Sonntag, 21. November 2010

21.11.2010 – Gesund und mit Musik

1. Gesundheit
Die jüngsten Ereignissen haben uns alle hier etwas hypochondrisch gemacht. Bei jedem Kopfschmerz messe ich meinen Puls. Inzwischen hat mir ein Arzt bestätigt, dass ich nur eine weitere leichte Erkältung fast überstanden habe. Am 19.11. wurde ich außerdem gegen Meningitis geimpft.

Persönlich denke ich, dass der häufige Schnupfen einen simplen Grund hat: zu wenig Stress. Ganz allgemein muss ich nämlich trotz allem klar feststellen, dass es mir seit Jahren nicht so gut ging. Ich habe eine Aufgabe, die mich nützlich erscheinen lässt, und nebenbei noch Zeit ausreichend zu schlafen und zu essen, sogar um zu tanzen, für Museen, privates Lernen, ab und zu kann ich ausgehen und ich treffe ausnehmend schnell Freunde aus vielen verschiedenen Ländern. In Magdeburg war für Krankheit gar keine Zeit.

2. Uni
2.1 Wie ich erfahren habe, sind wir in York alles 'geeks'. Wären wir cool „würden wir in Leeds studieren“.

2.2 Am Campussee kann man prima in Ruhe sein Mittag essen. Dabei kann man in melancholischen Momenten die Enten füttern. Die sind mindestens so gierig wie Meerschweinchen. Denkt man nicht wie schnell so ein Erpel sein kann, wenn er einen fallenden Brotkrumen sieht.
Für den Nachmittagstee habe ich die Musikfakultät gefunden. Deren Gemeinschaftsraum überblickt wunderbar eine Wiese und dahinter ist der Campussee. Dazu spielt und singt es aus den Proberäumen, besonders stimmungsvoll vor Weihnachten und mit dem melancholischen Ausblick auf die diesige Wiese davor im Spätherbt. Trotzdem ist es ruhig genug um zu arbeiten weil sich wenige Studenten dorthin verirren. Das ist gut, denn ein grundsätzliches Problem der Uni ist die große Zahl von Studenten. Die meisten sind damit beschäftigt mir im Weg zu stehen.

Letztens habe ich gesehen, das die Colleges bis spätnachts voll Leben sind. Denn nicht nur hat jedes tagsüber sein Cafe, abends können die anwohnenden Studenten alle Einrichtungen benutzen. Ich nutze die Tanzabende der Südamerikanischen Gesellschaft, andere sehen sich mit den Projektoren der Lehrsäle Filme an.

3. Eigenbildung
3.1 Am Vormittag des 12.11. war ich im Prunkhaus der Stadt, wo bis heute wichtigere Gäste wie der König unterhalten werden. An den Wänden hängen die Regalien der Gemeinde, inkl. eines Schwerts von Kaiser Sigismund und einem zweiten, welches sich James I (König schottischer Abstammung, der England und Schottland zu Großbritannien vereinigte) zu seiner Krönung auslieh und nur auf wiederholte Bitte und ohne Gold- und Edelsteinbesatz zurückgab. Man vermutet dies als Grund für die bis heute gültige Stadtverordnung, dass jeder, der Samstag von 6-7 Uhr mit Pfeil und Bogen auf der Stadtmauer steht und einen Schotten sieht, diesen erschießen darf.

3.2 Terrific race the Romans
Danach bin ich noch unter (!) einen Pub im Zentrum gefahren, wo bei Kellerarbeiten in der 1930ern das Badehaus der römischen Garnison gefunden wurde. Seitdem mit Spaß am Thema als kleines Privatmuseum betrieben. Ich bin ja vollkommen begeistert von der römischen Zivilisation. Allein wenn man eine Karte des Schachbrettmusters der römischen Siedlung mit dem Straßenwirrwarr des mittelalterlichen York überlegt. Die Stadt wurde im 5. Jahrhundert verlassen und stand ca. 150 Jahre leer bevor es von den Angelsachsen rekolonisiert wurde. Was für ein Anblick müssen die langsam verfallenden Säulen und Bögen einer römischen Stadt gewesen sein inmitten der Wüstenei der Barbaren.

