Donnerstag, 26. Mai 2011

26.05.2011 - Neues vom Mittelmaß

Die vorletzte Prüfung
Ich verstehe das echt nicht mehr. Heute morgen, 26.5. habe ich die vorletzte Pruefung geschrieben. Wir hatten die Klausuren der letzten Jahre zur Vorbereitung, die Fragen waren genau die gleichen, ich hab die Aufgaben bis zur Gehtnichtmehr geübt– und dann doch wieder alles durcheinander gebracht. Früher ist mir sowas nicht passiert, früher musste ich aber auch nicht mal lernen, schon gar nicht auswendig. Da war ich auch nie nervös, weil ich wusste, dass ich das kann. Heute muss ich lernen und üben, und habe die Disziplin zu letzterem auch endlich wenn auch leidlich gelernt – und trotzdem kriege ich keine überzeugende Leistung hin. Nicht, dass ich unbedingt durchfalle, aber nichtmal in den einfachsten Umständen komme ich aus der Prüfung und bin zufrieden. Ich sage ich werde alt.
Aber: die Vorbereitung hat mich durch ganz viel Rechnen und Ableitungen getrieben, da heb ich wirklich was gelernt und ich muss einfach sagen es macht mir immer noch richtigen Spaß.
Englische Prüfungen sind im übrigen wirklich anders als deutsche (oder polnische). Man wählt sich ca. ein Drittel aus 4-8 angebotenen Fragen, die jeweils verschiedene Themen und Vorlesungen im Detail abdecken. Dadurch lernt man nie das ganze Fach, sondern spielt eine kleine Lotterie, konzentriert sich auf einige Themen, hofft, dass sie dran kommen, und ignoriert den Rest. Auch gibt es immer eine Mischung aus präzisen, mathematischen Aufgaben, in denen man meist Formeln ableiten muss, und kurzen Essays. Ich konzentriere mich auf erstere, weil man da genau weiß, wo Anfang und Ende der Fragestellung ist.
Die Abschlussarbeit
In einer Woche ist die letzte Prüfung, daher aus gegebenem Anlass diesmal allgemeine Informationen zu meiner anschließenden Abschlussarbeit. Der Titel ist, ob sich Mittelosteuropa in die Peripherie der EU entwickelt. Technisch gesprochen werde ich statistisch untersuchen, ob sich das pro Kopf Bruttosozialprodukt der der ehemaligen Ostblockländer dem der EU Kernländer annähert. Dazu würde ich vermutlich Polen mit Deutschland vergleichen, mit der Ukraine als nicht so stark integrierte Kontrollgruppe. Theoretisch prüfe ich somit die Konvergenzthese der Handelstheorie (die wie auch Statistik schon Grundlage meiner Bachelorarbeit war, wofür ich mich heute fast schäme, da ich sehe, dass ich von beiden keine Ahnung hatte), dass Wirtschaften mit geringerem pro Kopf Kapital schneller wachsen. Ist zwar völlig sinnfrei, weil jeder weiß, dass das nicht funktioniert, und ein Blick auf die Straßen der Länder genügt um zu sehen, dass irgendwelche Konvergenz unter den besten Bedingungen mindestens 50 Jahre dauern wird. Das sagen auch die zahllosen Untersuchungen, die das Thema schon abgegrast haben. Die Hauptmotivation, dass nochmal zu machen ist der technische Teil, denn ich will sehr statistische Methoden üben, insbesondere den Umgang mit den entsprechenden Computerprogrammen – vermutlich eine der wenigen Fähigkeiten, die man später nochmal brauchen wird. Leider fällt mir kein anderes Thema ein, wofür ich sowohl Interesse als auch Kompetenz hätte. Ein interessanterer und auch lebens- sowie arbeitsnäherer Alternativgedanke war, wie sich Wissen und Technologie in weniger entwickelten Ländern verbreiten. Da gibt es einige interessante Gedanken, aber ich wüsste nicht, wie ich das glaubhaft empirisch untersuchen könnte. Naja, andererseits scheint bereits nach den ersten Nachforschungen durch, dass dazu auch schon alles gesagt worden ist. Ich sag ja immer, wie kann man von Studenten erwarten, etwas wirklich neues beizusteuern. Also Konvergenztheorie. Zum Glück wird aber wie erwähnt keine echte Originalität erwartet.
Formale Aspekte: max. 13.000 Worte, Abgabe bis 19.9. Beginn nach der letzten Prüfung am 2.6. Auf dem kuchenreichen Institutstreffen wurde uns geraten, technische Fragen wie Häufigkeit von Treffen mit unserem Betreuer möglichst bald zu besprechen. Das habe ich getan und dabei erfahren, dass er als Politikwissenschaftler offiziell nur bis zum Ende des Semesters Ende Juni beraten darf. In seiner Fakultät schreiben die Studenten nämlich keine Prüfungen und fangen dementsprechend früher mit den Arbeiten an. Ich dagegen als Pseudewirtschaftler beginne erst, wenn sie praktisch fertig sind. Aber ich hab mich ohnehin nie groß auf Betreuer verlassen, und in der Wirtschaftsfakultät Kontakte mit anderen Dozenten geknüpft, die für Fragen zur Verfügung stehen.
Singen, Lesen, Essen
Auch in bereits einem Monat, am 22.6., ist der nächste Chorauftritt. Ich bin wieder gespannt, wie wir das hinkriegen, wo die nächste Probe auch noch wegen Feiertag ausfällt. Bisher sind wir in Mozarts Messe bis zum Credo gekommen; mir gefällt das lateinische Glaubensbekenntnis sehr.
Für die Lektüre zwischendurch habe ich eine sehr praktische Bücherreihe unter dem Titel „Sehr kurze Einführungen“ gefunden, deren Ausgaben diverse Themen umreißen und ohne Probleme in zwei Tagen zu schaffen sind. Nach dem Neoliberalismus lese ich jetzt über Augustinus' Philosophie. Im Moment ist auch wirklich Lesezeit, weil es draußen stürmt, regnet und auf jeden Fall sehr kühl ist.
Letzten Sonntag haben die Araber gegrillt, diesen Samstag kochen und feiern die Südamerikaner, ich ernähre mich fast ausschließlich von gratis Obst und heute habe ich dazu noch zwei selbstgemachte Schokomuffins bekommen.

