Mittwoch, 26. Februar 2020

Meistersinger

Letztes Wochenende habe ich meinen ersten Musikpreis gewonnen! Ich hatte mich auf betreiben meiner Gesangslehrerin vor Monaten für den jährlichen regionalen Musikwettbewerb angemeldet. Es gibt verschiedenste Kategorien: Gesang, Instrumente, Schauspiel. Wir hatten die Arie Donne mie aus Cosi fan tutte sowie das Stück On the Street where you live aus dem Musical My fair Lady ausgesucht, die mir über die Jahre besonders gut gelungen waren. Die haben thematisch nichts miteinander zu tun, weshalb ich die Kategorie "Vermischtes" auswählte. Dadurch hatte ich nur eine Konkurrentin, was den Sieg natürlich nicht schmälert. Ich war wirklich zufrieden mit meiner Stimme an diesem Tag. Mein Zylinder und Gehstock kamen auch zum Einsatz.
Ich bekam eine Urkunde und einen Wanderpokal, den ich aber unter freundlichem Dank da ließ. Erstens habe ich keinen Platz, und zweitens traue ich mir zu ihn bis zum nächsten Jahr zu verlieren. Mein Name wird trotzdem eingraviert.
Die Aula eines lokalen Gymnasiums vor Beginn des Wettbewerbs



Nach getanem Werk mit Richterin, Pokal und Urkunde





Donnerstag, 20. Februar 2020

Sportsmouth

Dienstag abend bin ich spontan mit einem Bekannten zum Fußball gegangen. Portsmouth war in einem Wettbewerb der niedrigeren Ligen bis ins Halbfinale gekommen und empfing Exeter. Für mich war es erst das zweite Mal im Stadium, nachdem wir es im letzten Jahr mit demselben Freund endlich mal hingegangen waren. Das Spiel war 80 Minuten Langeweile in der Kälte, gefolgt von einem echten Krimi, in dem Portsmouth zwei Rückstände aufholte um in der Nachspielzeit noch zu gewinnen. In diesem Video bin ich ab und zu im Hintergrund zu sehen.
Das Finale ist irgendwann im berühmten Stadion von Wembley. Ich fand mich ganz unerwartet für Portsmouth singen... aber man muss ja anerkennen, dass sogar weniger wichtige Spiele ein volles Haus bekommen. Und man geht mit Familie und Kindern, da kann man sich wohlfühlen, anders als in manchen anderen Stadien.

Donnerstag hatte ich einen kleinen Betriebsversammlung im schönen Wickham, die unerwartet angenehm war und mit Brettspielen endete. Außerdem erlaubte sie mir im Anschluss einen kleinen Spaziergang auf dem Meon-Wanderpfad erlaubte, den wir die letzten Jahre nach und nach entdeckt hatten.

Kollegen aus Wales bestätigten mir ein süßes kleines walisisches Wort für eine kleine Kuschelei: Kutsch (kurzes U).

Ich habe angefangen, mein kürzlich erhaltenes Buch über Wellentheorie zu lesen. Falls irgendwer mal nach Geschenken für mich sucht: Mosaik-Bände und Bücher der Beck Wissen Reihe.

Montag, 17. Februar 2020

Baby Konkret

Seit einigen Wochen gehen Ellie und ich auf eine Kurs für werdende Eltern. Dort werden jeden Dienstagabend und Samstagvormittag etwa einem Dutzend Paaren Theorie und Praxis von Geburt und Säuglingsbetreuung vermittelt. Dazu gehörten etwa die verschiedene Möglichkeiten der Schmerzlinderung, Windeln wechseln und Fütterung mit der Flasche. Anfangs hatte ich richtige Eingewöhnungsschwierigkeiten, die ich noch immer nicht ganz erklären kann, vermutlich sowohl etwas mit der Gruppensituation zu tun hatten als auch mit diversen Vorurteilen gegenüber Eltern, die noch in meinem Kopf stecken. Ich war lange Zeit nicht so scharf darauf wie ich hätte sollen, und nun wo ich mich daran gewöhnt habe ist es fast wieder vorbei. Es hat das Kind auf jeden Fall konkreter werden lassen. Lange Zeit war es in meinem Kopf nämlich eine ziemlich theoretische Sache für die Zukunft geblieben. Ich gebe auch zu, an manchen Abenden bedenke ich, dass ein ganzer Lebensabschnitt enden wird, mit vielen Sachen, über die ich mich selbst immer definiert habe. Zuvorderst der Umstand, dass ich viele Jahre nicht mehr kurz und einfach Leute für ein Wochenende besuchen werden kann - unabhängig davon, dass ich schon seit Jahren nicht mehr dazu komme. Freuen tue ich mich immer darauf, ihn eines Tages im Rucksack durch die South Down zu tragen und ihn mit der Natur vertraut zu machen.
Ellie hatte am Freitag ihren letzten Arbeitstag. Jetzt ist sie ein Jahr auf Mutterschaftsurlaub.