3.3 Eine Wohe später habe ich Samstag vormittag noch zwei in einem speziellen Faltblatt aufgeführte Kirchen besucht. Eine ist das letzte Überbleibsel eines der mit der Reformation abgeschaften großen Klöster und das einzige was niemals ganz geschlossen wurde. Die zweite ist gleich am Fluss und das schönste Sakralstück nach dem Münster aufgrund zweier Glasfenster, in denen die christlichen Tugenden sowie die letzten 15 Tage der Welt gezeigt werden.

3.4 Nach dem Buch über den Münster lese ich eine Reihe Kurzbiographien einiger der für seinen Bau wichtigsten Bischöfe, ähnlich den Euch zugeschickten.

4. Remembrance Day
Sonntag 13.11. war Gedenktag für die gefallenen Soldaten der Weltkriege. Im Vergleich zu Polen sehr dezent. Keine Paraden in jeder Kleinstadt, keine patriotischen Reden, keine Kinder in Uniform. In den Vorwochen wird auf den Straßen für die Veteranenorganisationen gesammelt; Spendern werden rote Blüten angesteckt, Symbol der französischen Mohnfelder, in die wohl viele Tote des 1. Weltkriegs aufgegangen sind.

5. Briefe
Neoliberalismus in drei Worten: Markt über alles. Aber das spricht selbstverständlich jeder wissenschaftlichen Anspruch Hohn, sogar dem von Studenten. Wie so oft geht das Problem schon bei der Definition los, und darum ist es auch so ein populäres Thema, weil sich jeder das raussucht was ihm passt und so interpretiert wie er will. Für Näheres wie immer Wikipedia, und als Buch das von mir gerade bearbeitete „Im Schatten der Globalisierung“ von Stiglitz.

6. Weihnachten
Ich habe einen Messbecher gefunden und kann jetzt backen.
Am 1. und 8. Dezember gehe ich zu Konzerten des Unichors (Mozart und Brahms).

Montag, 8. November 2010

08.11.2010 - Notizen

1. Guy Fawkes Nacht
Guy Fawkes Nacht war, wie zur Zeit die meisten Versuche etwas abends zu erleben, eine Enttäuschung. In Newcastle hatte mich Paul damals noch zu einer großen Menge in einen Park mitgenommen, mit Lagerfeuern und Strohpuppen und Ballons und Süßigkeiten für die Kleinen. Hier waren die Parks schon zu als ich ins Zentrum kam. Überall ging zwar Feuerwerk in den Himmel, genau genommen schon in den Tagen davor wie auch danach, aber das scheint alles privat im Hintergarten erledigt zu werden. Und das obwohl Guy Fawkes hier zur Schule gegangen ist!

2. Uni
Die erste Präsentation verlief ereignislos. In der kommenden Woche sind zwei schriftliche Arbeiten abzugeben, für die einzigen beiden ernstzunehmenden Kurse. Größtenteils Mathe. Die beiden anderen bringen am Ende des Semesters dann die Hausarbeiten. Sämtliche Klausuren kommen am Ende des Frühlingstrimesters, und zwar aus beiden Trimestern, wodurch es wohl stressig werden dürfte, zumal das Frühlingssemester die geringe Kurszahl des jetzigen ausgleichen wird.

Neben den Lehrbüchern lese ich schnell ein 100-Seiten-Buch zum Münster aus der Unibibliothek durch, die erste wirklich detaillierte Beschreibung, die mir gratis in die Hände gefallen ist.

3. Statistik
3.1 Drei römische Kaiser wurden in York gekrönt. Der letzte, Konstatin der Große, war es, der im Zuge der Durchsetzung des Thronanspruchs das Christentum legalisierte. Gekrönt wurde im Hauptquartier der neunten Legion, also der Basilika, dem Zentrum der Siedlung, direkt unter dem Münster. Ein Büro ist noch heute samt Mosaik unter dem Hauptturm zu sehen, und vor dem Münster eine der Kapitelsäulen, mit einer Statue Konstantins.