Freitag, 20. Mai 2011

21.05.2011 - Prüfungen

21.05.2011 - Prüfungen

Seitdem der Besuch weg ist und ich mich allein dem Lernen widme(n sollte) verliert mein Tagebuch in Text und Bild an Spektakularität. Das einzige Thema sind natürlich die Prüfungen, wovon ich die Hälfte jetzt hinter mir habe. Am Donnerstag nach der Abreise der Mädchen habe ich die erste geschrieben, Entwicklungsökonomie. Keine Mathematik, nur Gerede. Hat mich sehr an die Klausuren am Gymnasium erinnert. Ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll, es wirkte irgendwie zu einfach. Nach der letzten Klausur am 2.6. plane ich in Kasias Spuren zu folgen und mich mit einem Ausflug nach Schloss Howard zu belohnen. Abhängig davon, ob ich eine Belohnung verdient habe.


Danach habe ich mich auf Statistik vorbereitet. Nach dem ersten produktiven Tag entwickelt sich das Lernpensum aber eher wie damals meine Bachelorarbeit, ich investiere viel Zeit, aber wenn ich dann in der Bibliothek sitze bringt mich kaum etwas dazu, sie auch zu nutzen. Dabei ist das immer noch eine ausgesprochen enspannte Prüfungsphase. Ich habe im Durchschnitt mindestens eine ganze Woche zur Vorbereitung für jeder Klausur, vergleiche das mal mit der Situation in Magdeburg. Ich schlage auch drei Kreuze im Vergleich mit Kommilitonen. Und trotzdem schaffe ich all die Sachen nicht, die ich hätte machen sollen, insbesondere die Vorbereitung der Abschlussarbeit, das Üben mit den Statistikprogrammen, Russisch sowieso nicht. Ehrlich gesagt sollte ich Englisch üben: da man in der Bibliothek viel liest aber kaum spricht, sind die zwei Wochen Polnisch Intensivkurs immer sehr präsent.
Lesefreude

