasselt er mit Gusto und in richtigen Sätze n, auch wenn man etwas Erfahrung braucht um sie zu verstehen. Aber da merkt man mal, was er alles mitkriegt, wieviel er sich merkt und was für Details er ausdrücken will. Es macht ihm auch sichtlich Spaß und er redet manchmal einfach deshalb. Dann muss man immer die gleichen Fragen beantworten. Man sieht schon jetzt, wieviel er mal fragen wird. Zum Glück will ich ihm auch viel beibringen.
  • Seit einiger Zeit bewegt er sich bevorzugt auf Papas Schultern fort, genannt Papa-Pferd und angefragt mit Schnalzlauten. Das hat er lange nicht gemocht. Jetzt sehe ich in den Spiegelbildern vorbeiziehender Fenster, wie Otto mit verzücktem Ausdruck auf Papas Kopf kollabiert. Aber er ist wahnsinnig schwer!
  • Dazu muss ich ihm seine neuen Lieblingslieder vorsingen. Vor ein paar Wochen habe ich im Auto mal die späteren Nummern seiner CD ausprobiert. Seitdem will er nichts mehr von Summ Summ Summ hören. Stattdessen nur noch: "Oh du lieber Augustin", "Niklausabend" und vor allen Dingen "Horch was kommt von draußen rein". Alle paar Minuten hört man ihn "Hollahi, hollaho" singen. Und auch den restliche Text kann er verdammt gut.
  • Er wechselt inzwischen nahtlos zwischen Deutsch und Englisch. Er kennt natürlich mehr englische Worte, aber wenn er etwas haben will, fragt er zuerst Mami in ihrer Sprache, und wenn das nicht klappt, fragt er Papa in seiner. Ich erwarte trotzdem, dass er Deutsch mit etwa drei Jahren ablegen wird. Aber das Fundament ist da, und das freut mich wirklich.
  • Er interessiert sich auch zunehmend für Schrift. Ich muss ihm die Texte in seinen Bilderbüchern vorlesen und er will auch, dass ich dabei auf die Worte zeige. Wir versuchen daher wieder erste Buchstaben beizubringen. Er spricht auch die englischen Zahlen bis 10 nach, versteht die Bedeutung aber wahrscheinlich nicht.
  • ... bei all dem positiven ist er momentan aber auch ausgesprochen launisch und ungeduldig. Wenn dann nicht sofort passiert was er will brüllt er los und schmeißt und beißt und haut.

Johannes Nachrichten

  • ... und das kann ich nicht einfach mit "ist halt normal in dem Alter" wegwischen. Ich muss deutlich sagen, mein nervliches Wohlbefinden hängt in den letzten Wochen an einem dürftigen Strang. Das hängt sicherlich auch mit meinem Schlaf zusammen, aber die Umstände sind letztendlich irrelevant. Vor einer Woche fühlte ich mich kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als ich morgens schon fertig war und zuviele Sachen auf einmal auf uns einprasselten. Ellie musste den Katzen Medizin reinwürgen und schloss sich dazu in ein Zimmer ein; fünf Sekunden nachdem ich Otto übernommen hatte hämmerte der brülllend an ihre Tür und ich hatte dieses schreckliche Gefühl, dass alle Tricks und alle Mühe nichtmal das Allernötigste erreichen würde. Und das hat es plötzlich ausgesetzt und ich musste raus in den Garten rennen, weil ich es nicht ausgehalten habe, gleich am frühen Morgen. Wir haben uns abends zum Glück darüber unterhalten. Ich fühle mich immer furchtbar, wenn es scheint, dass ich nicht mal fünf Minuten die Arbeit machen kann, die Ellie den ganzen lieben langen Tag schafft. Und das mir bei Otto sowohl das Talent zur Unterhaltung fehlt als auch die Gedult, die Ellie seit jeher aus einer mir unergründlichen Reserve hernimmt, und ich damit noch mehr Druck auf ihr lasten lasse. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass ich mehr und früher schlafen kann. Aber ich sage es immer wieder: die Erlebnisse des ersten Jahres stecken weiter in uns, mit Gefühlen von Schuld und Ohnmacht, egal ob nun berechtigt oder nicht.