3.2 Post läuft wie seinerzeit 3 Tage.

4. Der Schokoladengeruch kommt vermutlich von der Rowntree-Schokoladenfabrik, heute im Besitz von KitKat oder Nestle.

5. Antwort auf einige Fragen aus Briefen
5.1 Andenken und Souvenirs habe ich, vielleicht überraschend, gar keine. Einmal sammle ich sowas nicht gezielt, und zweitens fällt sowas gnadenlos der Gepäckspardoktrin zum Opfer. Weiterhin – dafür schreibe ich ja ein Tagebuch! Viele traurige Abende im ersten Studienjahr wurden nur durch intensive Lektüre detaillierter Berichte aus England und Torun gerettet. Andenken sind dabei eher eigene Erinnerungen, meist vernebelte Eindrücke aus Kneipen oder Panorama über Städten und Landschaften, plus Fotos und Musik die sich leicht auf dem Laptop transporen lassen. Gegenstände habe ich aus England, Polen und Bulgarien, meist Geschenke von Freunden. Aber die stauben an sicheren Orten in Deutschland. Die meisten sind Alltagsgegenstände, die weiterhin nützlich und schwer neu zu finden sind, und die dazu einen Erinnerungswert besitzen. Mein großer Koffer z.B. wurde eigens für England gekauft, und mein unersetzliches dt.-pl. Wörterbuchprogramm, in dessen Hülle ich wichtige CDs transportiere, habe ich in den letzten Sommertagen in Torun erstanden. Mein Rucksack ist eine Konstante auf allen Fotos seit den ersten Ausflügen von der Farm.

5.2 Selbstverständlich ziehe ich bewusst und unbewusst Vergleiche zwischen den verschiedenen Wohnorten und -ländern. Das passiert schon ganz unwillkürlich wenn in einer neuen Gesellschaft eine bestimmte Verhaltensnorm (schließe dein Fahrrad immer an etwas stabiles an! vs. Kann man auch mal kurz unangeschlossen stehen lassen / „bei Vorfahrtsregelung schlägt LKW Auto, Auto Fahrrad, Fahrrad Fußgänger“ vs. „jeder hat seine eigene und respektierte Spur mit eigenen Rechten“) plötzlich nicht mehr gilt oder radikal anders interpretiert wird (in Polen oder Bulgarien eskortiert man das Mädchen nach Dunkelheit nach Hause oder zumindest bis zum Bus, in Deutschland oder England kann das ganz andere Intentionen suggerieren).
Es braucht sich aber niemand Sorgen machen, dass ich Polen den Rücken kehre, wenn ich immer mal wieder erwähne, was dort noch alles nachzuholen ist. Ha, wenn ihr wüsstet wie mir das Lodzer Kultur- und Nachtleben fehlt!
Wenn ich mich z.B. zwischen Lodz und York entscheiden müsste, würde ich vermutlich Lodz wählen. Nur den Münster und den Fluss würde ich mitnehmen. Die Altstadt könnten wir ein neues Viertel machen. Dom und Elbe würde ich sogar aus Magdeburg mitnehmen. Ginge es um Polen oder England, wäre ich mir schon nicht mehr so sicher.

5.3 Trimestertermine
Herbsttrimester 11.10.-17.12.2010
Frühlingstrimester 10.01.2011 – 18.03.2011 (anschließend Prüfungszeit)
Sommertrimester 26.04. - 01.07.2011

Donnerstag, 4. November 2010

04.11.2010 - Notizen

1. Miete
Am 28.10. haben wir endlich unseren Mietvertrag unterschrieben. Dabei haben uns die Vermieter auch erklärt, wie die Heizung richtig funktioniert. Endlich laufe ich ohne Jacke im Haus rum und Emilie muss nicht mehr in selbiger schlafen. Andererseits sind wir ohnehin kaum mehr im Haus. Genauso hätte ich mir den Laptop sparen können: ich bin sowieso 9-22 Uhr an der Uni oder danach zum Salsa.