Im Moment leide ich auch unter völligem Kreislaufstillstand sobald ich den Lesesaal erreiche. Vermutlich ein neuer Bibliothekskoller aufgrund mangelnder Bewegung (da zur Zeit sowohl Fußball als auch Salsa oft ausfällt), nur dass ich im Gegensatz zum Januar weder viel Arbeit noch Erfolg dafür vorweisen kann. Ich bin allerdings erstaunlich wach und durchhaltefähig bei anderer Lektüre, die ich zufällig in der Regalen finde. Zum Beispiel das Kommunistische Manifest oder zu meiner Schande wieder rausgeholt die Einführung in die Kulturstudien, das meistgehasste Buch des ersten Semesters in Magdeburg. Das ist zwar weiterhin eine schändliche Pseudowissenschaft (dazu muss gesagt sein, dass Cultural Studies ein sehr irreführender Begriff ist und kaum etwas mit der Diskussion verschiedener Kulturen zu tun hat), aber auch eine großartige Quelle für jemanden, der seine Hausarbeiten immer mit der Erkenntnis abschließt, dass man die Frage nicht wirklich beantworten kann und ohnehin alles relativ ist.

Lernfreude

Das das bei Statistik nicht genauso funktioniert, ist um so ärgerlicher, da es mein Lieblingsfach war, wo ich dachte besonders viel gemacht zu haben. Jetzt lese ich das Lehrbuch zum vermutlich vierten Mal, aber alles, was ich lerne ist, wieviel ich übersehen habe, oder nie wirklich verstanden, und wieviel Zeit ich noch bräuchte um dahin zu kommen, wo ich hin will, nicht nur was das allgemeine Verständnis des Stoffs angeht, sondern auch die Übung und Sicherheit. Vergleicht das mal mit Geschichte, oder generell allen nicht prüfungsrelevanten Informationen. Wie soll das erst mit der Abschlussarbeit werden, die mich nichtmal sonderlich interessiert? Eine Arbeit nebenbei wäre wirklich nützlich...fürs erste habe ich mich wieder für einen kleinen Kurs zum Programmieren von Internetseiten angemeldet, ähnlich dem über Datenbanken im Herbst.

Weihnachtsfreude

Drei Wochen nach Ostern sind auch die letzten Reste Eurer Päckchen verschwunden. Letztens musste sogar das Nutellaglas innerhalb von drei Tagen dran glauben, nachdem ich entdeckt hatte, dass Plätzchen immer noch besser mit Schokolade schmecken. Aber: inzwischen kann ich mir das leisten. Letztens höre ich schon Beschwerden, dass ich zu dünn geworden wäre. Das ist zwar nicht wahr, aber ich backe fleißig weiter, zuletzt mit Vanille und Mandeln. Eine Rolle mag dabei spielen, dass ich letztens im Internet die komplette Aufnahme der Eterna-Schallplatte 'Bald nun ist Weihnachtszeit' gefunden habe – ja die mit den DDR Kinderchören. Seit ich für Zosias Deutschunterricht alte Lieder und Fernsehprogramme rausgesucht habe, bin ich selbst von veritabler Nostalgie gefangen.

Essfreude

Abgesehen von Plätzchen gestaltet sich meine Ernährung besser als je. Im Obstladen nahe des Campus kaufe ich täglich kiloweise Dinge, die ich mir sonst nie leiste, Kiwis, Weintrauben und Paprika, aber vor allem Birnen und Äpfel, und praktisch geschenkt, bevor sie weggeworfen werden. Außerdem operiert seit kurzem eine Kooperative von umwelt- und friedensbewegten Studenten, also eine Gruppe, die Produkte aus der Region ordert und zum Selbstkostenpreis auf Vertrauensbasis verkauft. Zimt und Mandeln halb so teuer wie bei Aldi. Wenn Mareen das wüsste. Ganz abgesehen davon konnte ich letztens die Reste eines informellen Empfang unseres Instituts plündern; Kuchen und Sandwiches mit Dingen, die ich meinem Körper seit Weihnachten nur auf gesponsorten Abendessen zuführen konnte.

Prüfungsfreude

Die Statistikklausur am 16.5. war dann vermutlich die schlechteste seit der allerersten Wirtschaftsprüfung. Durchaus möglich, dass ich nichtmal bestanden habe Und das war mein starkes Fach.

Trotzdem bin ich ich nach der unmittelbaren Folgezeit wieder guter Dinge, oder besser pendele zwischen Depression, wenn ich wieder zehn Stunden für ein Kapitel brauche und es trotzdem nicht verstehe, und akademischer Begeisterung, wenn ich neun Uhr morgens eine Formel verstehe (insbesondere in den beiden echten Wirtschaftsfächern, deren Prüfungen mir jetzt noch verbleiben), und noch den ganzen Tag habe um weiterzulesen. Insbesondere seit uns auf einem Beratungstreffen kürzlich gesagt wurde, dass die Abschlussarbeit „nicht originell“ sein muss, ich also keinen wirklich neuen Beitrag zur Wissenschaft leisten muss, bin ich bezüglich der nächsten Monate massiv beruhigt. Sorgen macht mir nur die Faulheitsfalle in der Dimension wie während der Bachelorarbeit.