Zuguterletzt: wir haben nach vielen Jahren das Geheimnis guten Rotkohls: im Ofen machen, nicht im Topf

Sonntag, 16. Februar 2020

Die Beerdigung Ellies Opas

Mittwoch und Donnerstag dieser Woche waren Ellie und ich zur Beerdigung ihres Opa. Der war nach vielen Jahren mit Alzheimer Ende Januar nicht unerwartet mit 97 Jahren gestorben. Er war der Vater von Ellies Mutter, sodass ich nach der Beerdigung der Mutter des Vaters im letzten Jahr auch diese Seite der Familie vollständig kennen lernte. Anders als (meines Wissens) in Deutschland üblich ist hier Einäscherung häufiger als Beerdigung. Und zur Einäscherung kommen üblicherweise mehr Leute als zur Beisetzung der Urne. Das fand also in der Stadt Royal Tunbridge Wells statt, einer ehemaligen Bäderstadt südlich von London, zwei Stunden Fahrt von Portsmouth und eine Stunde vom Wohnort der Familie in Cranbrook. Im dortigen Krankenhaus war übrigens Ellie geboren worden.
In Tunbridge Wells haben wir noch ihre Schwester Amber vom Bahnhof abgeholt. Am Krematorium erfuhr ich, dass beide große Teile der Familie gar nicht oder nicht mehr wiedererkannten. Anders als die väterlicher Seite sind die alle englisch-korrekt menschenscheu.
Die Zeremonie war kurz und, unerwartet, kirchlich. Es wurden zwei Lieder gesungen, die ich zum Glück kannte. "Morning has broken" hatten wir in der Schule gelernt, und zwanzig Jahre später war das tatsächlich nützlich. Wiederum stellte ich fast, dass mir das Theater der Angestellten um den Sarg nicht gefällt.

Beim anschließenden Familientreffen in Cranbrook habe ich viel mit der Oma gesprochen. Ellie hatte immer erzählt, wie aufgeweckt sie sei, und das stimmt. Sie schreibt auch eine Biografie, so wie Ellies Uroma auf Vaters Seite über sich und ihre Mutter eine veröffentlicht hat, und sie malt. Das wusste Ellie alles nicht. Sie hat eine ganz einfache Herkunft, ging mit 14 Jahren von der Schule ab und arbeitete ihr Leben lang auf dem Land, hat diverse Geschwister und selbst 5 Kinder. Alle Generationen der Familie leben im gleichen Ort, teilweise in der gleichen Straße, genau wie auf der Seite des Vaters.
Übernachtet haben wir bei Ellies Schwester in Canterbury, eine weitere Fahrtstunde entfernt. Als wir dort im Dunkeln den letzten Feldweg runterfuhren, sah ich von einem Hügel die Kathedrale unten im Ort nachts hell angestrahlt wird und riesengroß aussieht. Am nächsten Tag waren wir noch kurz im Zentrum unterwegs und ich bin eine Stunde ins Römische Museum gegangen. Kent war die erste Provinz, in der die Römer damals landeten und ist sehr reich an Funden. Die wichtigsten Orte liegen natürlich unter der heutigen Stadt und man kommt schlecht ran. Die größten Funde machte man, als die deutsche Luftwaffe gezielt historische Städte angriff.

Von Amber haben wir noch Weihnachtsgeschenke bekommen. Ich eine kurze Einführung in die Wellentheorie. Das interessiert mich zunehmend, seit ich am Meer wohne. Aber momentan wiederhole ich unsystematisch Stellen in meinem alten Buch über das frühe Mittelalter, und in meinem relativ neuen Buch über DDR Geschichte.

Cantebury

Samstag, 15. Februar 2020

Jeden Tag in Rostock

Im März 2012, als ich in Rostock wohnte, bin ich an einem sonnigen Sonntag mit meinem kleinen Fahrrad in die Stadt gefahren, um das schöne Wetter zu genießen. Eigentlich wollte ich gar nicht so weit fahren, aber am Ende bin ich um den ganzen Stadthafen herum auf das Gehlsdorfer Ufer, wo ich bis dahin nie wirklich gewesen war. Daher kannte ich das Panoramo der Stadt von dort nicht und an diesem Tag leuchteten die verglasten Ziegel der Marienkirche in der Sonne, und gerade läuteten die Glocken 10 Uhr. Dieser Blick ist mir immer in Erinnerung geblieben; ich denke oft an den Fußweg dort entlang und wenn ich kann, fahre ich auf Besuchen dorthin.


Als wir mehrere Jahre später unser Haus in Portsmouth kauften, kam mir die Idee, dass ich ja jetzt Bilder aufhängen könnte. Daraufhin habe ich ein großformatiges Panorama Rostocks vom Gehlsdorfer Ufer gekauft, hier rahmen lassen und dann mindestens zwei Jahre nicht aufgehangen. Immer fehlte etwas: Werkzeug, Haken, eine Wandstelle ohne Kabel, und meistens Zeit. Erst musste Sturm Ciara kommen und mich ein Wochenende zu Hause einsperren, ehe ich endlich zwei Löcher in die Wand über dem Sofa im Wohnzimmer gebohrt habe und nun jeden Tag auf Rostock blicken kann.






Bei der Gelegenheit haben wir gleich ein paar weiter lang verstaute Bilder aufgehangen. Das oben ist ein altes Geschenk von Ellies Mutter. Das untere kommt aus Opas Wohnung.