2. Geister
Samstag den 30.11. bin ich morgens noch einmal zum Schatzmeisterhaus, um die Kellertour mitzumachen. Da bezahlt man im Prinzip drei Pfund, um zehn Minuten in einem kleinen Kellerraum stehen zu können. Dabei werden Geistererschichten von den römischen Soldaten erzählt, die dort noch regelmäßig zu Fanfarenstößen aus den Wänden marschiert kommen. Der Keller liegt nämlich auf einer der Haupteinfallsstraßen der alten Garnison, welche man im Boden freigelegt hat.

3. Lichterfest
In York fand am 27.-30.11. das jährliche Lichterfest statt, an dem historische Gebäude bunt angestrahlt werden. Ich war am Donnerstag kurz im Zentrum, wo Blumenbilder an die Südfassade des Münsters geworfen und dazu komische Gedichte erzählt wurden. Nicht so beeindruckend wie die Fotos in der Touristeninformation. Der Münster hat im Übrigen 'im Moment keine Stellen für Freiwillige'.

4. Statistik
4.1 Offizielle Zählung des vorreformatorischen Yorks: 40 Kirchen, 8 Kloester.

4.2 Meine Professoren:
1 Pakistaner (Recherchetraining)
1 Mexikanerin (Mikroökonomietheorie; vorher Leiterin des Intensivkurses)
1 Japaner (Quantitative Methoden, d.h. Statistik) – sehr jung, sehr unsicher, sehr süß
1 Dänin (Entwicklungspolitik), früher an Oxford, bestes Englisch auf der Welt, superprofessionell
1 Türkin (Entwicklungsmakroökonomie, wo ich nur gasthöre) geboren für ihr Fach so ihren Beruf. Ganz ganz toll.

5. Unibildung
Freitag den 05.11. halte ich in Entwicklungspolitik meine erste Präsentation seit der Bachelorprüfung. Thema: Neoliberalismus.
Inzwischen studiere ich de facto Mathematik. Von den vier Kursen sind nur zwei ernstzunehmen, Mikroökonomie und Quantitative Analyse, beide füllen allein die Woche, für sie allein brüte ich jeden Tag über Formeln. An sich macht mir Mathe Spaß, solange bis es zu den Übungen kommt. Das Problem dabei ist nicht so sehr, dass ich nach einer Woche durchaus harten Lernen auf die Formeln an der Tafeln starre wie auf ein abstraktes Gemälde, sondern das allgemeine zustimmende Nicken um mich herum. Plus die intelligenten Fragen, und Korrekturen, für die uns die Professorin reichich Gelegenheit gibt. Dabei sind das die gleichen Leute aus dem Sommerkurs, die vorher Politik oder Medizin oder Politik studiert hatten, aber weniger Mathe als ich.
Verglichen mit dem Bachelor ist das hier aber immer noch Urlaub. Schließlich habe ich noch ein Leben außerhalb der Uni, mit Kaffee trinken und tanzen und ab und zu was aus privatem Interesse lernen.

6. Extrabildung
Zu Russisch komme ich kaum noch. Dafuer habe ich mich fuer einen kurzen Computerlehrgang zu Datenbanken eingeschrieben.
Ich habe Drei Maenner in einem Boot beendet und lese jetzt Die Schatten der Globalisierung von Joe Stiglitz. Geringstes Uebel einer Wahl verschiedener Titel fuer den Kurs Recherchemethoden.

7. Spaß mit Feuer
Samstag den 06.11. ist Guy Fawkes Nacht, zur alljährlichen Feier der Folter und Hinrichtung des katholischen Verschwörers, der das Parlament samt protestatischem König in die Luft jagen wollte. Dazu trifft man sich alle Jahre wieder um ein Feuer, auf denen früher dazu seine Strohpuppe verbrannt wurde. Für mich ist abends große Salsaparty, endlich Platz zum Tanzen.

8. Wenn jemand ein Weihnachtsgeschenk fuer mich sucht: eine Sekretaerin waere sehr nuetzlich.

9. Der Schokoladengeruch hat sich auf andere Stadtviertel ausgebreitet.