Ende Juni kommen neue Mitbewohner, dem Vernehmen nach ein deutsches Paar.

Mittwoch, 4. Mai 2011

04.05.2011 - Abschied

Am Montag waren die Mädchen dann noch auf Schloss Howard nördlich von York. Dienstag dagegen war Packtag, inklusive einem Packen Kekse und Rezepten für deutsche Kekse. Ich nahm mir ein Buch aus der Bibliothek und blieb bei ihnen zu Hause, denn langsam wurde doch allen etwas traurig. Am letzten Abend, Dienstag, luden mich die Mädchen zum Kalmarenessen in einem italienischen Restaurant in einem ehemaligen Bankettsaal ein. Das kann man ja machen, seit ich mich auf dem Abschlussausflug vom Sejm aus im letzten Juli an Fisch und Meeresfrüchte gewöhnt hatte. Sowohl das Personal, bei dem sie bestellt hatten, als auch die Kellnerin an unserem Tisch stellten sich als Polen heraus.
Offizielles Foto von Schloss Howard

Offizielles Foto von Schloss Howard
Die Kellnerin aus Masuren macht uns ein Abschiedsfoto im italienischen Restaurant.

Das Essen war lecker, aber die Tunke lag uns allen schwer im Magen. Noch schwerer aber der Abschied, und dabei half weder Wein in einer Kneipe bei dienstäglichem Münsterglockenläuten noch zu Hause. Wir sind um vier aufgestanden und kurz nach Sonnenaufgang durch den kalten Morgen zum Bahnhof gelaufen, wo die Mädchen um sechs Richtung Liverpool fuhren. Dort verbringen sie noch eine Nacht und fliegen dann Donnerstag morgen nach Hause. Der Abschied war traurig, und zum Glück hielt der Bus nicht lange genug für lange Szenen (im Übrigen fragten uns zwei Bahnhofsangestellte, welchen Bus wir suchen und riefen dann einem Kollegen eine Frage quer durch die Vorhalle zu, alles auf Polnisch). Ich schaute dann noch einmal auf die in der Morgensonne wartenden Züge in die Städtchen der Region und dachte, wie sich die Dinge doch geändert haben, dass ich andere hierher bringe und selbst nicht einstiege. Dann lief ich nach Hause, am gerade geöffneten und leeren Museumspark sowie unter dem Münster entlang. Denn bei allem Abschied: praca czeka, die Arbeit wartet. Oder besser sie wartet nicht: morgen ist die erste Prüfung und ich wünschte ich könnte von optimistischen Erwartungen berichten.
Schlafarrangement in meinem Zimmer
Abends zu Hause: Kasia gefällt nicht, dass mir ihre neue Sonnenbrille besser steht.
Zurück in den Alltag
Jedenfalls bleibt nicht viel Zeit für Sentimentalitäten, und wahrscheinlich ist das besser so. Ab jetzt wird zur Öffnungszeit in die Bibliothek gegangen und bis abends dort geblieben, neue Kekse gebacken aber weniger gegessen weil weniger zu Hause geblieben. Denn ich habe bewiesen, dass die neue Disziplin auch nur außer Haus funktioniert; nach zwei Wochen mit Besuch bin ich überfressen wie eh und je. Die geborgte Matratze muss zurückbalanciert werden, Donnerstag abend ist Hausputz vereinbart, denn die Küche sieht skandalös aus. Rechnungen kommen bestimmt auch wieder, aber zumindest habe ich fast alle Schulden von meinen Mitbewohnern eingetrieben. Dann wollen Geburtstage bedacht werden, genau wie natürlich vor allem die Prüfungen als auch Abschlussarbeiten und, am schlimmsten, eine Arbeit für danach.

Montag war die erste Chorprobe. Erstmal gab es dabei Aussprachunterricht für alle: „österreichisches Latein“ für Mozart („Küriä, nicht Curry“) und Um- sowie Zwielautdeutsch für Beethoven. Insbesondere letzteres war dabei alle Vorfreude auf Seiten von mir und meines Freunds Richards wert – laut, stark, einfach (wenn auch nicht so einfach gedacht). Die c-moll Messe dagegen ist ein fieser Brocken mit Tempo- und Tonhöhenfallen von Anfang bis Ende.

Noten für Mozart und Beethoven


Die zwei Wochen haben mir auf jeden Fall gut getan. Ob es an der langen Aufgabenliste, dem extrafrühen Aufstehen oder dem immer belebenden Sozialleben abseits eines Computerbildschirms waren, jedenfalls habe ich mich trotz des Abschieds mit Konzentration und ohne Gebäckvisionen der Arbeit widmen können. Vielleicht lag es auch an den ausnahmsweise positiven Nachrichten von der Uni. Nachmittags hatte ich das reguläre Betreuertreffen am Semesteranfang, wo ich erfuhr, dass einige Arbeiten zumindest akzetabel benotet wurden. Meiner Meinung nach waren das reine Märchen, mit der heißen Nadel geschrieben, voll offensichtlicher Wissenslücken, mit praktisch erfundenen Fakten oder hanebüchenen Interpretationen gefüllt. Aber ich will nicht leugnen, dass es ein großer Moralschub war, auch wenn hier vermutlich jeder sowas bekommt.

30.04.2011 - Gemeinsam Reisen

Habe ich jemals gesagt mein Polnisch wäre eingerostet? Grober Unfug, innerhalb von wenigen Tagen war es wieder voll da, zwar nicht der volle Wortschatz aber auf jeden Fall fließend. Sogar die Gedanken sind so fest Polnisch, dass ich jetzt fast Probleme habe, es wieder rauszukriegen. Mein Englisch muss wieder spürbar von polnischen Satzbaumustern adaptiert werden. Vielleicht waren die zwei Jahre in Polen doch nicht so ein verkappter, ineffektiver Urlaub, wie ich inzwischen gedacht hatte.

Mädchen mobil

Die zweite Hälfte des Besuchs waren die Mädchen vor allem mit Ausflügen beschäftigt. Durham und Newcastle haben ihnen sehr gut gefallen, Edinburgh nicht. Aus letzterem kehrten sie erst um Mitternacht zurück, was ich dazu nutzte, noch einmal neue Kekse zu backen, die insbesondere bei Magda auch ein ganz großer Erfolg wurden und jeden Tag an Zahl verloren. Ich habe sie jedenfalls morgens immer zum Bahnhof gebracht und bin dann zur Uni gefahren. Manchmal aber habe ich die Gelegenheit auch genutzt, vorher noch kurz in den lange vernachlässigten da nicht bibliotheksnahen Münster und auch endlich wieder seine Unterwelt zu schauen.









Zusammen in Harrogaten & Knaresborough
Ich konnte ja niemals mitfahren. Samstag jedoch habe ich mich zumindest einmal angeschlossen, als wir nach Harrogate und Knaresborough fuhren. Das erste Mal seit Weihnachten, dass ich York verlasse. Das sind zwei kleinen Orten westlich von York, letzteres mit einigem an Geschichte, aber beide vor allem wegen ihres hübschen Aussehens interessant. Harrogate wurde vor vielen Jahren erwähnt, als ich auf dem Weg nach Leeds dort für einige Stunde halt mache und miesepetrig den Besserverdienercharakter dieser Bäderstadt beschrieb. Inzwischen bin ich da toleranter und wir hatten einen schönen Tag in Gärten, auf Spielplätzen sowie der Hauptattraktion der Mädchen im ganzen Land, dem Klamottenladen Primark. Mehr ist zu Harrogate auch nicht zu sagen.
Alles, was die Touristin braucht.
Knaresborough ist ein wunderschönes Nest, ansteigend auf einem Felsen über einem Fluss gelegen, mit einer im Bürgerkrieg geschleiften Burgruine auf der Höhe und einem Bilderbucheisenbahnviadukt über dem Wasser. Die Sonne schien, die Hügel und Wälder grün, wir stiegen hinunter zum Fluss und dann die Gassen wieder hinauf zur Kneipe neben dem Bahnhof.
Kasia und ich im Kurpark in Harrogate

Magda und ich im Kurpark in Harrogate

Magda und ich vor der Burgruine in Knaresborough

Kasia und ich in Knaresborough, auf der Burgruine, vor dem Eisenbahnviadukt

Magda und Kasia am Fluss in Knaresborough



Sonntag war dann Ruhetag, ich zeigte den Mädchen nur den Campus und Kasia blieb auch mit mir in der Bibliothek zum Übersetzen. Das war eigentlich eine der angenehmsten Unternehmungen, nicht nur gemeinsam Urlaub zu haben, sondern jemanden meinen Alltag zu zeigen. Vor allem aus diesem Grund hat sich das Modell bewährt, mich länger zu besuchen, aber tagsüber die Gäster viel allein machen zu lassen. Ich bin trotzdem noch acht Stunden an der Uni (wie effektiv ist eine andere Frage) und Kasia übersetzt noch (immer effektiv).
Am Campussee, im Hintergrund die Zentralhalle.
Kasia und ich arbeiten in der Bibliothek

28.04.2011

Hatte ich am Anfang Bedenken, während der Prüfungsphase zwei Wochen lang Gäste zu haben, bin ich zunehmend über jeden Tag froh, den sie hier bleiben. Die Mädchen haben ihr Geld auf erfolgreichen Reisen nach Durham und Newcastle verbraucht (mir von letzterer ein Hemd als Geschenk mit sehr komplimentärer Aufschrift mitgebracht), am Freitag fahren sie nach Edinburgh und am Montag kommt dazu noch ein Tag im nahen Schloss Howard, wohin ich selbst noch nie gekommen bin. Donnerstag (28.4.) nahm ich sie zu einem traditionellen Yorkshire Cream Tea (d.h. Tee mit Fruchtbrötchen und Marmelade) im ebenso auf seine Tradition bedachten Café Betty´s, und danach zum Salsa.
Cream Tea im Café Betty's (Quelle: Internet)

Mein Geschenk aus Newcastle. Aufschrift 'Royal Male' (Königlicher Mann), Wortspiel mit 'Royal Mail' (Königlich Britische Post). Aufgenomen in einem Pub nach der Rückkehr der Mädchen.

Zugegeben, so ein bisschen weniger Zeit bin ich schon an der Uni. Unter anderem, weil ich Kasias Buchgeschenk in Windeseile durchlese – Geschichte liegt mir eben trotz allem viel mehr als Wirtschaft. Aber am Donnerstag habe ich meinen letzten Essay abgegeben. Jetzt kann ich mich endlich ausschließlich auf die Prüfungen vorbereiten. Entwicklungsökonomie am 5.5., Statistik 16.5., Mikroökonomie 26.5. und Internationale Makroökonomie 2.6. Seit Montag ist es in der Bibliothek auch etwas leiser. Der Umbau eines Nebengebäudes ist abgeschlossen, was den Studenten bedeutend mehr Arbeitsfläche zur Verfügung stellt.
Ein negativer Nebeneffekt des Besuchs ist, dass ich etwas mehr Zeit zu Hause verbringe (später zur Uni fahre, früher zurückkomme) und dadurch mehr esse. Insbesondere die Osterpäckchen sind jeden Tag etwas leichter. Dabei tut es mir wirklich leid, wenn ich einen dieser schönen Kekse esse. Und nicht nur, weil ich so wieder zunehme.
Die Osterglocken in der Stadt sind inzwischen schon wieder tot. Überhaupt ist das Osterwetter erstmal vorbei. Es ist wieder richtiggehend kalt geworden. Besonders die Mädchen frieren erbärmlich, dabei sind sie schon in alles gewickelt was ich an Decken und Pullovern anbieten kann. Ich bin offenbar schon so lange hier, dass mir die Kälte nicht mehr auffällt. Erklärt, warum Briten bei jeder Jahres-, Tages- und Nachtszeit maximal in Hemd und Minirock ausgehen. Und sogar Emilie macht die Heizung kaum noch an, nachdem sie im letzten Winter fast erfroren war. Polen jedenfalls scheint entgegen meiner Erinnerung ein tropisches Land zu sein, zumindest halten es Neuimmigranten hier schlecht aus. In Polen  selbst fiel allerdings sogar einmal Schnee, ließen uns Verwandte wissen.
Montag beginnt der Chor wieder zu proben, und ich habe einen Fehler gemacht: neben Beethovens Neunter singen wir Mozart Messe in c-moll, nicht h-moll. Also kein Lacrimosa. Die Texte dafür werden dem Unibuchladen auch wieder gute Einkünfte bringen.